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Abwahl hoch vier

Ein Viertel der Hauptverwaltungsbeamten im Landkreis sah oder sieht sich in diesem Jahr mit einem Abwahlverfahren konfrontiert. Doch alle vier unterscheiden sich: bei der Mitwirkung von Bürgern ebenso wie bei den Kosten.

 

Von Dörthe Ziemer

 

Wer Kommunalrecht studieren will, hat derzeit im Landkreis Dahme-Spreewald allerbesten Anschauungsunterricht: Alle vier möglichen Varianten eines Abwahlverfahrens gegen Bürgermeister oder Amtsdirektoren (Hauptverwaltungsbeamte) können hier (fast) live betrachtet werden: Abwahlantrag durch die Stadtverordneten mit (Königs Wusterhausen, Frühjahr) und ohne folgenden Bürgerentscheid (Lübben), Abwahlantrag durch Unterschriftensammlung von Bürgern mit (voraussichtlich) nachfolgendem Bürgerentscheid (Wildau) und Abwahl durch den Amtsausschuss (Amt Unterspreewald).


Was sagt das Gesetz?

1. Hauptamtliche Bürgermeister: Brandenburgisches Kommunalwahlgesetz, §81

  • Ein hauptamtlicher Bürgermeister ist abgewählt, wenn eine Mehrheit der abstimmenden Personen, mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten, für die Abwahl des Amtsinhabers stimmt (=Bürgerentscheid).
  • Zur Einleitung so eines Bürgerentscheides1 bedarf es
    • eines Bürgerbegehrens, das binnen eines Monats vor seiner Einreichung unterzeichnet worden ist – in Gemeinden mit bis zu 20.000 Einwohnern von mindestes 25 Prozent der Wahlberechtigten (…)
      ODER
    • eines von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Zahl Stadtverordneten oder Gemeindevertreter unterzeichneten Antrages und eines mit einer Mehrheit von zwei Dritteln gefassten Beschlusses. Zwischen der Antragstellung und der Beschlussfassung muss mindestens ein Monat, dürfen jedoch höchstens drei Monate liegen.
  • Ein hauptamtlicher Bürgermeister gilt außerdem als abgewählt, wenn er binnen einer Woche nach dem Beschluss der Stadtverordneten oder Gemeindevertreter (s.o.) auf einen Bürgerentscheid verzichtet.
  • Ist ein Bürgerbegehren oder ein Beschluss der Stadtverordneten/Gemeindevertreter erfolgreich, muss der Bürgerentscheid binnen zwei Monaten durchgeführt werden. Die Stadtverordneten/Gemeindevertreter bestimmen den Abstimmungstag.
  • Die Stimmzettel für den Bürgerentscheid müssen die zu entscheidende Frage sowie den Namen und Vornamen des Amtsinhabers enthalten. Die Frage ist so zu stellen, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann.

 

2. Amtsdirektoren: Brandenburgische Kommunalverfassung, §138

  • Der Antrag auf Abwahl muss von der Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder des Amtsausschusses gestellt werden.
  • Über den Antrag ist ohne Aussprache abzustimmen. Der Beschluss über die Abwahl bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder.
  • Der Stellvertreter des Amtsdirektors muss den Amtsdirektor unverzüglich nach Beschluss des Amtsausschusses abberufen.

Obwohl eine Wahl eines der Urprinzipien der Demokratie ist, sind/waren die Bürger bei den Abwahlverfahren dieses Jahres unterschiedlich stark beteiligt. Auch die finanziellen Folgen sind verschieden: Während die Fortzahlung eines Teils der Bezüge an den ehemaligen Amtsdirektor des Amtes Unterspreewald aus dem Amtshaushalt bestritten werden muss, springt beispielsweise im Fall von Königs Wusterhausen die Versorgungskasse (Kommunaler Versorgungsverband) ein. Der Aufwand für die Durchführung eines Bürgerentscheids wie in Königs Wusterhausen oder womöglich in Wildau dürfte in den Verwaltungen indes personell und finanziell ins Gewicht fallen. Im Unterspreewald handelt es sich hingegen lediglich um eine Neuausschreibung der Stelle des Amtsdirektors mit entsprechendem Besetzungsverfahren.

 

Amt Unterspreewald: Abwahl durch den Amtsausschuss

Das Amt Unterspreewald stellt einen Sonderfall dar: Hier ist der oberste Verwaltungschef der Amtsdirektor. Er wird nicht von den Bürgern gewählt, sondern vom Amtsausschuss, der zumeist von den ehrenamtlichen Bürgermeistern der amtsangehörigen Gemeinden besetzt ist. Entsprechend verläuft die Abwahl durch den Amtsausschuss. Dieser hatte in seiner Sitzung am 12. Oktober im nichtöffentlichen Teil über eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Amtsdirektor Henri Urchs entschieden und ihn sofort von der Führung der Dienstgeschäfte entbunden. „Er ist ein Bedenkenträger hoch drei. Dabei ist das Amt Unterspreewald so dynamisch, da muss man auch mal risikobereit sein“, sagt Roland Gefreiter, ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Schönwald und Vorsitzender des Amtsausschusses. Mehr ist kaum über die Gründe zu erfahren, denn die Mitglieder des Amtsausschusses hatten vereinbart, sich nicht dazu zu äußern. Die Entscheidung sei, so erzählt Roland Gefreiter, in der Einwohnerschaft sowohl auf Zustimmung als auch auf Unverständnis gestoßen.

 

Am 9. November erfolgte die Abwahl des Amtsdirektors mit 14 von 18 Stimmen, diesmal im öffentlichen Teil, allerdings ohne Aussprache. So sieht es die Brandenburgische Kommunalverfassung vor. Am 7. Dezember entscheidet der Amtsausschuss über das weitere Vorgehen. Auf Vorschlag der Verwaltung soll die Ausschreibung für den Posten des Amtsdirektors bis 31. Januar laufen, sodass am 22. Februar die Wahl stattfinden und der Posten im zweiten Quartal 2022 besetzt werden kann.

 

Der von der Verwaltung vorgelegte Entwurf für die Stellenausschreibung beinhaltet neben den üblichen formalen, fachlichen und persönlichen Anforderungen auch den Anspruch für „ein engagiertes Eintreten für die Struktur und den Bestand der Struktur des Amtes“. Dabei ist längst eine Diskussion über den Fortbestand des Amtes entbrannt – ausgelöst durch Golßener Stadtverordnete. Ronny Schulz, Ausschussmitglied und Stadtverordneter der Unabhängigen Bürgerliste (UBL) aus Golßen, begründet seinen Vorstoß damit, dass die Verwaltung von neun Gemeinden und einer Stadt die Verwaltungsmitarbeiter überlaste. Sinnvoller seien größere Gemeinden, um nicht zehn Haushalte plus Amtshaushalt aufstellen und nicht über 100 gewählte Vertreter betreuen zu müssen.

 

Die vorzeitige Abwahl des Amtsdirektors hat für das Amt auch finanzielle Folgen. Denn der Abgewählte hat bis zum Ablauf seiner Wahlperiode 2026 Anspruch auf rund 70 Prozent seiner Bezüge. Damit wird der Amtshaushalt belastet, wie im jüngsten Amtsausschuss auf Nachfrage von Ronny Schulz zu erfahren war. Die Dienstaufwendungen für Beamte (das ist der Amtsdirektor) liegen im Amtshaushalt ab 2022 um gut 60.000 Euro höher als bisher. Das dürfte sich bis 2026 auf knapp 300.000 Euro summieren. Warum die Kosten nicht, wie etwa in Königs Wusterhausen, durch die Versorgungskasse getragen werden, dazu wurde der Amtsausschuss nichtöffentlich informiert.

Königs Wusterhausen: Stadtverordnete leiten das Verfahren ein – mit Bürgerentscheid

In Königs Wusterhausen brachten nach zahlreichen Verwerfungen, beanstandeten und nicht umgesetzten Beschlüssen des Stadtparlaments und gegenseitigen Anzeigen die Stadtverordneten zu Jahresbeginn einen Abwahlantrag gegen den damaligen Bürgermeister Swen Ennullat auf den Weg, er war seit 2017 im Amt. Diese Entscheidung sowie zahlreiche vorangegangene Auseinandersetzungen wurden wortgewaltig in den Sozialen Medien begleitet. Man kann also sagen: Die Königs Wusterhausener waren dabei!

 

Am 7. März wurde Swen Ennullat mit 63,5 Prozent der abgegebenen Stimmen abgewählt. Bei einer Wahlbeteiligung von mehr als 47 Prozent wurde das notwendige Quorum (mindestens ein Viertel aller Wahlberechtigten für die Abwahl) um mehr als 1.000 Stimmen übertroffen. Der Bürgerwille – er war also unübersehbar. Bei der darauffolgenden Bürgermeisterwahl am 4. Juli erhielt die jetzige Amtsinhaberin Michaela Wiezorek im ersten Wahlgang 52,6 Prozent der Stimmen und damit ohne Stichwahl die nötige Mehrheit. Sie wurde von einem breiten Bündnis mehrerer im Stadtparlament vertretener Parteien unterstützt. Mehr als 44 Prozent der Wahlberechtigten waren an die Wahlurnen gegangen. Auch Swen Ennullat hatte wieder kandidiert und kam auf 33,3 Prozent der Wählerstimmen.

 

In einer Stellungnahme im Zusammenhang mit der Einleitung des Bürgerentscheids sprach die Verwaltung zu Jahresbeginn von anfallenden Kosten für Druck von Wahlzetteln für rund 31.000 Wahlberechtigte, für Beförderung, Mieten, Erfrischungsgelder für Wahlhelfer u.a. in Höhe von rund 38.000 Euro pro Entscheidung (Bürgerentscheid über Abwahl, Neuwahl, ggf. Stichwahl). Im selben Schreiben veranschlagte die Verwaltung Kosten für Versorgungsansprüche des Bürgermeisters bis zum Ende seiner regulären Wahlperiode 2025 in Höhe von 375.000 Euro. Diese würden jedoch, teilte Pressesprecher Raik Anton jetzt mit, den Haushalt der Stadt Königs Wusterhausen nicht weiter belasten, da die Bezüge die Versorgungskasse (Kommunaler Versorgungsverband) regele.

Wildau: Bürger leiten das Verfahren ein – Bürgerentscheid offen

Ungleich schwerer als wenn Stadtverordnete ein Abwahlverfahren starten, ist es, wenn Bürger dies tun. Denn während Stadtverordnete ziemlich genau abschätzen können, ob es in ihrem Gremium eine notwendige Mehrheit für die Einleitung eines Bürgerentscheids gibt, müssen Bürger eine recht große Zahl an Unterschriften sammeln. In Wildau hat sich im ersten Quartal dieses Jahres die Bürgerinitiative für Demokratie und Transparenz auf den Weg gemacht, so ein Verfahren zu starten und Bürgermeisterin Angela Homuth abzuwählen. Dort waren genau 2.114 Unterschriften erforderlich, die Bürgerinitiative sammelte knapp 2.800. Am 29. November wurden diese an die Wahlleiterin im Rathaus übergeben. Sie muss nun – laut Kommunalwahlgesetz „unverzüglich“ – alle Unterschriften überprüfen, z.B. darauf, ob alle Unterzeichner das notwendige Alter und ihren Wohnsitz in Wildau haben. Fällt das Urteil positiv aus, liegen also ausreichend gültige Unterschriften vor, beschließen die Stadtverordneten über das Ergebnis in einer Sitzung und legen einen Termin für den Bürgerentscheid fest.

 

Im Fokus der Kritik ist neben der Bürgermeisterin in Wildau jedoch auch die Stadtverordnetenversammlung. Die Bürgerinitiative wirft den gewählten Vertretern vor, sie würden im Block abstimmen und blind der Bürgermeisterin folgen. Von einer „12:7-Maschinerie“ ist die Rede – mit Blick auf eine Mehrheit aus SPD/CDU/FDP. Die Bürgermeisterin weist solche Vorwürfe zurück und bezieht sich auf das verschiedenartige Abstimmungsverhalten der Stadtverordneten bei diversen Beschlüssen. „Die Stadtverordneten hätten sich an unsere Tische stellen können, um mit ihren Bürgern ins Gespräch zu kommen“, stellt indes Thomas Kuhn, Gründungsmitglied der Bürgerinitiative, fest.

 

Rund 70 Freiwillige waren unterwegs, um Unterschriften einzusammeln. Eine davon war Ronni Krzyzan. Sie erzählt, wie redselig die Menschen gewesen seien. Die Ziele der Bürgerinitiative hätten große Zustimmung gefunden. „Was mich am meisten erstaunt hat“, sagt sie, „war diese Angst davor, mit einer Unterschrift Nachteile zu erfahren.“ Sie hätte das selbst vorher nicht für möglich gehalten, dass Menschen befürchten, ihnen könnten aus der Unterschrift Nachteile, etwa bei der Kitaplatz-Vergabe, bei der Wohnung oder beim Gewerbe erwachsen, erzählt Ronni Krzyzan. Allen sei versichert worden, dass grundsätzlich nur die Wahlleiterin und ihre Mitarbeiter die Unterschriftenliste zur Prüfung einsehen dürften.

 

„Wir haben einen riesigen Bürgerdialog angestoßen“, stellt Christine Stüber-Errath, ebenfalls Gründungsmitglied und Sprecherin der Initiative, zufrieden fest. Sie sei erstaunt gewesen, wie gut die Menschen informiert sind. Es gebe nun eine lange Liste mit Dingen, die die Bürger ärgern, und solche, die sie sich wünschen. Thema Nummer eins sei in den Gesprächen aber das verlorene Vertrauen in die Bürgermeisterin im Zusammenhang mit den Gerichtsverfahren rund um Korruptionsvorwürfe gewesen. Oft hätten Menschen den Satz angefügt ‚Aber die Politiker sind ja eh‘ alle korrupt‘, erzählt Ronni Krzyzan. Vor diesem Hintergrund sei er froh, sagt Heinz Hillebrand, Fraktionschef der Linken im Stadtparlament, dass die Bürgerinitiative ohne populistische Untertöne auskomme und die Bewegung insgesamt eine „angenehme Politisierung“ erfahren habe. Berthold Pohl, Mitglied der Initiative und ehemaliger Rathaus-Mitarbeiter fügt hinzu: „Wir haben dann Aufklärungsarbeit betrieben und den Menschen erklärt, dass wir eine Demokratie gestalten können, wie wir sie uns vorstellen.“

Lübben: Stadtverordnete leiten das Verfahren ein – ohne Bürgerentscheid

In Lübben wird es wohl kaum so viel Bürgerkommunikation geben wie in Wildau. Dort haben die Stadtverordneten auf Bitten von Bürgermeister Lars Kolan am 26. November einen Abwahlantrag eingereicht. Der entsprechende Beschluss zur Einleitung eines Bürgerentscheids soll Mitte Januar gefasst werden. Zu dem Entscheid soll es aber gar nicht kommen: Der Bürgermeister kündigt in einer Mitteilung an, darauf verzichten zu wollen. Damit wäre der Weg für eine Neuwahl frei. „Es wurde zwischen den Mitgliedern der Stadtverordnetenversammlung und dem Bürgermeister vereinbart, dass zu diesem Sachverhalt und zum weiteren Verfahren keine ergänzenden offiziellen Erklärungen abgegeben werden“, heißt es in der Mitteilung. Die Lübbener Einwohnerschaft kann also das nächste Mal abstimmen, wenn neue Bürgermeisterkandidaten zur Wahl stehen. Dies könnte Anfang Mai 2022 der Fall sein, wenn man die Fristen des Kommunalwahlgesetzes zugrunde legt – nur knapp ein Jahr, bevor die reguläre Amtszeit des Bürgermeisters (acht Jahre) geendet hätte.

 

Er sei zu der Feststellung gelangt, schreibt der Bürgermeister in der Mitteilung, „dass das Arbeits- und Vertrauensverhältnis zwischen Stadtverordnetenversammlung und Bürgermeister einen Zustand erreicht hat, der eine dauerhaft gedeihliche Zusammenarbeit zum Wohle der Stadt Lübben (Spreewald) und zum Wohle ihrer Bürgerinnen und Bürger nicht mehr ermöglicht“. Um das nachzuvollziehen, genügt ein Blick in die Protokolle der jüngsten Gremiensitzungen der Stadtverordnetenversammlung. Immer wieder ist dort von nicht erledigten Vorhaben und Aufgaben, fehlenden oder fehlerhaften Sitzungsunterlagen, mangelnder Kommunikation und mehr zu lesen. Einwohner nutzen die Einwohnerfragestunden, um auf fehlende oder unzureichende Bürgerbeteiligung hinzuweisen, etwa bei Bauprojekten. Eine umstrittene Grundstücksangelegenheit hatte gar eine Dienstaufsichtsbeschwerde und ein Disziplinarverfahren nach sich gezogen. Indes scheinen zwei Kommentatoren unter einem Bericht des rbb das Bild zu komplettieren: Sie richten den Fokus, ähnlich wie die Bürgerinitiative in Wildau, auch auf die Rolle der Stadtverordneten.

 

[Hinweis zur Transparenz:

Die Autorin war bis März 2021

Pressesprecherin im Lübbener Rathaus.]

 

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Mo, 29. November 2021

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