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Wachstumsschmerz im Flughafenumfeld

Die Entwicklung in den Kommunen rund um den Flughafen BER brummt. Aber wie lässt sich Wachstum raumverträglich gestalten? Und welche Rolle spielen die Bürger, insbesondere Kinder und Jugendliche dabei? Darum ging es im 3. Wahlkreisel in der Paul-Gerhardt-Kirche Ragow.

 

Von Andreas Staindl

 

Die Entwicklung in den Berlinnahen Kommunen im Landkreis Dahme-Spreewald brummt. Zuzug und Gewerbeansiedlung seit Jahren, und das in Größenordnungen. Ein Ende ist nicht abzusehen. Die Infrastruktur hält nicht Schritt. Das Kreisentwicklungskonzept 2030 – vor vier Jahren verabschiedet -könnte längst von der Wirklichkeit überholt sein und bedarf zumindest einer Überprüfung. Wie weiter mit der Kreisentwicklung? Ist weiteres Wachstum im Norden des Landkreises noch verträglich? Wie bekommt man den täglichen Wahnsinn auf den Straßen in den Griff? Schon heute ächzen die Kommunen unter den Blechlawinen, die sich täglich durch die Orte quälen. Und sagt das Konzept etwas über die Identität der Bürger? Wie steht es überhaupt mit der Bürgerbeteiligung? Wollen und können sich die Bürger in kommunalpolitische Prozesse einbringen? 

 

Wer in den Kreistag will, sollte Antworten darauf parat haben, idealerweise Visionen entwickeln, die die Lebensqualität der Menschen verbessern. Das Online-Magazin Wokreisel lädt Kreistagskandidaten zu Gesprächsrunden ein. Die dritte Runde fand am Montag in Ragow statt. Kandidatinnen und Kandidaten des Wahlkreises III (Schönefeld, Bestensee, Mittenwalde) waren eingeladen. Wer nicht persönlich kam, schickte einen Vertreter seiner Partei oder Wählergruppe. Acht Bewerber, darunter zwei Frauen, stellten sich den Fragen der Wokreisel-Gründerin Dörthe Ziemer und des Publikums. 

 

 

Eine der Fragen brennt den Bürgern im Wahlkreis III sicherlich täglich auf den Nägeln: Wie bekommt man das ganze Blech von der Straße? Staus sind längst zum Normalzustand geworden. Katrin Fischer-Distaso (B90/Grüne) spricht von „täglich wahnsinnigem Verkehr auf unseren Straßen. Und immer mehr Gewerbe zieht immer mehr Fahrzeuge an. Wir müssen Verkehr auch auf die Schiene bringen. Die Menschen brauchen Anreize, auch alternative Beförderungsmöglichkeiten zu nutzen.“ Lutz Krause (Unabhängige Bürgerliste/UBL) weiß als erfahrener Kommunalpolitiker, dass „der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) seit Jahren ein Wahlkampfthema ist. Forderungen nach mehr ÖPNV sind nicht neu. Nur, die Bürger müssen Angebote auch annehmen. Derzeit befördern wir viel heiße Luft“. Zudem hänge der öffentliche Personennahverkehr auch von Entscheidungen des Lands und Bunds ab. Björn Lakenmacher (CDU) ist Realist und sagt: „Wir werden nicht das ganze Blech von der Straße bekommen. Unsere Infrastruktur ist für den Verkehr, der abzusehen war, nicht da. Planungen wurden verschlafen und sind nicht ausgegoren. Jetzt müssen wir zumindest Straßen erhalten und ausbauen, auch Radwege. Wir brauchen einen Gleichklang mehrerer Maßnahmen, um den Verkehr wieder zum Fließen zu bringen. Auch Rufbusse sind denkbar.“ 

 

