Von Wildau bis Märkische Heide, von Radweg bis Selbstbestimmung, von Ortsvorsteher bis Jugendkoordinator – aus diesem Spektrum stammt die Themensammlung für die Gesprächsrunden zur Landratswahl 2023, gesammelt beim Wahlkreisel-Auftakt in Halbe.
Von Andreas Staindl
Wer wird neuer Landrat oder erstmals Landrätin im Landkreis Dahme-Spreewald? Am 8.Oktober sind die Bürger aufgerufen, dafür ihre Stimme abzugeben. Sie können voraussichtlich zwischen mehreren Kandidaten wählen. Mit der Vize-Landrätin Susanne Rieckhof (SPD) und Sven Herzberger (parteilos), derzeit Bürgermeister in Zeuthen, stehen die ersten Bewerber fest. Kandidaten der AfD und der Grünen könnten folgen. Bis zum 3. August haben Bewerber Zeit, ihre Kandidatur beim Kreiswahlleiter zu melden. Sie alle werden mit selbstgewählten Themen während des Wahlkampfs punkten wollen. Doch sind das dann tatsächlich die Probleme, die den Bürgern auf den Nägeln brennen? Oder: Was sind eigentlich die brennenden Themen? Und wie kommen die Menschen im Landkreis Dahme-Spreewald mit den Bewerbern ins Gespräch?
Der Wahlkreisel des Wokreisel bietet die Möglichkeit, sich ein Bild von den Kandidaten zu machen und sie mit den verschiedenen Themenfeldern zu konfrontieren. Den Auftakt gab es am Donnerstag in Halbe – ohne Bewerber um das höchste Amt im Landkreis. Kommunalpolitiker und interessierte Bürger aus dem Süden und Norden des Kreises haben gemeinsam Schwerpunktthemen für die Landratskandidaten erarbeitet. Ab Juni folgen dann vier Gesprächsrunden, während denen die folgenden vier Themenfelder im Mittelpunkt stehen sollen: „Lebensqualität“ (mit den Themenfeldern Wohnen, Arbeit, Flüchtlingshilfe), „Mobilität und Nachhaltigkeit“, „Ehrenamt“ sowie „Selbstbestimmung der Gemeinden und Interessenausgleich im Landkreis“.
Interessierte sind der Einladung gefolgt und haben über ihre Erwartungen an den neuen Landrat oder die Landrätin gesprochen. Fotos: Andreas Staindl
Was sich dahinter konkret verbirgt, das wurde während des Auftakts deutlich. Madlen Langer, Jugendkoordinatorin im Amt Schenkenländchen macht sich für Kinder und Jugendliche stark: „Was bieten wir der Jugend?“ Ihr geht es um Personal, Räume sowie Beförderungsmöglichkeiten, und darum, nicht nur immer mehr Wohngebiete zu erschließen, sondern auch an die Lebensqualität der jungen Menschen zu denken. Birgit Mittwoch, Gemeindevertreterin in Groß Köris, liegen öffentliche Zugänge zu Gewässern am Herzen – idealerweise sogar Rundwanderwege etwa um Seen. „Das ist derzeit nicht überall möglich, weil Privatbesitz teilweise bis an die Gewässer reicht“, sagt sie. Sie wünscht sich zudem mehr Engagement der Landratsspitze für den Radwegebau: „Hier geht es nicht wirklich voran.“ sowie bei der Jugendbeteiligung: „Da ist noch nicht viel passiert“.
Für Ralf Irmscher, Bürgermeister in Münchehofe, ist „die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und dem Landratsamt sehr wichtig“. Er wünscht sich „mehr gemeindliche Selbstbestimmung“ und kritisiert: „Die großen Gemeinden bauen ohne Ende, kleine Kommunen dagegen werden in ihrer Entwicklung gebremst.“ Torsten Schwenke, Mitglied des Vereins „Teupitz geht auf“, hat ebenfalls sichere Radwege im Blick – „für Schulkinder, Einwohner und Touristen. Bisher gab es nur vertröstende Worte des Landrats. Für mich ist das Amt Schenkenländchen ein weißer Fleck bei Radwegen. Das muss sich ändern.“ Michael Schnieke, der im Amt Schenkenländchen im Amtsausschuss sitzt, erwartet vom neuen Landrat oder der Landrätin Lösungen und Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Die Unterkünfte in Massow sind ihm zufolge schon belegt, „jetzt sollen 128 weitere Flüchtlinge, die nicht aus der Ukraine kommen, folgen. Wie wollen wir denn die ohnehin schon vollen Zimmer weiter verdichten? Zudem ist Massow als Gewerbegebiet ausgewiesen.“ Michael Schnieke macht sich Sorgen auch um die Feuerwehrstruktur im Landkreis: „Die kleinen Wehren können sich die nötige Ausstattung wegen fehlender finanziellen Mittel gar nicht leisten.“
Daniel Müller, Ortsvorsteher in Motzen (Stadt Mittenwalde), liegt bezahlbarer Wohnraum und eine flächendeckende medizinische Versorgung am Herzen: „Wir fühlen uns derzeit mit Ärzten unterversorgt. Und es werden Wohnungen gebaut, die für Familien mit Kindern oft nicht geeignet sind.“ Dieter Freihoff, Bürgermeister der Gemeinde Märkische Heide erwartet von der neuen Landratsspitze, dass diese hilft, „die medizinische Versorgung der Landbevölkerung langfristig zu sichern“. Auch die Mobilität – der öffentliche Personennahverkehr – ist für ihn eine Herausforderung, der sich der neue Landrat oder die Landrätin stellen muss. „Und wir brauchen einen Interessenausgleich innerhalb des Landkreises.“ Den wünscht sich auch Eckhart Köthe vom Förderverein Dankeskirche in Halbe: „Derzeit geht es dem Norden gut, dem Süden eher weniger, uns hier in der Mitte geht es so einigermaßen. Der Landrat oder die Landrätin muss den Ausgleich hinbekommen.“
Themen sammeln für die Gesprächsrunden mit den Landratskandidaten. Fotos: Andreas Staindl
Kreistagsmitglied Lutz Habermann aus Münchehofe erwartet, dass „das Ehrenamt mehr anerkannt wird und einen anderen Stellenwert bekommt“. Auch ihm bereitet zudem die medizinische Versorgung Sorgen: „Der Landrat oder die Landrätin muss aufpassen, dass im Zuge der geplanten Krankenhausreform die kleinen Krankenhäuser nicht sterben.“ Thomas Irmer, Kreistagsmitglied aus Bestensee, möchte von den Bewerbern Aussagen zu gleich mehreren Themen hören: „Bei erneuerbarer Energie haben wir noch Reserven. Wir brauchen zudem mehr Radwege im Landkreis. Und bezahlbaren Wohnraum für die dringend benötigten Fachkräfte sowie eine interessante Infrastruktur für die Ansiedlung von Ärzten.“ Er beschreibt den Landkreis als Gebilde aus „zwei unterschiedlichen Teile, die aber zusammengehören“.
