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Atomkraft und Erinnerungskultur

Endspurt im Landratswahlkampf: Die drei Kandidierenden haben gestern im vierten Wahlkreisel nochmals ihre Positionen erläutert. Das Publikum war so gesprächsfreudig und angriffslustig wie nie zuvor.

 

Von Andreas Staindl

 

Die Argumente sind ausgetauscht, auch der eine oder andere verbale Seitenhieb. Der Landratswahlkampf ist im Endspurt. Bevor am kommenden Sonntag der neue Landrat oder erstmals eine Landrätin im Landkreis Dahme-Spreewald gewählt wird, gab es eine vorerst letzte Gesprächsrunde mit Susanne Rieckhof (SPD), Steffen Kotré (AfD) und Sven Herzberger (parteilos). Alle drei wollen den langjährigen Amtsinhaber Stephan Loge (SPD) beerben. In Teupitz hatte das Trio noch einmal Gelegenheit, für sich zu werben. Etwa 70 Gäste waren in die Aula der Grundschule gekommen. So viele wie während der drei vorherigen Gesprächsrunden nicht. Das Interesse steigt offenbar, die Nerven sind angespannt. Unter den Besuchern auch kommunale Amtsträger, Verwaltungsmitarbeiter, Unterstützer von Kandidaten. 

 

Rund 70 Gäste waren zum vierten Wahlkreisel in die Aula der Grundschule in Teupitz gekommen. Foto: Andreas Staindl

Rund 70 Gäste waren zum vierten Wahlkreisel in die Aula der Grundschule in Teupitz gekommen.
Foto: Andreas Staindl

 

Nicht jeder Anwesende hatte seine Gefühle im Griff. Obwohl Andreas Rausch vom RBB, der gemeinsam mit Dörthe Ziemer vom Wokreisel den Abend moderierte, zu Beginn auf ein angemessenes Benehmen hingewiesen hatte, gab es mehrmals Zwischenrufe und lautstarke Meinungsäußerungen, teils auch mit verletzenden Worten. Auffällig war, dass es diese respektlosen Reaktionen ausschließlich dann gab, wenn Steffen Kotré seinen Standpunkt zu einem Sachverhalt erklärte.

 

Fragen an Steffen Kotré 

Einer der „Dazwischrufer“ im Publikum gab sich später als Unterstützer von Susanne Rieckhof zu erkennen: Rainer Block griff währen der offiziellen Fragerunde dann auch Steffen Kotré indirekt an: „Die Menschen hier im Landkreis interessieren sich nicht für populistischen Aussagen. Sie wollen wissen, wie es mit unserem Kreis weitergeht.“ Während des Straßenwahlkampfs um den Landratsposten habe er gemerkt, dass Susanne Rieckhof und Sven Herzberger die richtigen Antworten geben: „Sie haben die Menschen während des Straßenwahlkampfs abgeholt.“ Der Sozialdemokrat Block, das erzählte er selber, engagiert sich seit 25 Jahren in der Kommunalpolitik, sitzt im Gemeinderat in Schönefeld und ist dort Vorsitzender der Fraktion SPD-FDP. Er war an dem Abend nicht der einzige Gast, der seine Ablehnung des AfD-Kandidaten öffentlich machte. 

 

Arno Winklmann, parteiloser Bürgermeister der Stadt Märkisch Buchholz, kritisierte die Wahlplakate von Kotré: „Sie sind populistisch und enthalten nur Aussagen, die mit unserem Landkreis nichts zu tun haben.“ Er beklagte sich allerdings auch darüber, dass die Landesregierung den Kommunen immer mehr Aufgaben übertrage, die nötige finanzielle Ausstattung jedoch fehle. Eine Frau mittleren Alters im Publikum sagte, dass der Landkreis Dahme-Spreewald bundesweit nur deshalb so erfolgreich sei, „weil wir einen guten Verwaltungschef haben. Auf dem Podium sehe ich zwei Kandidaten mit guten Konzepten. Der dritte jedoch hat nur Plattitüden drauf. An seiner Stelle könnte auch jeder andere dort sitzen.“ Sie unterstellte Kotré „Defizite“ für die Aufgabe an der Verwaltungsspitze des Landkreises. 

 

Konkrete Nachfragen aus dem Publikum gingen häufig an den AfD-Kandidaten. Eine Frau wollte ausschließlich von ihm wissen, welche Prioritäten er in Sachen Mobilität im Kreis setzt. Das allerdings hatten alle drei Kandidaten schon zuvor umfangreich erläutert. Mobilität und Nachhaltigkeit war das Thema der vierten und vorerst letzten Gesprächsrunde. Ein weiterer Mann sagte, dass er Aussagen von Kotré vermisse, welche konkreten Dinge dieser als Landrat anschieben und entwickeln würde. Steffen Kotré antwortete, dass er dies bereits dargelegt habe.

 

Atomkraft - Ja oder Nein?

Auf die Frage einer Frau, ob er für ein Atomkraftwerk im Landkreis Dahme-Spreewald sei, sagte er: „Ja, wenn Not am Mann wäre, wir damit die Deindustriealisierung stoppen und unseren Wohlstand erhalten könnten.“ Susanne Rieckhof und Sven Herzberger sind gegen ein Atomkraftwerk im Landkreis Dahme-Spreewald. Während Rieckhof und Herzberger bereits zuvor erläutert hatten, auf erneuerbare Energien wie etwa Photovoltaik- und Windkraftanlagen zu setzen, favorisiert Kotré Kernenergie. Solar & Co. hält der AfD-Kandidat für „zu teuer und unwirtschaftlich. Es hat sich 20 Jahre lang nicht durchgesetzt, und wird es auch nicht mehr.“ Ein weiterer Besucher wollte wissen, warum an neu errichteten Unternehmen an der Autobahn bei Ragow und Mittenwalde im Norden des Landkreises keine Photovoltaikanlagen installiert wurden. „Wir können Unternehmer nicht dazu zwingen“, sagt Susanne Rieckhof. Sie verwies aber darauf, dass der Landkreis eigene Immobilien sehr wohl mit Photovoltaikanlagen ausstattet, wenn saniert oder neu gebaut wird. 

 

Die SPD-Kandidatin hält „die Energiewende für eine der wichtigsten Fragen der Zukunft. Sie wird nur gelingen, wenn wir diese positiv kommunizieren und die Bürger am Ertrag durch erneuerbare Energie beteiligen. Ich möchte diesen Prozess als Landrätin begleiten.“ Auch Sven Herzberger will die Menschen mitnehmen: „Die Klimawende funktioniert nur mit ihnen, nicht gegen sie. Wenn wir unsere Flächen mit Photovoltaikanlagen zupflastern, gefährden wir unsere Landwirtschaft. Gebäude sind besser für Solaranlagen geeignet.“ Er sagt auch: „Mit Windkraft und Solar allein werden wie die Energiewende nicht schaffen.“ Für Steffen Kotré sind Windkraft und Solar „nicht nachhaltig und viel zu teuer, zudem hoch subventioniert. Das sagt den Menschen aber keiner, weil die Ideologie auf unsere Kosten durchgedrückt werden muss. Kernenergie ist nachhaltig.“  

 

Andreas Rausch holte die Fragen aus dem Publikum ein. Foto: Andreas Staindl

Andreas Rausch holte...

Andreas Rausch holte die Fragen aus dem Publikum ein. Foto: Andreas Staindl

... die Fragen aus dem Publikum ein. 

Andreas Rausch holte die Fragen aus dem Publikum ein. Foto: Andreas Staindl

Fotos: Andreas Staindl

 

Die Positionen des Kandidaten-Trios im Energiebereich sind klar, kamen auch schon während früherer Gesprächsrunden zur Sprache. Auch Mobilität war immer wieder ein Thema. Gerade im ländlichen Raum läuft vieles nicht rund: Straßen, Radwege, öffentlicher Personennahverkehr - Herausforderungen gibt es reichlich. Defizite beeinträchtigen die Entwicklung und die Lebensqualität. Da sind sich alle drei Landratskandidaten einig. Auch darin, dass alle Verkehrsoptionen parallel entwickelt werden müssen.

 

Viel Einigkeit beim Thema Mobilität 

„Sie können ja einen Sack Zement nicht mit dem Fahrrad transportieren“, sagt Sven Herzberger und spricht sich damit auch für den Ausbau von Straßen aus. Ganz wichtig ist ihm „der Individualverkehr, vor allem auf Radwegen. Wir brauchen Sicherheit für unsere Schulkinder und sichere Ortsverbindungswege für die Menschen. Das hat für mich Priorität, nicht Radschnellwege.“ Auch für Steffen Kotré haben „Radwege für die Menschen in unserem Landkreis oberste Priorität. Ich will aber nicht, dass für Radwege Straßen und Parkflächen geopfert werden, wie etwa in Berlin.“

 

Susanne Rieckhof hält „beides für wichtig: Ortsverbindende Radwege für unsere Bürger und Radschnellwege für Touristen. Die Leute vor Ort stehen aber an erster Stelle.“ Dass es dennoch nur langsam mit dem Bau von Radwegen vorangeht, hat ihr zufolge mit „der Zerstückelung von Flächen zu tun. Mal ist der Bund zuständig, mal das Land, dann wieder der Kreis oder die Kommunen. Die verschiedenen Zuständigkeiten bremsen unsere Entwicklung im Bereich Mobilität.“ Sie wolle deshalb alle Akteure an einen Tisch bringen. Das Radwegekonzept des Landkreises halten alle drei Kandidaten für gut und hilfreich.

 

Der Landkreis Dahme-Spreewald ist auch reich an Wasserflächen. An den Seen gerade im Norden tummeln sich bei schönem Wetter nicht nur Menschen der Region sondern vor allem auch Berliner. Anwohner leiden darunter. Der enorme Fahrzeugverkehr, die unbefriedigende Parksituation, der zurückgelassene Müll, der Lärm-Menschen im Umfeld sind genervt. Wie kann ein Interessenausgleich gelingen? „Wir müssen unsere Erwartungen an eine gemeinsame Nutzung besser kommunizieren und bei Verstößen eingreifen“, sagt Sven Herzberger. Aber auch: „Wir können ja betroffene Bereiche nicht sperren und nur mit Verboten arbeiten.“ 

 

Susanne Rieckhof wirbt für „Tourismus mit Augenmaß. Knöllchen an Falschparker zu verteilen, löst nicht das Problem. Wir sollten vielmehr die Besucher aus Berlin darauf aufmerksam machen, dass ihr Verhalten die Anwohner behindert und stört. Vielleicht müssen wir auch über Eintritt für bestimmte Bereiche nachdenken. Und darüber, den Zugang zu einem See auch zu schließen, wenn zu viele Menschen dort sind. Es geht schließlich um die Lebensqualität der Menschen vor Ort“, sagt Susanne Rieckhof.   Für Steffen Kotré zeigt das große Interesse an Wasserflächen und anderen Erholungsorten, dass „unser Landkreis sehr attraktiv und gefragt ist. Mit Verboten zu arbeiten, ist für mich der falsche Weg. Wir sollten vielmehr den Menschen auch andere Flächen als direkt am Wasser für die Erholung anbieten.“ 

 

Der vierte Wahlkreisel. Fotos: Karen Ascher

Der vierte Wahlkreisel im Überblick. Fotos: Karen Ascher

 

Und dann spricht der AfD-Kandidat etwas an, das Rainer Block auf die Palme und zu lautstarten Zwischenrufen gebracht hat. „In Mittenwalde gehen Einheimische nicht mehr an ihren See, weil sich Migranten dort aufhalten. Wenn sich unsere Leute nicht mehr an das Wasser in ihrem Ort trauen, läuft etwas schief.“ Solche Aussagen widersprächen unseren Grundwerten, sagt Rainer Block später. Die Moderatoren luden ihn ein, seine Gedanken in Ruhe zu äußern. 

 

Halbe, Teupitz, Jamlitz: Erinnerungskultur im Landkreis

Diskutiert wurde auch die Frage, wie es die drei Kandidaten mit der Erinnerungskultur halten. In Teupitz wurde kürzlich ein Audiowalk eingeweiht, der die Ereignisse während der Machtübertragung an die NSDAP 1933 in der Stadt nachzeichnet. In der benachbarten Landesklinik wurden unter den Nationalsozialisten im Rahmen der Euthanasie-Aktion „T4“ Menschen ermordet, weil sie als „lebensunwert“ eingestuft wurden. In Halbe schließlich tobte eine der schrecklichsten Kesselschlachten des Zweiten Weltkriegs, die zehntausende sinnlose Opfer forderte. Welche Lehren ziehen die Kandidierenden aus der Zeit von 1933 bis 1945? 

 

„Ich werde mich als Landrätin dafür einsetzen, dass wir unsere Geschichte nicht vergessen“, sagt Susanne Rieckhof. „Wir brauchen und haben Orte der Erinnerung in unserem Landkreis. Ich möchte Gesprächsrunden und andere Projekte des Erinnerns gerne weiterführen.“ Sven Herzberger spricht sich ebenfalls für den Erhalt der Erinnerungskultur aus: „Ich setze mich dafür ein, die Menschenwürde in unserem Kreis zu bewahren.“ Auch Steffen Kotré will „die Erinnerung an die Nazi-Zeit wach halten. Der Zweite Weltkrieg war ein einzigartiges Verbrechen der Nazis. Wir wollen diese Zeit nicht zurück und  müssen alles dafür tun, dass so etwas nie wieder passiert. Und wir müssen auch schauen, wie so etwas Schreckliches überhaupt geschehen konnte“, sagt der Kandidat der AfD. Er bekommt dafür leisen Beifall, wie die beiden anderen Kandidaten zuvor auch - jeweils aus anderen Ecken der Aula. 

 

Überhaupt wird regelmäßig geklatscht nach Antworten der Landratskandidaten - wenn auch verhalten und jeweils in überschaubarer Zahl. Moralischer Rückhalt für den jeweiligen Kandidaten. Die äußerten sich auch zu ihren Plänen mit der Verwaltung, wenn sie an die Spitze gewählt würden. Susanne Rieckhof will nur geringfügige Veränderungen vornehmen, denn „wir sind schon jetzt gut aufgestellt. Sachlich wird es mit mir keine großen Änderungen geben. Ich sehe auch nicht, dass wir im großen Stil Mitarbeiter kündigen müssen, denn Bund und Land übertragen uns immer mehr Aufgaben.“ Sven Herzberger will dafür sorgen, dass „wir nicht auseinanderdividiert werden. Wir müssen aufpassen, dass der Norden und Süden unseres Landkreises nicht gegeneinander ausgespielt werden. Ich werde für den nötigen Ausgleich sorgen.“ Steffen Kotré will „erst alle Fakten auf den Tisch und dann entscheiden“. Optimierungsmöglichkeiten sieht er vor allem im Baubereich des Kreises: „Derzeit wird viel zu oft nicht im Sinne der Bürger entschieden, obwohl das möglich wäre.“ Dass er nicht bis ins kleinste Detail in Verwaltungsprozessen drinsteckt, sieht Steffen Kotré nicht als Nachteil: „Als Landrat würde ich auf wertvolle und fachlich kompetente Mitarbeiter treffen.“ 

 

Wer von den drei Kandidaten künftig die Kreisverwaltung mit seinen etwa 1.200 Mitarbeitern führt, entscheiden die Wähler an diesem Sonntag oder spätestens während der Stichwahl am 12. November. 


Alle Wokreisel-Texte zur Landratswahl sowie die Kandidierenden-Porträts finden Sie hier. Ein Dossier zur Wahl, in dem man die Thesen der Kandidierenden nach Stichworten durchsuchen kann, finden Sie hier.

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Veröffentlichung

Fr, 06. Oktober 2023

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