Der CDU-Politiker nennt für die täglichen Blechlawinen in den Orten im Norden des Landkreises Dahme-Spreewald auch einen hausgemachten Grund: „Es gibt zu viele Spediteure entlang der Autobahn und zu wenig Wertschöpfung. Das missfällt mir. Wir müssen dieser Entwicklung Einhalt gebieten und Gewerbeflächen für produzierendes Gewerbe freihalten.“ Lutz Krause sieht „den Landkreis nur bedingt in der Handlungsposition. Viele Signale und Entscheidungen gehen vom nahen Flughafen in Schönefeld aus“. Er kritisiert zudem „die verfehlte Bundespolitik. Zu viele Schienen wurden stillgelegt. Diese Sünden holen uns jetzt ein, und wir müssen dafür bluten.“ Rainer Sperling (Bürgerinitiative in Schönefeld/BiS) „gefällt die Geschwindigkeit nicht, mit der der Norden unseres Landkreises wächst“. Als Lösungsansatz für weniger Verkehr auf den Straßen bringt er die Erweiterung der U-Bahn U7 bis Schönefeld und eine Magnetschwebebahn ins Spiel: „Wir sollten vorhandene Ideen aufgreifen und weiter darüber nachdenken. Wichtig ist, die nötigen Trassen dafür freizuhalten. Und wir müssen unser Radwegekonzept fortführen.“ Katrin Fischer-Distaso verspürt erhebliche Wachstumsschmerzen im Wahlkreis III: „Wir brauchen kleines, produzierendes Gewerbe, mehr Startups. Dafür müssen wir Anreize geben. Die Ansiedlung großer Unternehmen muss mit der Qualität für Klima und Natur einhergehen. Bisher haben wir unsere Gewerbegebiete nicht nach diesem Standard gebaut. Wir brauchen Synergien zwischen Klimaschutz und wirtschaftlicher Entwicklung.“ 

 

 Runde 1: Björn Lakenmacher, Katrin Fischer-Distaso, Lutz Krause, Rainer Sperling. Foto: Karen Ascher

Runde 1 (v.l.): Björn Lakenmacher, Katrin Fischer-Distaso, Lutz Krause, Rainer Sperling. Foto: Karen Ascher

 

Entwicklung hängt auch von der Digitalisierung ab. Wie blicken die Bewerberinnen und Bewerber für den Kreistag auf die Digitalisierung im Landkreis? „Angebote über neue Medien sind gerade älteren Menschen oft zu kompliziert“, sagt Björn Lakenmacher. „Wir müssen das einfacher gestalten.“ Er sieht zudem „Vorbehalte gegen die Digitalisierung der Verwaltung. Die Leute haben Angst um ihre Daten. Wir müssen dieses Misstrauen abbauen, dürfen uns der Digitalisierung jedoch nicht verschließen“. Katrin Fischer-Distaso kennt „ältere Menschen, die mit neuen Medien wunderbar umgehen können. Von der Digitalisierung profitieren alle.“ Als Beispiel nannte sie Homeoffice. Das mobile Arbeiten in den eigenen vier Wänden führt ihr zufolge zu weniger Verkehr und sei deshalb gut für das Klima. Lutz Krause zufolge „haben wir das Thema Digitalisierung verschlafen“. Er kritisierte große Telekommunikationsunternehmen, die die Digitalisierung, etwa das Verlegen von Glasfaserleitungen, bewusst verzögert hätten, und sagt: „Der Markt hätte viel früher reguliert werden müssen.“ Rainer Sperling sieht das ähnlich: „Wir reden bundesweit seit mehr als 15 Jahren über geeignete Netze. Es geht immer nur ums Geld. Wir sollten weniger über Geld und viel mehr über klare Ziele reden - etwa für den Ausbau des Glasfasernetzes.“ 

 

Während sich dieses Quartett an der Kreisentwicklung abgearbeitet hat, durften sich die nächsten vier Kandidatinnen und Kandidaten zur Bürgerbeteiligung äußern. Brigitte Kaßuba (SPD) stellt „ein großes Interesse fest, auch über den eigenen Tellerrand hinaus aktiv zu werden – und das nicht parteigebunden.“ Sie verweist darauf, dass der Landkreis Bürgerbeteiligung in einer entsprechenden Satzung festgeschrieben hat. Die Kandidatin der SPD wünscht sich, dass „Experten und Bürger viel öfter gemeinsam an Lösungen arbeiten“. Und sie will ältere Menschen auch nach dem Renteneintritt in Arbeitsprozesse einbeziehen: „Wir dürfen und können auf deren Fachwissen und Potential nicht verzichten. Demnächst scheiden viele Leute aus dem Berufsleben aus.“ Brigitte Kaßuba fordert zudem „für Pflegebedürftige und Menschen, die sich nicht mehr selber über politische Entscheidungen informieren können, eine andere Form der Bürgerbeteiligung“. Dirk Knuth (Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegung – BVB/Freie Wähler) setzt auf „alle Formen der Bürgerbeteiligung. Wir brauchen die digitale Kommunikation, aber auch das persönliche Gespräch.“ Und er mahnt an, die Bürger mit komplexen Konzepten – wie dem Kreisentwicklungskonzept – nicht zu überfordern: „Sie verlieren den Überblick und schließlich die Lust, sich einzubringen.“ Stefan Ludwig (Die Linke) favorisiert Sitzungen etwa von Ausschüssen „auch im Norden und nicht nur im Süden unseres Landkreises. Wir dürfen nicht stur auf eingefahrenen Gleisen bleiben, wenn wir wollen, dass sich die Bürger an Entwicklungsprozessen beteiligen“. Er hält Einwohnerfragestunden für „ein sehr gutes Mittel der Bürgerbeteiligung. Leider kommen die Bürger nur zu Themen, die sie interessieren.“ Marco Weinowski (AfD) liegt Bürgerbeteiligung ohnehin am Herzen: „Sie ist die DNA unserer Partei. Wir sind für eine direkte Demokratie, etwa für Volksentscheide.“ 

 

 Runde 2 (v.l.): Marco Weinowski, Dirk Knuth, Brigitte Kaßuba, Stefan Ludwig. Foto: Karen Ascher

Runde 2 (v.l.): Marco Weinowski, Dirk Knuth, Brigitte Kaßuba, Stefan Ludwig. Foto: Karen Ascher

 

Einig waren sich alle Kandidatinnen und Kandidaten, dass der Nachwuchs nur schwer für Politik zu begeistern ist. Daran habe auch die gesetzlich festgeschriebene Kinder- und Jugendbeteiligung nichts geändert. „Sie ist seit sechs Jahren Gesetz, kommt in unserem Landkreis jedoch nicht zum Laufen“, resümiert Moderatorin Dörthe Ziemer und fragt, welche Lösungsansätze haben die Bewerberinnen und Bewerber haben. „Wir müssen den Nachwuchs bei seinen Interessen abholen“, sagt Stefan Ludwig. „Das geht am besten bei ganz konkreten Projekten. Wir Erwachsenen müssen uns da ändern.“ Brigitte Kaßuba würde den Nachwuchs frühzeitig in kommunalpolitische Entscheidungen einbeziehen: „Wenn Kinder schon in der Kita mitentscheiden dürfen, senkt das ihre Hemmschwelle, sich später aktiv in politische Prozesse einzubringen.“ Dirk Knuth bestätigt sie indirekt und erzählt: „Meine eigenen Kinder haben Hemmungen, ihre Wünsche und Ideen vor der Stadtverordnetenversammlung zu äußern. Wir müssen als Politiker auch in Schulen gehen und unsere Beschlüsse sowie deren Entstehung besser erklären.“ Er erhofft sich damit, bei der jungen Generation Interesse für die Kommunalpolitik zu wecken, denn: „Ich bin seit 26 Jahren Stadtverordneter und habe noch nicht erlebt, dass eine Schulklasse unsere Sitzungen verfolgt hat.“ Auch Marco Weinowski ist der Ansicht, dass „Politiker in Schulen gehen müssen. Schülerinnen und Schüler sollten sich ein eigenes Bild von Entscheidungsprozessen machen dürfen.“ 

 Das Podium in Ragow (v.l.): Dörthe Ziemer, Björn Lakenmacher, Lutz Krause, Marco Weinowski, Dirk Knuth, Katrin Fischer-Distaso, Brigitte Kaßuba, Stefan Ludwig, Rainer Sperling. Foto: Karen Ascher

Das Podium in Ragow (v.l.): Dörthe Ziemer, Björn Lakenmacher, Lutz Krause, Marco Weinowski,
Dirk Knuth, Katrin Fischer-Distaso, Brigitte Kaßuba, Stefan Ludwig, Rainer Sperling. Foto: Karen Ascher

 

Einige der Kandidatinnen und Kandidaten wollen erstmals in den Kreistag, andere sind dort schon Stammgast. Warum ist es Letzteren bisher nicht gelungen, sich mit ihren jetzt geäußerten Ideen durchzusetzen? Eine Frau aus dem Publikum wollte das wissen. Ihr fehlen zudem „richtige Lösungsansätze“, um das Wachstum moderat zu steuern. Lutz Krause verwies darauf, dass „wir als kleine Fraktion im Kreistag um unsere Interessen hart kämpfen müssen. Es geht immer auch ums Geld“. Björn Lakenmacher hat noch ein anderes Problem ausgemacht: „Politiker denken zu oft in Legislaturen, in Wahlperioden. Sie scheuen sich vor bitteren Wahrheiten, vor negativen Folgen für sich.“ Stefan Ludwig widerspricht ihm: „Wir Politiker tun eine ganze Menge und denken schon mit, haben nicht nur Parteipolitik im Kopf.“ Für Rainer Sperling „dauern Entscheidungsprozesse viel zu lange. Wir müssen einige hemmende Barrieren aus dem Weg räumen, etwa im Bereich der Bauplanung. Dafür braucht es jedoch gut aufgestellte Verwaltungen, wie wir sie in Schönefeld haben.“ Er regte zudem an, „die Energiewende besser zu verkaufen, denn dann ziehen die Bürger auch mit. Ganz nach dem Motto: Tue Gutes und rede darüber.“ Brigitte Kaßuba wünscht sich, dass „wir nicht nur zurückschauen, sondern auch nach vorne blicken, etwa überlegen: Welche Synergien können wir aus dem Gesundheits-Campus in Cottbus für unsere Region nutzen?“ 

 

Und wie sieht es mit der medizinischen Versorgung im Wahlkreis III aus? Auch hier spielt die Digitalisierung eine immer größere Rolle. „Wir müssen jedoch aufpassen, dass wir auch die ältere Generation mitnehmen“, sagt Brigitte Kaßuba. „Derzeit läuft es noch nicht richtig rund. Ältere Menschen fühlen sich mit der Digitalisierung im medizinischen Bereich oft unwohl.“ Stefan Ludwig weiß aus eigener Erfahrung, dass „Digitalisierung auch Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen aussperrt. Wir müssen also alle Eventualitäten bedenken.“

 

Der dritte Wahlkreisel fand in der evangelischen Kirche in Ragow statt. Etwa 35 Bürger sind der Einladung gefolgt, nur wenige hatten Fragen. Die vierte Runde gibt es am 27.Mai 2024 ab 19 Uhr im Bürgerhaus in Zeuthen. In diesem Wahlkreis I geht es um Themen wie kommunale Familie, Schule und Kita.

Fotoserien

Wahlkreisel 2024 - Runde 3 (DO, 16. Mai 2024)

alle Gruppen: v.l.n.r.

Urheberrecht:

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Veröffentlichung

Do, 16. Mai 2024

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