„Spreewald statt Wildnis“: Das will eine Bürgerinitiative und forderte die Rücknahme von Neuausweisungen noch in dieser Legislatur – erfolglos. Hinter der Auseinandersetzung steckt eine größere Debatte: die um Veränderung. Und auch um das, was bleibt.
Von Dörthe Ziemer
„Was Generationen vor uns aufgebaut und erworben haben, was sich bewährt hat, das muss erhalten bleiben“, wünscht sich Karl-Heinz Starick, ein in Lehde aufgewachsener Spreewälder, der, so sagt er in einem Film, „das Rentenalter weit überschritten“ hat. Der Film ist der einzige in dem Youtube-Kanal der Bürgerinitiative (BI) „Spreewald statt Wildnis“, die sich gegen die Ausweisung weiterer Wildnisflächen im Spreewald wehrt. Die Kamera fährt an gut und weniger gut erhaltenen Erlenwäldern, dem Hochwald, vorbei. Still liegen die Fließe und glitzern in der Sonne, in der Ferne ein altes Bauernhaus. Plätschernde Klaviermusik untermalt die Erzählung. Karl-Heinz Starick berichtet von seiner Kindheit in der Spreewälder Landwirtschaft: wie schwierig es war, alles mit dem Kahn zu transportieren, und davon, wie die Vorfahren die Erlenwälder im Spreewald, den „altpreußischen Wald“, aufgeforstet und „Rabatten mit der Hand geschmissen“ haben. Generationen von Förstern hätten den Wald so gestaltet, „dass wir genug Holz hatten“. Ob dieser gut erhaltene Altbaumbestand nicht besser sei als Wildnis, fragt er, etwa um die Fließe zu beschatten.
Szenenwechsel. Auf einem Feld bei Groß Wasserburg steht ein Traktor samt Transparent. „Es geht uns alle an. Wir handeln“, steht darauf. Es stammt von der BI. „Wir wollen unsere Kulturlandschaft nicht durch weitere Wildnisgebiete verlieren“, lautet ein anderer Slogan. Weiter hinten stehen Schilder mit weißer Schrift auf dunkelgrünem Grund: „Wir brauchen keine Grünen, keine Biber, keinen Wolf, sie fressen nur unsere Steuergelder.“ Das sieht nicht nach Dialog aus. Zu diesem hat die grüne Landtagsabgeordnete Isabell Hiekel an diesem Tag eingeladen – vor Ort, in der Kernzone 1. Eigentlich sollte es per Kahn durch den Unterspreewald gehen, doch es fand sich partout kein Kahnfährmann, der eine grüne Abgeordnete und ihre Gäste hätte staken wollen. Die dunkelgrünen Schilder gehörten nicht zur BI, beteuert Sprecher Falkner Schwarz später, sie stammten vom Schlepziger Kahnkorso.
Protestschilder begleiten den Start der Exkursion. Fotos. Dörthe Ziemer
Klar ist dennoch: Vom BI-Beirat möchte an diesem Tag niemand reden. Die Idee zu einem Vor-Ort-Termin sei bei der letzten Spreewaldkonferenz entstanden, als die Debatten um die Ausweisung von neuen Wildnisgebieten im Spreewald hoch hergingen, berichtet Isabell Hiekel. Schnell habe man sich auf einen Termin geeinigt. Als klar wurde, dass es mit dem Kahn nicht klappt, so Falkner Schwarz, habe er eine Exkursion zu Fuß vorgeschlagen und den Beirat der BI informiert. Von dort sei kein Interesse signalisiert worden, was er der Abgeordneten mitgeteilt habe. Dass sie den Termin dennoch weiterverfolge, habe er nicht gewusst, so der BI-Sprecher. „Ich mache es trotzdem, weil es wichtig ist“, hatte sich Isabell Hiekel gedacht und viele Menschen zu dem Termin eingeladen. „Ich hielt das für eine PR-Geschichte, so kam es dann auch“, sagt Falkner Schwarz im Nachhinein, ohne dabeigewesen zu sein.
„Ich mache die Exkursion trotzdem, weil es wichtig ist.“
Isabell Hiekel, Landtagsabgeordnete (Grüne)
„Ich hielt das für eine PR-Geschichte, so kam es dann auch.“
Falkner Schwarz, BI „Spreewald statt Wildnis“
Die Sonne brennt im Unterspreewald, ein größeres Gewitter für den Abend ist angekündigt. Im Schatten warten die Mücken auf Beute: Es verirren sich schließlich selten Menschen in die Kernzone 1. Das ist jenes Gebiet im inneren Spreewald, das seit der Einrichtung des Biosphärenreservats Spreewald vor 30 Jahren sich selbst überlassen blieb. „Hier können wir schauen, was mit Wald passiert, der 1990 aus der Nutzung genommen wurde“, sagt Isabell Hiekel. Auf der Spreewaldkonferenz im Juni sei der Eindruck entstanden, dass in Wildnis-Gebieten alles zusammenbreche. „Wir wollen hier vernünftige Gespräche führen“, kündigt sie an.
Etwa 20 Menschen, in Mückenspray eingenebelt und trotz 30 Grad Wärme meist in lange Kleidung gehüllt, haben sich um sie versammelt: Der Amtsdirektor des Unterspreewaldes ist dabei, Ortsvorsteher und Gemeindevertreter, Forstangehörige, Touristiker, Vertreterinnen des Spreewaldvereins und andere am Spreewald Interessierte. Man könnte sich wünschen, dass Karl-Heinz Starick dabei ist. Vielleicht hätte er sogar einen Kahn gestakt. „Man muss den Menschen mal erklären, was Wildnis bedeutet“, sagt er in dem Film und zählt auf: Fischereiverbot, Jagdverbot, Betretungsverbot, Nutzungsverbot. Im Tourismus gebe es 10.000 Arbeitsplätze – da dürfe man es nicht verhindern, dass der Spreewald weiter als Kulturlandschaft, als Kulturraum genutzt werde. Doch all diese Befürchtungen – sie werden nicht eintreten. Das wird an diesem Nachmittag im Unterspreewald deutlich.
Eugen Nowak, Leiter des Biosphärenreservats Spreewald, erläutert das Setting der Exkursion.
Umgefallene Bäume säumen den Weg.
Fotos: Dörthe Ziemer
Der – beschlossene – Stand der Dinge nach monatelangen Diskussionen, Bürgerforen und drei Landtagsdebatten ist: 233 Hektar Landeswald im Unterspreewald sollen als Naturentwicklungsflächen (NWE) ausgewiesen werden. Sämtliche andere Überlegungen sind vom Tisch – weder im Oberspreewald noch bei Lübben gibt es neue Ausweisungen. Über diese 233 Hektar, die zwischen zwei Kernzone-1-Gebieten liegen, werde aber schon seit 30 Jahren diskutiert, berichtet Biosphärenreservatsleiter Eugen Nowak. Dem Gefühl mancher Spreewälder, dass es mit der Ausweisung neuer Schutzflächen immer weiter gehe, hält er die Tatsache entgegen, dass die gesetzlich notwendige Ausweisung von mindestens drei Prozent Kernzone 1 der gesamten Biosphärenreservatsfläche überhaupt erst 2021 abgeschlossen war.
Die ursprünglichen Überlegungen bei der Ausweisung von Wildnisflächen im Spreewald lagen einst bei weit über den 233 Hektar – und eben beim Label Wildnis statt NWE. Sie sind eingebettet in die Landesstrategie, zur Erhöhung der Biodiversität zwei Prozent der Landesfläche als Wildnis auszuweisen. Die in Rede stehenden 233 Hektar seien schon 2011 beschlossen worden, sagt die grüne Landtagsabgeordnete Isabell Hiekel, „da waren wir noch gar nicht in der Regierung“. Nun sei das Thema wieder im Koalitionsvertrag – und werde vom grünen Umweltminister eben umgesetzt. Deshalb sind die 233 Hektar sowohl politischer Konsens als auch politischer Kompromiss. „Sie werden nicht als Kernzone ausgewiesen, nicht an den Bund als Wildnis gemeldet, sondern als Naturwaldentwicklungsflächen im Landeswald ausgewiesen“, erklärt Eugen Nowak. Das bedeutet, dass die Forst kein Holz entnehmen oder schlagen darf. „Es fallen keine Kahnstrecken weg und paddeln, jagen und fischen kann man dort, wo es bisher auch möglich war“, so der Leiter der Biosphäre. Zudem seien Gewässerunterhaltung und Verkehrssicherung weiterhin gewährleistet.
„Es fallen keine Kahnstrecken weg und paddeln, jagen und fischen kann man dort, wo es bisher auch möglich war.“
Eugen Nowak, Leiter des Biosphärenreservats Spreewald
Die BI bleibt derweil auf ihrer Forderung bestehen, die Ausweisung der 233 Hektar zurückzunehmen. „Es geht uns dort um die forstwirtschaftliche Nutzung als Teil der Kulturlandschaft“, so Falkner Schwarz. Es drohe Verbuschung, wenn der Wald sich selbst überlassen werde. Zu befürchten sei, dass Fließe verschlammen und sich die Fließgeschwindigkeit verringere – eine Gefahr gerade in Zeiten von Hochwasser, so der BI-Sprecher. Es sei „nachweislich, dass ein intakter Wald gegen den Klimawandel mehr hilft als Wildnisflächen“, heißt es auf der Homepage der BI. Sie beruft sich auf Studien, wonach Wildnis keine Biodiversität fördere. Welche Studien das sind, kann Falkner Schwarz auf Nachfrage nicht sagen. „In der Wissenschaft gibt es unterschiedliche Auffassungen – die einen sagen ja, die anderen Nein“, erklärt er. Was er feststelle: „Aufgrund der Stilllegungen fehlt der Schwarzstorch.“ In der CO2-Diskussion werde „gelogen, dass sich die Balken biegen“. Totholz bilde schließlich CO2, und ein Wildnis-Wald könne weniger CO2 binden als andere Wälder.
Eine Reihe solcher Argumente hätten Falkner Schwarz und seine Mitstreiter bei der Exkursion im Unterspreewald widerlegt bekommen. Eugen Nowak führt die Gruppe der Informationswilligen durch den Wald. Umgestürzte Bäume, herabgefallene Äste, Wurzeln und Stubben säumen den verlaubten Weg – nichts für einen Sonntagsspaziergang, aber etwas für Naturinteressierte und kleine Abenteurer. Mit einem Ranger darf man diese Wildnis erkunden, auf eigene Faust nicht. Zum letzten Mal wurde in diesem Waldstück 1989 Holz geschlagen. Von Verbuschung ist nichts zu erkennen. Stattdessen große, kräftig gewachsene Eichen und andere Laubbäume, die manch Förster unter den Anwesenden gern der Verwertung zuführen würde. Doch das – und nur das – ist künftig tabu. Auf den schiffbaren Fließen darf gepaddelt und gestakt werden, freilich ohne am Ufer anzulegen – aber das ist anderswo im Spreewald auch geboten.
Selbst in der Kernzone, seit 1990 aus der Bewirtschaftung genommen, wächst der Wald noch.
1989 gab es hier einen Kahlschlag; es folgten Moorbildung und Erlenbewuchs.
Wilder Wald in der Kernzone. Von Verbuschung ist nichts zu sehen.
Fotos: Dörthe Ziemer
Auch das Jagen ist erlaubt – ein Hochstand zeugt davon. Dort erfolge 1989 ein Kahlschlag, die Fläche hat sich zum Moorstandort entwickelt, aber auch Erlen wachsen dort hoch empor. Einige Bäume sind aus der Wurzel ausgeschlagen, aber es gebe auch Kernwüchse im wilden Wald, also Bäume, die aus Samen aufgehen, so Eugen Nowak. Die Gruppe gelangt an eine Brücke über der Spree – an dieser Stelle ein schiffbares Gewässer. Ein umgefallener Baum wurde noch nicht beräumt – ein Personalproblem, sagen die anwesenden Landesbediensteten, die für dieses Areal zuständig sind. Dass solche Bäume im Hochwasserfall mitschwimmen, sei unwahrscheinlich – vielmehr könne das ganze Gelände große Wassermengen aufnehmen, sagen die Experten vor Ort. „Wenn das Wasser aus Cottbus kommt, fließt es hier breit“, sagt Isabell Hiekel, die als Diplomingenieurin viele Jahre im Landesumweltamt gearbeitet hat. An einem kleineren Wasserarm ist keine Befahrung mehr möglich – dort liegen Stämme kreuz und quer. Dieser wurde schon vor Jahren aus der Bewirtschaftung genommen, hier in der Kernzone erfolgt auch keine Verkehrssicherung mehr.
Die Gruppe ist unter riesigen 100jährigen Eichen angekommen. Die Bäume haben große Kronen ausgebildet und tragen viele Früchte. Sie stammen aus der Zeit, als die Dörfer noch Waldweiderechte hatten und Schweine im Wald weideten. Verjüngen werden sie sich an dieser Stelle nicht – dafür ist es zu dunkel. Nur wenn die Eichen irgendwann mal umfallen, gibt es Licht und Fläche für neue Ansiedlungen. Bei einer moderaten Waldbewirtschaftung würde hier eingegriffen und Holz geschlagen, was auch noch Ertrag bringen und die Arbeit des Försters mitfinanzieren würde. Stattdessen gibt es in der Kernzone „Waldentwicklungsprozesse, aus denen wir lernen“, sagt Eugen Nowak.
Wissensaustausch im Laubwald. Hier passiert seit 30 Jahren nichts von Menschenhand. Foto: Dörthe Ziemer
Die Erkenntnisse daraus müssten aufbereitet und weitergegeben werden, fordert eine Försterin. Begriffe wie Biodiversität und „der Natur Raum geben“ ließen sich hier vor Ort gut über Waldpädagogik vermitteln. Dabei ließe sich auch die Bevölkerung vor Ort mitnehmen und die Akzeptanz für die Maßnahmen steigern, sagt Isabell Hiekel. Was aber, wenn sich die Menschen nicht mitnehmen lassen? „Wenn meine Tochter den Langen Horst nicht mehr hochfahren kann…“, sagt ein Anwesender und lässt den Satz vielsagend offen. Oder man nicht mehr die Wasserburger Spree entlangfahren könne, wendet ein anderer ein. „Können Sie doch“, kommt die Antwort. Von einem Teil der Menschen komme nur Ablehnung, Gespräche seien nicht möglich, sagt Eugen Nowak zum Ende der Exkursion.
Einige Wochen später: Ein Termin im Büro von Eugen Nowak. Nochmals erklärt der studierte Förster Grundlagen zum Biosphärenreservat und warum viele der BI-Argumente nicht haltbar sind. Akribisch hat er Studien, Tabellen und Grafiken aus der Arbeit des Spreewälder und anderer Biosphärenreservate zusammengestellt: was es mit dem Rückgang des Schwarzstorches auf sich hat – nämlich eine Konkurrenz zum Seeadler; was ein „intakter Wald“ eigentlich ist – nämlich einer, in dem alle Waldentwicklungsphasen vorhanden sind und nicht nur eine, wie im Hochwald, wo die Alters- und Absterbe-Phase fehlt. Über die Rolle von CO2 im Wald für den Klimaschutz „streiten sich Heerscharen von Forstwissenschaftlern“, sagt Eugen Nowak: Liegt das Holz im Wald, ist das CO2 gebunden. Verbrennt das Holz gelangt CO2 in die Luft. Er legt Zahlen zum Vorkommen bestimmter Tierarten in Wirtschaftswäldern und ungenutzten Buchenwäldern vor: Sie steigen erst in 50 Jahre ungenutzten Wäldern sprunghaft an, davor nur mäßig. Es gebe in ungenutzten Wäldern auch mehr Mikrohabitate, mehr Brutvögel, erklärt er.
Aber auch die BI argumentiert mit Fakten zu Fließgeschwindigkeiten, Hochwasserneutralität und CO2-Bilanzen und pflegt einen regen Briefwechsel mit dem Umweltministerium. Argument folgt auf Gegenargument, am Ende bleibt die Maximalforderung: Rücknahme der 233 Hektar NWE. Im Gespräch mit Falkner Schwarz wird jedoch deutlich, dass es um weit mehr geht. Menschen wie er, die im Spreewald wohnen, dort geboren sind, angeln und jagen, Kahn fahren und mehr, leben in einem Biosphärenreservat, das nach der Wende ausgerufen und seitdem beständig entwickelt wurde – bis hin zu der notwendigen Ausweisung der drei Prozent Kernzone, die erst 2021 abgeschlossen war. Gewässerrandstreifenprojekt, Vertragsnaturschutz, Jagd- und Fischereirechte – das sind die Begriffe und Streitpunkte, die diese 30 Jahre begleitet haben. Tourismus, Naturschutz, Landwirtschaft, Leben – die Ansprüche all dieser Bereiche in Einklang zu bringen, ist wohl Teil der DNA solcher Regionen.
Kernzone 1: Hier dürfen Besucher nur mit fachkundiger Begleitung hinein. Fotos: Dörthe Ziemer
Fließe in der Kernzone 1, die aus der Nutzung genommen wurden, werden nicht mehr befahren.
All die Debatten mit ihren Studien und Fakten treffen auf die Biografien der Spreewälder, auf ihre ganz persönlichen Erfahrungen in der Kulturlandschaft, also einer von Menschen gemachten Landschaft. Dazu zählen auch Erfahrungen von Unsicherheit, von teils nicht gehaltenen Versprechungen, von Enttäuschungen, wie Falkner Schwarz berichtet. „Die Wasserburger Spree war früher ein schiffbares Gewässer 2. Ordnung. Mitte/Ende 1990er war sie aus dem Katalog verschwunden, und keiner weiß, wieso“, erzählt er. „Das hat Auswirkungen auf das Koppelner Wehr, was nicht mehr saniert wird. Die Schlepziger warten seit Jahren auf ihre Kahnschleuse. Das macht die Spreewälder nicht froh.“ Da seien „Dinge, die seit Jahren auf der Agenda stehen“, kritisiert er. Wohl deshalb bleibt die BI bei den NWE-Gebieten skeptisch: Man hege nach wie vor die Befürchtung, dass Gebiete nicht mehr betretbar werden. Trotz aller anderslautenden Ankündigungen.
Eugen Nowak wiederum kennt zahlreiche Beispiele, wo das Ringen um Kompromisse zu Ergebnissen geführt hat, etwa bei der moderaten Waldbewirtschaftung in der Schutzzone 2 oder dem Gewässerrandstreifenprojekt zur Reaktivierung von Fließen und zur Stabilisierung des Wasserhaushaltes. Bei wieder anderen Themen habe das Biosphärenreservat Kompromisse erarbeitet, gegen die Naturschutzverbände geklagt hätten, etwa bei der Frage, wie mit den Erlenwäldern nach den Hochwässern 2010, 2011 und 2013 umgegangen werden solle. Bleibt die Frage, ob es ein Kommunikationsproblem zwischen „denen da oben“ und den Spreewäldern gibt. Eugen Nowak zählt die Bürgerdialoge und Diskussionsrunden zum Thema Wildnis und NWE auf, die es in den vergangenen Monaten gab. Hinzu kommen Fachtage, offene Gesprächsrunden und zahlreiche Publikationen. Allerdings fehle in der Biosphärenreservatsverwaltung eine Stelle für Öffentlichkeitsarbeit – „die wurde abgebaut und nie ersetzt“, so der Leiter.
„Es ist wichtig, dass verschiedene Perspektiven und Sichtweisen — auch zum Thema Natürliche Waldentwicklung (NWE) — einbezogen werden.“
Jens Richter, Bürgermeister der Stadt Lübben
Unter anderem deshalb waren die Mitglieder des Kuratoriums des Biosphärenreservats – also Bürgermeister, Amtsdirektoren, Landräte und Verbandsvertreter – vom Umweltministerium vor etwa einem Jahr gebeten worden, die Ausweisung der 233 Hektar NWE „in ihrem Verantwortungsbereich zu kommunizieren und damit zu einer Versachlichung der Debatte beizutragen“. Eine Wokreisel-Umfrage unter Kuratoriumsmitgliedern ergab, dass es dazu nicht viel Berichtenswertes gibt. Der Landkreis Dahme-Spreewald verweist auf die bereits im Kuratorium erfolgte Kommunikation und darauf, dass jede weitere Information in der Verantwortung des Ministeriums liege. Der Lübbener Bürgermeister Jens Richter teilt mit, dass sie mit der BI im Gespräch gewesen sei und diese als Interessenvertreter im Kuratorium begrüße. Es sei wichtig, „dass verschiedene Perspektiven und Sichtweisen — auch zum Thema Natürliche Waldentwicklung (NWE) — einbezogen werden“.
Für die BI scheint es indes nur eine Sichtweise der Spreewälder zu geben. In einem Schreiben an das Umweltministerium vom Juli behauptet sie, dass „die ganze Spreewaldregion“ die Rücknahme der 233 Hektar NWE fordere. Falkner Schwarz beruft sich dabei darauf, dass rund 8.000 Menschen eine Petition der BI unterschrieben haben (egal, ob sie im Spreewald wohnen oder nicht). Der Beirat besteht nach Information von Falkner Schwarz aus 31 Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Seit kurzem ist die BI im Kuratorium des Biosphärenreservats vertreten – ohne eigene Organisationsform wie Verein.
Die Entscheidung über die 233 Hektar NWE ist längst gefallen – und wird, soviel lässt sich drei Tage vor der Landtagswahl sagen, in dieser Legislatur nicht mehr zurückgenommen. Die Debatten indes werden weitergehen. „Kämpft um den Spreewald“, sagt Karl-Heinz Starick in dem Youtube-Film der BI. Hauptbotschafter dieser Region, schätzt Eugen Nowak ein, seien die Kahnfährleute. Sie hätten „die Stimmung auf dem Kahn in der Hand“. Sie könnten ihren Gästen auf der Fahrt durch die Kernzone den „Urwald von Morgen“ erklären. Oder sie könnten behaupten: 'Wegen der Grünen stirbt hier alles ab'.