Bei der Landtagswahl gibt es zwei Stimmen: die erste für einen Direktkandidaten aus dem Wahlkreis, die zweite für die Liste einer Partei, Wählergruppe oder Listenvereinigung. Die Direktkandidaten sind das Gesicht der jeweiligen Partei, Gruppe oder Liste vor Ort. Sie sind mit den Gegebenheiten vor Ort besonders vertraut, stammen meist aus dem jeweiligen Wahlkreis und/oder arbeiten dort. Sie sind an Wahlkampfständen, beim Haustürwahlkampf oder auf Podien vor Ort anzutreffen. Der Kandidat mit den meisten Stimmen zieht direkt in den Landtag ein, unabhängig vom Zweitstimmenergebnis seiner Partei, Gruppe oder Liste. Mit der Zweitstimme wird die prozentuale Verteilung der Sitze im Landtag bestimmt.
Der Brandenburger Landtag hat 88 Sitze. 44 davon werden also über Direktmandate vergeben. Insgesamt muss aber das Verhältnis aus der Zweitstimme gewahrt bleiben. Hat eine Partei mehr Direktmandate errungen, als ihr prozentual zustehen, gibt es für sie ein Überhang- und für die anderen Parteien Ausgleichmandate. Deshalb wächst beispielsweise der Bundestag manchmal erheblich an, weil es so viele Ausgleichmandate gibt. Bislang gab es in Brandenburg nur einmal Überhangmandat, und zwar nach der Wahl 1999, als die SPD ein Überhangmandat bekam. Der Landtag hatte damals 89 Abgeordnete.
In allen anderen Wahlperioden spiegelten also die Direktmandate das Zweitstimmenergebnis wider. Experten erwarten, dass dies diesmal anders sein könnte. Die AfD könnte eine hohe Zahl an Wahlkreisen direkt gewinnen. Einer Projektion* zufolge könnte das 37 Wahlkreise betreffen und zahlreiche Überhangmandate bedeuten, die wiederum ausgeglichen werden müssten.
Der Brandenburger Landtag ist jedoch laut Wahlgesetz auf 110 Plätze begrenzt. Direktmandate müssen auf jeden Fall vergeben werden. Erhält eine Partei mehr Direktmandate als Zweitstimmen und kann diese Schräglage nicht durch Ausgleichmandate geradegerückt werden, weil der Landtag „voll“ ist, entsteht ein ganz anderes Wahlergebnis, als nach Zweitstimmen gewählt wurde. Das könnte verfassungswidrig sein, die Wahl würde angefochten werden, Gerichte müssten sich damit befassen.
Die Bertelsmann-Stiftung sieht als einzige Lösung die Vergrößerung des Landtages. Dies hat der alte Landtag jedoch nicht auf den Weg gebracht.
Was könnte der Wähler tun? Er könnte „strategisch“ wählen, also bei der Erststimme überlegen, welcher der Direktkandidaten eine reelle Chance auf Direkteinzug in den Landtag hat, selbst wenn dieser nicht ganz seiner favorisierten Partei entspricht. Bei der Zweitstimme kreuzt er dann die Partei seiner Wahl an.
Sowieso schicken nicht alle Parteien, Gruppen oder Listen in jedem Wahlkreis Direktkandidaten ins Rennen: So hat das Bündnis Sahra Wagenknecht keinen einzigen Direktkandidaten in Brandenburg. In Dahme-Spreewald ist „Plus Brandenburg“ nur im Wahlkreis 28 mit einem Direktkandidaten vertreten, die Deutsche Kommunistische Partei nur in den Wahlkreisen 26 und 27. Im Wahlkreis 28 tritt außerdem „Deutsch Land Wirtschaft“ mit einem Direktkandidaten an, im Wahlkreis 27 gibt es einen Einzelbewerber.
In allen drei Wahlkreisen sind SPD, AfD, CDU, B‘90/Grüne, Linke, BVB/Freie Wähler und FDP mit Direktkandidatinnen und -kandidaten vertreten.
Wahlkreisgewinner sowie Zweit- und Drittplatzierte / Erststimme bei der Wahl 2019**
WK 26 Bestensee, Mittenwalde, Schönefeld, Schulzendorf, Eichwalde, Wildau, Zeuthen | WK 27 Königs Wusterhausen, Tauche, Storkow, Ämter Scharmützelsee und Spreenhagen | WK 28 Ämter Schenkenländchen, Unterspreewald, Lieberose / Oberspreewald, Heidesee, Märkische Heide, Lübben, Luckau, Heideblick |
SPD, Tina Fischer: | 28,8 % | SPD, Ludwig Scheetz | 27,3 % | AfD, Hans-Christoph Berndt | 28,9 % |
AfD, Dennis Hohloch | 21,1 % | AfD, Andreas Kalbitz | 22,9 % | SPD, Sascha Philipp | 25,7 % |
CDU, Björn Lakenmacher | 16,9 % | CDU, Christian Schröder | 13,7 % | CDU, Olaf Schulze | 17,5 % |
Kandidaten dieser Parteien bei der Wahl am 22.9.2024
WK 26 Bestensee, Mittenwalde, Schönefeld, Schulzendorf, Eichwalde, Wildau, Zeuthen | WK 27 Königs Wusterhausen, Tauche, Storkow, Ämter Scharmützelsee und Spreenhagen | WK 28 Ämter Schenkenländchen, Unterspreewald, Lieberose / Oberspreewald, Heidesee, Märkische Heide, Lübben, Luckau, Heideblick |
SPD: Tina Fischer: | SPD: Ludwig Scheetz | AfD: Hans-Christoph Berndt |
AfD: Jan Schenk | AfD: Benjamin Filter | SPD: Nadine Graßmel |
CDU: Björn Lakenmacher | CDU: Christian Schröder | CDU: Kay Drews |
* „Resilientes Wahlrecht“, Bertelsmann-Stiftung:
https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/einwurf-032024-resilientes-wahlrecht
** Quellen:
https://www.dahme-spreewald.info/media_fast/116/Amtsblatt%2019_2019.pdf
https://www.landkreis-oder-spree.de/media/custom/2689_2554_1.PDF?1563893938
https://view.officeapps.live.com/op/view.aspx?src=https%3A%2F%2Fdownload.statistik-berlin-brandenburg.de%2F1477089ba17c3b47%2F66c4897d91f8%2FDL_BB_2_LT2019.xlsx&wdOrigin=BROWSELINK