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Gans schön appetitlich

Nackig und abgebrüht baumeln die Weihnachtsbraten an der Stange. Davor hatten die 160 Gänse bei Familie Lehniger in Terpt ein gans gutes Gänseleben – wie nur wenige Tiere, die demnächst auf den Tellern landen.

 

Von Birgit Mittwoch

 

160faches Geschnatter auf einer Wiese in Terpt – für ungeübte Ohren kaum zu unterscheiden, ob es ärgerlich klingt, weil die Gänseschar jetzt ihr Nachtquartier verlassen muss, oder eher fröhlich, weil sie nun auf die weitläufige Weide dürfen. Fast ein halbes Jahr lang war der grüne Auslauf ihr Esszimmer, Halm für Halm wanderte in die Gänsemägen und ließ die flauschigen Junggänse allmählich zu stattlichen weißen Vögeln heranwachsen.

 

Mario Lehniger ist Gänsescharhüter und -dirigent. Ruhig und mit sicheren Schritten treibt er die Schnattertruppe stetig hinaus aufs Grünland. Seine Gänse hatten es ein Gänseleben lang gut hier: stets frisches Wasser, viel Platz, viel Gras. Der 35-Jährige hat sich die Gössel vor gut 20 Wochen aus einer „Biokükenstube“ anliefern lassen. Die Flauschbällchen verbrachten danach erst einmal einige Tage bei gut 30 Grad Wärme und nahrhaftem Futter im Stall, bis sie ins Grünland durften. Lehnigers Gänse sind richtige Biogänse, biozertifiziert. Das sei vor allem seinem eigenen Anspruch geschuldet, sagt er, den Tieren solle es zu Lebzeiten gut gehen, sie sollen ohne Antibiotika groß werden, viel Platz haben, ein richtiges Gänseleben führen können. 

 

 Ab auf die Weide! Auf 60 Hektar haben die Terpter Gänse Auslauf. Foto: Peter Mittwoch

Ab auf die Weide! Auf einer riesigen Fläche haben die Terpter Gänse Auslauf. Foto: Peter Mittwoch

 

Auf 6 Hektar Grünfläche, zum Teil gepachtet von der Kirchgemeinde Terpt, gelingt das wunderbar. Auch die leckeren Weizenkörner, die die Gänse in den letzten Wochen ihres Lebens noch mal picken dürfen, stammen aus biologischem Eigenanbau. Den künstlich angelegten Teich fürs Wassergeflügel musste Mario Lehniger leider wieder aufgeben, erzählt er, es sei zu viel Arbeit und Aufwand gewesen, den sauber zu halten. Dafür können die wasserliebenden Tiere jetzt in einer speziellen Tränke nicht nur ihren Schnabel ins köstliche Nass eintauchen, sondern gleich den ganzen Kopf. Das sei wichtig für die Befeuchtung der Nasenlöcher, berichtet der Gänsespezialist. 

 

Anderen Gänsen geht bzw. ging es lange nicht so gut. Knapp 98 Prozent der Tiere, die in Deutschland verkauft werden, wurden laut Statistischem Bundesamt in Polen oder Ungarn gehalten. Meist sind das Schnellmastgänse aus Intensivhaltung, die innerhalb von nur zehn Wochen ihr Schlachtgewicht erreicht haben müssen. Dafür werden sie mit konzentriertem Kraftfutter gemästet. In Ungarn, Belgien, Frankreich, Bulgarien und Spanien ist sogar noch die Zwangsmast erlaubt – dabei wird den Vögeln täglich das fünffache der übliche Nahrungsmenge in den Schlund gepresst. In Deutschland sind Stopfmast und das sogenannte Lebendrupfen, bei dem den lebenden Tieren die Daunen ausgerauft werden, verboten. Die Haltungsform spiegelt sich im Preis für Gänsefleisch deutlich wider: In den Supermärkten in Dahme-Spreewald liegen die Kilopreise zwischen 6 Euro und 15 Euro. 

 

Mutter Heidi und Vater Henry Lehniger. Foto: Peter MittwochMutter Heidi und Vater Henry Lehniger. 

Mario Lehniger, der neue Gänsechef. Foto: Peter MittwochMario Lehniger, der neue Gänsechef. Fotos: P. Mittwoch

 

Das Interesse fürs weiße Geflügel hat Mario Lehniger von seinen Eltern quasi geerbt. Schon als Kind hatte er mitgeholfen. Seit 2015 hat sich die Zuständigkeit umgekehrt: Jetzt ist er der Gänsechef und seine Eltern helfen mit. Sein Vater Henry Lehniger hatte bereits in den 80er Jahren mit der Gänseaufzucht angefangen, auch damals schon auf weitem Grünland. Die lebenden Gänse, bis zu 500 Stück, hat der gelernte Heizungs- und Sanitärinstallateur dann nach Schwarzheide an eine Schlachterei verkauft. Eine eigene Schlachtung gab es damals noch nicht. Mit der Direktvermarktung begann Familie Lehniger erst 2001.

 

Mario Lehniger ist nur im Nebenjob Gänsezüchter, hauptberuflich arbeitet er bei der Lübbener Wohnungsbaugesellschaft. „Das ist manchmal ganz schön stressig“, meint er. „Nach einem 8-Stunden-Tag dann noch mal raus zu der Schnatterschar, alle einsammeln und sicher ins Nachtquartier bringen, damit Fuchs und Marder sich nicht selbst bedienen. Auch nach verletzten oder kranken Gänsen muss ich regelmäßig schauen, die Tränken säubern und vieles mehr.“

 Küchenfertige Gänse auf der Stange. Foto: Peter Mittwoch

Küchenfertige Gänse auf der Stange. Foto: Peter Mittwoch

 

Die meisten Gänse in Deutschland werden im Freiland und im Nebenerwerb gehalten – Gänsezucht es ist eben ein Saisongeschäft. Für einen zuverlässigen Verdienst übers gesamte Jahr reicht das nicht. Ihre Bestimmung ist von Anfang an ganz klar – sie werden als Martinsgans (ab 11.November) und eben als Weihnachtsbraten genossen. Davon ahnen die 160 Schnattertiere von Mario Lehniger noch nichts – allerdings ist die Gänseschar in den vergangenen Tagen immer kleiner geworden. Von den einst gut 200 Vögeln laufen 40 bereits nicht mehr auf der Wiese herum, sondern sind schon „küchenfertig“. 

 

Sicher ist es kein Wohlfühl-Bild, wie Mario Lehniger mit zwei Gänsen, die er an den Beinen trägt, gerade um die Ecke zum Schlachthaus kommt. Die Tiere sind schonend getötet worden. Um das möglichst schmerzfrei und schnell zu schaffen, hat der junge Mann einen zweitägigen Lehrgang gemacht. Die beiden Gänse landen nun auf einem Edelstahltisch – zwei Männer mit Mundschutz und Gummischürzen warten bereits auf neue Arbeit und die heißt: rupfen, rupfen, rupfen. Damit die Federn sich gut aus der Haut lösen, wird diese vorher gebrüht, dann geht es ruckzuck und mit geübter Hand den einst so fröhlich schnatternden Tieren ans Gefieder. Christian Kilz und Marco Lehniger sind Freunde und Verwandte vom Gänsechef. Beide helfen jetzt in der Gans-Hochsaison gerne mit. Seit 7 Uhr früh sind sie bei der Arbeit, jetzt ist es gleich Mittagszeit – Marco Lehniger, im Hauptberuf Schweißer, hängt die mittlerweile 40. Gans an eine lange Stahlstange unter das Terrassendach. Nackt und sauber und gans appetitlich baumeln die potenziellen Weihnachtsbraten nun einträchtig nebeneinander. 

 

Kein Wohlfühlbild: Von der Wiese auf die Rupfbank. Foto: Peter MittwochVon der Wiese auf die Rupfbank. 

Vor dem Rupfen der Tiere. Foto: Peter MittwochVor dem Rupfen der Tiere. Fotos: P. Mittwoch

Absengen der gerupften Tiere. Foto: Peter MittwochAbsengen der gerupften Tiere.

 

Kurz vor Weihnachten, genauer gesagt, vier Tage vorher, helfen auch die Eltern von Mario Lehniger mit und Viola, Peggy, Petra und wieder Christian. Alle sind geübte Gänserupfer und haben sich für diesen Tag Urlaub genommen. „Wenn wir das nicht mit Freunden oder mit der Familie machen, dann würde das nicht klappen“, erzählt Heidi Lehniger, Marios Mutter. Auch sie hat ihren Kosmetiksalon an diesem Tag zugemacht, um helfen zu können. „Wir sind gerade beim Waschen, Mario nimmt schon aus. Das Veterinäramt war auch schon da“, berichtet die 57-Jährige. Die Veterinäre schauen vor allem nach den richtigen Abläufen während des Schlachtens, Rupfens und Ausnehmens der Gänse. Auch heute war alles wieder ganz okay. 

 

„Man braucht Spaß an der Arbeit mit Tieren“, ist sich Henry Lehniger, der selbst noch Mutterkühe hält, sicher, „sonst geht man zu Lebzeiten nicht gut mit ihnen um.“ Warum er begonnen hat, die Gänse nach Bio-Standards zu halten? „Naja,“ sagt er, „vor vielen Jahren hatte ich meine Feldfrüchte gerade mit Pestiziden besprüht. Zwei Radfahrer am Rande des Feldes hielten sich da schnell ihre Tücher vor Mund und Nase. Das war so etwas wie eine Initialzündung, darüber nachzudenken, was wir über unsere Nahrung so alles in unsere Körper aufnehmen“. Seitdem gibt’s nur noch gans schöne Biogänse.

 

Im Schlacht- und Rupfhaus herrscht derweil fast so etwas wie gute Laune – nur noch wenige Tiere müssen jetzt Federn lassen. Fein säuberlich liegen die Innereien auf Stahlblechen, die Gänsekörper sind schön nackig, mehrfach gewaschen, abgesengt, einige bereits vakuumverpackt. Die ehemaligen Schnattertiere sind bereits vorbestellt. Die Kunden kommen aus der näheren Umgebung und bis aus Berlin. Einige Betriebe nehmen gleich ein Dutzend Weihnachtsgänse – als Geschenk für ihre Mitarbeiter. 18-19 Euro kostet ein Kilo Biogans vom Landwirtschaftsbetrieb Lehniger. 

 

Auf der Gänseweide schnattert es nun nicht mehr – aber bis zu ihrer Bestimmung als Weihnachtsbraten hatten es die weißen großen Vögel einfach gans gut.

 

Schlachtezeit auf dem Gänsehof Lehniger in Terpt - in anderthalbt Minuten

Video: Peter Mittwoch

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Mi, 20. Dezember 2023

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