Anpacken und mitreden – und das auch digital: So wird in Töpchin Gemeinschaft gelebt und Zukunft gestaltet. Das hat dem Mittenwalder Ortsteil den dritten Platz im Dörferwettbewerb eingebracht – und den nächsten Anlass, um den Ort lebenswerter zu machen.
Von Birgit Mittwoch
Jan Priemer schleppt Holzlatten über den Hof, schaut kritisch auf den kleinen Anbau, an dem er gerade werkelt, prüft die Funktion einer Schiebetür. Ob er seine Arbeitskleidung anbehalten darf, fragt er vor dem Gespräch mit Wokreisel bei ihm zu Hause auf dem Reiterhof in Töpchin. Jan Priemer ist Ortsteilbürgermeister von Töpchin und ein Macher. Er packt gerne zügig an bei dem, was gemacht werden muss, hat dabei den gesamten Ortsbeirat und jede Menge Einwohner an seiner Seite. Ihr Motto: „Töpchin – grün und lebendig“.
Damit hat sich der Ortsteil von Mittenwalde beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ schon das vierte Mal beworben, wurde bereits mehrfach ausgezeichnet und hat in diesem Jahr einen 3. Platz erreicht. 995 Einwohner hat Töpchin heute. In den vergangenen Jahren gab es stetigen Zuzug. Der Ort liegt in seen- und waldreicher Gegend, am Rande des Naturschutzgebiets „Töpchiner Seen“ und hat ein natürlich erhaltenes Dorfzentrum mit Kirche, Schule, Scheunen, Bauernhäusern.
Fachwerkhaus in Töpchin.
Die Kirche. Fotos: Peter Mittwoch
Treffpunkt Dorfplatz.
„Es ist ein lebenswertes Dorf. Für uns ist besonders das soziale Miteinander hier wichtig“, sagt Jan Priemer. Dafür tun die Töpchiner einiges. Es gibt jede Meine Vereine – vom Feuerwehrverein über den Heimatverein, den Verein Volksfest Töpchin bis zum Anglerverein und Tischtennisverein… Das aber, so Jan Priemer, reiche noch nicht. „Wichtig ist es, immer wieder auch andere Begegnungsmöglichkeiten, soziale Treffpunkte zu schaffen.“ Das kann der Weihnachtsmarkt sein, das Kinderfest, die Halloweenparty. Seit einiger Zeit werde im Ort auch wieder gezempert, eine fast vergessene Tradition.
Vor vier Jahren hat der Ortsbeirat den „Digitalen Dorfplatz“ ins Leben gerufen. Das ist eine spezielle App, über die alles Wichtige in Töpchin bekannt gemacht wird – quasi eine digitale Litfaßsäule, vom heimischen Sofa aus zu händeln. „Informationen aus dem Dorf für das Dorf“, beschreibt Jan Priemer die Idee. Daran nehmen bereits 335 Töpchiner teil, rund ein Drittel also. Sie haben sich alle mit ihrem richtigen Namen angemeldet. „Das beugt unsachlichen Kommentaren vor“, meint Jan Priemer.
Bringt die Generationen und die Neuen und Alteingesessenen zusammen: die Töpchiner Dorf-App. Foto: Peter Mittwoch
Alle Termine für die Dorffeste sind dort zu finden, aber auch Angebote wie: brauche Hilfe beim Ofentransport, habe Kartoffeln aus eigener Ernte übrig, habe Matratze zu vergeben… „Wir waren das erste Dorf im Osten Deutschlands, das diese digitale App nutzt“, sagt der Ortsteilbürgermeister stolz. Vielleicht ein guter Nebeneffekt dieses digitalen Dorfplatzes: Alt und Jung, langjährige Einwohner und Zugezogene vernetzen sich so ganz normal. „Die jungen Leute am Dorfleben zu beteiligen, das war und ist schon eine Kunst. Meist dominieren die Alteingesessenen das Dorfleben, wichtig war uns, Jüngere zu interessieren,“ beschreibt Jan Priemer die Situation.
Der Mann mit dem blonden Zopf ist selbst ein Zugezogener, wohnt seit ca. 30 Jahren im Ort und betreibt mit seiner Frau Irina einen Reiterhof am Waldrand von Töpchin. Jan Priemer, trotz kühlen Herbstwetters noch immer im kurzärmeligen Arbeits-Shirt, zeigt uns ein Foto vom Dialog-Wochenende 2018 am Seddiner See. Dort trafen sich gut 20 Töpchiner in einem Schulungszentrum, berieten über den Ist-Zustand im Ort und darüber, was anders und besser werden soll. „Das war ein sehr wichtiges Treffen. Dort entstanden viele Ideen für unsere Gemeinde“, erinnert sich der Ortsteilbürgermeister. Das hat Früchte getragen – die Grundschule wurde ausgebaut, der Radwegebau unterstützt, ein Ziegeleiwanderweg (mit Infotafeln) in Töpchin weitergeführt, ein Winterkino in der Kirche eingerichtet, der Festplatz an der „Wurschke“ ausgebaut, ein Bolzplatz ist entstanden.
Festplatz an der "Wurschke".
Die Töpchiner Kita. Fotos: P. Mittwoch
Geschenk eines Bürgers: die Pumpe.
„Oft packen wir hier schnell selbst mit an“, erzählt Jan Priemer. Der Bolzplatz z.B. sei eher in Privatinitiative entstanden, ohne lange Wartezeiten auf offizielle Planungsschritte, die Tischtennisplatten seien über ein online-Portal besorgt worden und ruck-zuck in Töpchin selbst aufgestellt worden. Wenn es dort mal schmutzig sei oder vermüllt, dann bringen das die Töpchiner schnell wieder selbst in Ordnung. Für das Winterkino habe sich Töpchin, dank seines Ortsteilbudgets, jetzt eine eigene Leinwand gekauft. Das gemeinsame Kümmern um den Ort weckt auch private Ideen: Ein Bürger hat der Gemeinde eine neue Holzpumpe geschenkt. Die schmückt nun den Kirchplatz.
Und meist werden alle Einwohner mit einbezogen in die Ideenfindung. In einem „Dorf-Dialog Töpchin“ entwickelten die Töpchiner 2020 gemeinsam mit Architekten einen Fahrplan, wie sich Ort entwickelt sollte. Dazu bekam jeder Haushalt einen Fragebogen in den Briefkasten gesteckt, konnte über die Gewichtung der Projekte selbst entscheiden und Ideen einbringen. Arbeitsgruppen wurden eingerichtet. Die Grundidee des Ortsbeirates, das soziale Miteinander zu fördern, ist immer wieder spürbar: Die Verkehrsführung an der Schule wurde verbessert, zugunsten eines gefahrlosen Ein- und Ausstiegs vom Schulbus. Der „Borstelweg“, ein Wanderweg im Feuchtgebiet, wurde mit Hilfe der Stiftung Naturschutzfond Brandenburg erforscht und soll bald ertüchtigt werden. Müllsammelaktionen werden regelmäßig und gemeinschaftlich durchgeführt.
Ortsteilbürgermeister Jan Priemer.
Blick ins Dorf: ländlich und grün. Fotos: Peter Mittwoch
Da es im Dorf keine Kita gab, hat sich Töpchin um den Bau einer Kindertagesstätte gekümmert. 2023 ist die Kita „Gummibärchen“ eingeweiht worden und bietet sechzig 0- bis 6-Jährigen Platz. Ein Raum der Grundschule wird von der Gemeinde als Jugend- und Bürgertreff genutzt. Dort finden Spielenachmittage der Senioren statt, das Weihnachtsbasteln und Ortsbeiratssitzungen. Der kleine Ort bietet auch günstige Bedingungen für Kunst und Gewerbe: für eine Wasserbüffel-Farm, einen Agrardienstleister, einem Baumstubbenfräsdienst, eine Gaststätte, eine Pension, einen Autoteilehandel, mehrere bildende Künstler …
Das alles habe wohl auch die Jury von „Unser Dorf hat Zukunft“ überzeugt, meint Jan Priemer. Die 2.000 Euro Preisgeld für den 3. Platz im Wettbewerb werde der Ortbeirat klug und mit den Bürgern abgestimmt einsetzen – vielleicht für die 550-Jahrfeier von Töpchin im nächsten Jahr. Die Vorplanung dafür läuft bereits. Es soll einen historischen Umzug durchs Dorf geben; rund um die Kirche ist ein Festplatz geplant; viele Türen und Tore im Dorf sollen dann geschmückt werden und für alle offen sein.
Jetzt aber müssen erst einmal die 1.500 Zwiebeln für Frühblüher in den Boden rund um das Dorfzentrum zwischen Schule und Kirchplatz. Dass sich dafür genügend Helfer finden, daran hat Jan Priemer überhaupt keine Zweifel.
Info:
Die Jury des Kreiswettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ hat folgende Platzierungen vorgenommen:
1.Wittmannsdorf-Bückchen (Gemeinde Märkische Heide)
2.Kablow (Stadt Königs Wusterhausen)
3.Töpchin (Stadt Mittenwalde)
3.Löpten (Amt Schenkenländchen)
Der Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ findet alle drei Jahre statt. Der Sieger des Kreiswettbewerbes nimmt anschließend am Landeswettbewerb teil.
Im Juni 2025 wird die aus Landwirtschaftsministerium Brandenburg, Städte- und Gemeindebund sowie weiteren Vertretern zusammengesetzte Landesbewertungskommission die von den Landkreisen in den Landeswettbewerb delegierten Dörfer besuchen.
Die im Ergebnis dieser Bereisung auserkorenen zwei Sieger werden 2026 das Land Brandenburg beim Bundeswettbewerb vertreten.
Im letzten Durchgang ging Byhleguhre-Byhlen als Sieger im Kreiswettbewerb hervor. Im Landeswettbewerb erhielt das Dorf den Sonderpreis für herausragende Aktivitäten in der generationsübergreifenden Traditionspflege.