Schönwalds Bürgermeister Roland Gefreiter aus dem Unterspreewald hält alle genannten Themen für wichtig, gibt aber zu bedenken: „Der Landrat ist für viele Dinge gar nicht zuständig.“ Ein Thema jedoch hätte auch er gerne beantwortet: „Wie finanzieren wir die dringend benötigten Grund- und Oberschulen im Landkreis? Soll dazu die Kreisumlage erhöht werden?“ Jörg Asshoff, Vereinsmitglied in Radensdorf und Ortsvereinsvorsitzender der SPD in Lübben, erwartet Ideen vom Landrat oder der Landrätin, „wie wir mehr Jobs in unseren Landkreis holen können“. Weitere Schwerpunkte sind für ihn „der Lehrermangel und eine bessere Ausstattung der Schulen. Und wir brauchen Vordenker für nachhaltige Entwicklungen.“ Karen Ascher, Künstlerin aus Lübben, interessiert, „wie die Bewerber für sich werben wollen“. Bisherige Wahlkämpfe waren für sie „unpersönlich und oft nur Makulatur“.
Aus Fragestellungen und Stichworten wurden schließlich vier Themenblöcke (Mitte). Fotos: Karen Ascher
Um das zu ändern, bietet Dörthe Ziemer als Gründerin des Wokreisel den Wahlkreisel an: „Es wird vier Gesprächsrunden in unterschiedlichen Formaten geben. Ich hoffe, dass sich möglichst viele Bürger beteiligen und die Kandidaten mit Fragen konfrontieren.“ Die vier Schwerpunkte sind nach der Auftaktrunde gesetzt, die Runden für Juni (2x), August und Oktober geplant. Einige der anwesenden Diskutanten wollen mit ihrer Gemeinde gern Gastgeber einer der Gesprächsrunden sein. Für die Gesprächsformate gab es in Halbe einige Vorschläge: ein Speed-Dating, bei dem sich Kandidat und Interessierte in Kleinstgruppen gegenüber sitzen, ein „Fish-Bowl“ (Fischglas), bei dem die Diskutanten im Kreis sitzen und Interessierte sich dazusetzen, aber auch wieder aus der Runde aussteigen können. Vielleicht wird es auch die klassische Podiumsdiskussion oder ein digitales Format geben. Noch liegen Tag, Ort und Format nicht konkret fest. Die Botschaft von Roland Gefreiter allerdings gilt: „Die wahlberechtigten Einwohner unseres Landkreises müssen auch zur Wahl gehen. Denn wenn die Mindestwahlbeteiligung nicht erreicht wird, dann entscheidet der Kreistag über den neuen Landrat oder die Landrätin.“
INFO:
Wie laden wir ein?
- Zur Auftaktrunde hat Wokreisel über die Wahlkreisel-Projektseite, den Newsletter Wochenkreisel sowie über die Sozialen Medien (Facebook, Instagram, Twitter) eingeladen. Außerdem wurden rund 40 Personen aus dem Wokreisel-Netzwerk (Menschen, über die berichtet wurde, Wegbegleiter, Interessierte sowie Kreistagsfraktionen) per Mail angeschrieben.
- Die vier Gesprächsrunden werden über dieselben digitalen Medien bekannt gemacht. Außerdem wird es einen Flyer geben. Die jeweiligen Partner vor Ort werden ihre jeweiligen Netzwerke ansprechen.
Wie geht es weiter?
- Die vier Themenfelder werden journalistisch aufbereitet: Vor jeder Gesprächsrunde wird es einen Bericht zum jeweiligen Themenschwerpunkt geben, der die Fragestellungen aufgreift und u.a. klärt, wer jeweils zuständig ist und wo Herausforderungen und Chancen liegen.
- Außerdem fließen die Fragestellungen in die Moderation der Gesprächsrunden ein. Vor Ort können Fragen zu allen Themen gestellt werden.
- Wokreisel organisiert gemeinsam mit Partnern vor Ort die Veranstaltungen.
Twitter Live-Thread zum Auftakt: