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Spreewaldgurke in aller Munde

Für den Erhalt der Gurkenproduktion in Golßen haben gestern Abend rund 200 Menschen auf dem Marktplatz demonstriert. Der Frust unter Mitarbeitern und Einwohnern ist groß. Doch ein Abgesang auf die Spreewaldgurke, den mancher versucht anzustimmen, ist das mitnichten.

 

Von Dörthe Ziemer

 

Nach kurzen Ansprachen ziehen die Demonstrierenden mit Lärm und Lichtern, begleitet von mehreren Traktoren, vom Marktplatz zum Geschäftssitz der „Spreewaldkonserve“ und wieder zurück, um am Ende Dutzende Lichter aufleuchten zu lassen. Man wollte „unpolitisch“ bleiben, hatte Bürgermeisterin Andrea Schulz angekündigt. Und das ist auch gelungen, obgleich Vertreter nahezu aller Parteien anwesend waren, die sich jedoch unter die 200 Teilnehmenden mischten. Die wenigen Transparente drehen sich um die Golßener Gurke, die Marke „Spreewaldhof“ leuchtet deutlich auf. Es ist die Marke, mit der viele Menschen in Golßen und darüber hinaus groß geworden sind, wie Betriebsrat Gerrit Hoehne sagt. Zahlreiche Generationen hätten in diesem Betrieb gearbeitet – im Sommer zehn Stunden täglich, sechs Tage die Woche. Paare hätten sich gefunden, deren Kinder wiederum in der „Konserve“ arbeiteten. 

 

 Ansprachen auf dem Golßener Marktplatz. Foto: Dörthe Ziemer

Ansprachen auf dem Golßener Marktplatz. Foto: Dörthe Ziemer

 

Nun soll Schluss damit sein, zumindest am Standort Golßen. Der französische Konzern Andros, der den einstigen Familienbetrieb vor vier Jahren übernahm, hat Ende Januar angekündigt, die Produktion von Golßen ins benachbarte Dorf Schöneiche zu verlagern, wo bislang eine saisonale Produktionsstätte bestand. Verbunden damit wäre die Verlagerung bzw. der Verlust von 220 Arbeitsplätzen. Wie sich das Vorhaben auf die kommunalen Gewerbesteuereinnahmen niederschlagen könnte, dazu dürfe er keine Auskunft geben, sagt Amtsdirektor Marco Kehling. Immerhin bleibe die Gurkenproduktion im Amtsbereich. Bei aller gebotenen Neutralität wünsche er sich, dass so viele Arbeitsplätze wie möglich in Vollzeit statt als Saisonarbeit erhalten bleiben, so der Amtsdirektor.

 

„Jeder macht sich Sorgen, wie es weitergeht.“
Wolfgang Thuge, Mitarbeiter

 

Die meisten Mitarbeiter der „Spreewaldkonserve“ stammen aus Golßen und Umgebung, teilt das Unternehmen mit. Einer von ihnen ist Wolfgang Thuge. Er harrt am Mittwochabend bei Temperaturen um den Nullpunkt auf dem Marktplatz aus, neben ihm stehen derzeitige und ehemalige Mitarbeiterinnen sowie Familienangehörige. „Jeder macht sich Sorgen, wie es weitergeht“, sagt er. Viele Mitarbeiter seien in einem Alter, wo man woanders kaum noch unterkomme. Eine Frau sagt, sie habe nicht mal einen Führerschein, um zu einer weiter entfernten Arbeit zu gelangen. Auch Polen gehörten zum festen, nicht nur zum saisonalen Mitarbeiterstamm, die in der Stadt längt heimisch geworden seien, erzählen die Golßener auf dem Marktplatz.

 

„Schockiert“ sei man über die unvermittelte Ankündigung gewesen, sagt Wolfgang Thuge. Noch im vergangenen Jahr habe es geheißen, es laufe gut im Betrieb, die Zahlen würden stimmen. Im kommenden Jahr wolle man eigentlich gemeinsam 80 Jahre Spreewaldkonserve und 750 Jahre Stadt Golßen feiern, so die Bürgermeisterin. 2024 sei sogar erstmals ein Tarifvertrag auf den Weg gebracht worden, berichtet Rebecca Rahe von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). „Es gab höhere Löhne und damit Beständigkeit, und nun diese Rolle rückwärts“, kritisiert sie. Nun stehe ein Weg bevor, „von dem wir nie gedacht hätten, dass wir ihn gehen müssen“, klagt Miriam Jentzsch, Mitarbeiterin in der Spreewaldkonserve und Initiatorin der Demo. Die Unterstützung nicht nur durch die eigenen Kollegen, sondern von Mitarbeitern anderer Betriebe, der städtischen Feuerwehr und vielen weiteren Golßenern gebe ihr „Kraft und Stärke und die Hoffnung auf eine Lösung, auf das Wunder von Golßen“, ruft sie der Menge zu.

 

Auf dem Weg vom Marktplatz zur Spreewaldkonserve. Foto: Dörthe ZiemerAuf dem Weg vom Marktplatz zur Spreewaldkonserve.

Fotos: Dörthe Ziemer

Am Firmensitz gab es Lichter und Applaus für die Mitarbeiter. Foto: Dörthe ZiemerAm Firmensitz gab es Lichter und Applaus für die Mitarbeiter.

 

Neben vielen emotionalen Worten wird in der Menschenmenge auch über die Gründe für das Vorhaben spekuliert. Offiziell wurden in einer Pressemitteilung „negative Rahmenbedingungen durch die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg sowie gestiegene Energie- und Rohstoffkosten und eine rückläufige Marktentwicklung” genannt. Der Konservenmarkt sei „seit Jahren rückläufig und durch Überkapazitäten gekennzeichnet“, teilt Pressesprecherin Andrea Steinkamp auf Anfrage mit. Bislang war die Marke „Spreewaldhof“ Marktführer in Ostdeutschland und bundesweit an dritter Position. Allein die Gurkenkonserve habe jedoch einen Absatzrückgang von ca. acht Prozent in den vergangenen zwei Jahren zu verzeichnen, so die Pressesprecherin.

 

„Früher stand das Ein-Liter-Gurkenglas auf dem Abendbrottisch, wo ist das denn heute noch so?“
Gregor Knösels,
Gurken- und Gemüsebauer aus Kasel-Golzig und Vorstandsmitglied beim Spreewaldverein

 

Dem pflichtet Gregor Knösels, Gurken- und Gemüsebauer aus Kasel-Golzig und Vorstandsmitglied beim Spreewaldverein, bei. „Der Absatz ist seit 2021 deutlich zurückgegangen“, sagt er. Aufgrund des Mindestlohns sei die Rohware teurer geworden, aufgrund der gestiegenen Energie- und Wasserkosten auch das Endprodukt. „Vor fünf, sechs Jahren hat man für das Glas Gurken noch 1,29 bezahlt, heute sind es 2,49“, nennt er ein Beispiel. Hinzu komme die Konkurrenz aus dem Ausland und möglicherweise ein weiter steigender Mindestlohn – aber auch das Verbraucherverhalten: „Früher stand das Ein-Liter-Gurkenglas auf dem Abendbrottisch, wo ist das denn heute noch so?“, fragt er.

 

Doch die genannten Gründe treffen für alle Unternehmen in der Branche zu. Was die Spreewaldkonserve von vielen anderen Gurkenproduzenten im Spreewald unterscheidet, ist die deutschlandweite Belieferung des Großhandels. Gurken der Marke „Spreewaldhof“ sind bundesweit in Supermärkten zu finden. Dort werden auch die Preise diktiert. Die Spreewaldgurke sei jedoch ein Premiumprodukt, sagte Melanie Kossatz, Geschäftsführerin des Spreewaldvereins, der als Inhaber der Dachmarke Spreewald auch die Gurkenproduzenten der Region vertritt. Im Jahr 1999 hatten sie gemeinsam das Label „geschützte geografische Angabe“ (g.g.A.) erstritten. Seitdem dürfen europaweit Spreewaldgurken nur so heißen, wenn sie hauptsächlich im Wirtschaftsraum Spreewald nach kontrollierten integrierten Produktionsmethoden angebaut worden sind. Die hiesigen klimatischen Bedingungen, die Böden und das eisenhaltige Wasser machen den besonderen Geschmack der Gurken aus. 

 

Auftakt Gurkenernte 24 Gurkenflieger im Einsatz (c) Spreewaldverein

Auftakt Gurkenernte 2024 (c) Spreewaldverein (7)

Auftakt Gurkenernte 2024 (c) Spreewaldverein (4)

Gurkenernte im Spreewald. Fotos: Spreewaldverein

 

Die Spreewaldgurke sei deshalb ein Produkt, das preislich mit Produkten des Weltmarktes kaum mithalten könne, sagt Melanie Kossatz. Besonders preissensible Verbraucher würden daher eher zu billigen Produkten greifen. Ein Blick in das Regal des örtlichen Supermarktes zeigt Kilopreise zwischen 3 und 12 Euro. Am billigsten sind die Produkte, auf denen nicht „Spreewald“ steht, inklusive der hauseigenen Bio-Marke. „Der Lebensmittel-Einzelhandel hat die Marktmacht“, so Melanie Kossatz. Die acht Gurkenbauer und sieben Verarbeitungsbetriebe im Spreewald hätten sehr unterschiedliche Betriebsstrukturen, sagt sie. Darunter seien Familienbetriebe mit Hofläden, Wochenmarktständen, Gastro-Belieferung und eben auch solche, die den Einzelhandel bedienen. „Grundsätzlich gilt: In der Direktvermarktung werden höhere Preise erzielt als im Lebensmitteleinzelhandel.“ Und Markenprodukte, glaubt Gregor Knösels, seien im Einzelhandel insgesamt rückläufig.

 

Auf die Frage, ob der Konzern vor dem Hintergrund des großen Preisdrucks durch den Großhandel erwogen hat, die Vertriebsstruktur anzupassen, etwa hin zu stärkerer Direktvermarktung, hat Andros nicht geantwortet. Auch nicht auf die Frage, was unternommen wurde, um dem Preisdruck und mithin dem Absatzrückgang zu begegnen. Bürgermeisterin Andrea Schulz versucht, mithilfe regionaler Netzwerke Teil-Lösungen zu finden. „Die Betriebsfläche hier in Golßen ist viel zu groß, da müssen die Betriebskosten gesenkt werden“, sagt sie. Denkbar sei das durch Mitmieter. Auch die Kosten für die hauseigene Kläranlage ließen sich durch weitere Nutzer senken, ist sie überzeugt. „Hier wollen wir mithilfe der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Dahme-Spreewald Kontakte vermitteln“, beschreibt sie ihr derzeitiges Engagement.

 

„Die Argumente haben wir aufgenommen und zugesagt, diese noch einmal ergebnisoffen zu prüfen.“
Andrea Steinkamp, Pressesprecherin Andros

 

Ähnliche Gedanken machen sich auch die Menschen am Mittwochabend auf dem Golßener Marktplatz. Der Andros-Konzern habe sich zu spät vor Ort vernetzt, um Lösungen zu finden, sagt einer. Vielleicht wolle der Konzern den Standort verstärkt als Lagerfläche für all seine Produkte nutzen, sagt jemand anderes. Ein Dritter meint, so einen Großkonzern interessierten doch ohnehin nur die Zahlen und nicht das, was vor Ort passiert: etwa eine Demo. Aus Gesprächen zwischen Andros und politischen Vertretern wie der Bürgermeisterin, dem Landrat und weiteren wird berichtet, dass der Konzern die Bedeutung seiner Entscheidung für die Menschen vor Ort unterschätzt habe. „Die politischen Vertreter haben ihrerseits noch einmal auf die Bedeutung des Standortes Golßen hingewiesen und die Auswirkungen auf die Stadt und den Landkreis hervorgehoben“, teilt Andrea Steinkamp für das Unternehmen mit. „Die Argumente haben wir aufgenommen und zugesagt, diese noch einmal ergebnisoffen zu prüfen.“

 

Landrat Sven Herzberger (parteilos) habe in einem Gespräch mit der Geschäftsführung die identifikationsstiftende Bedeutung der Spreewaldgurke für Golßen betont, teilt die Pressestelle mit. Bürgermeisterin Andrea Schulz (Unabhängige Bürgerliste UBL) spricht davon, wie sehr der Geruch von Gurken und Sauerkraut und das besonders nachts deutlich vernehmbare Klappern der Gläser zum Leben in Golßen dazugehöre. Das mediale Echo der vergangenen Wochen habe sie sehr überrascht, sagt sie. „Die Spreewaldgurke ist weltweit bekannt und Symbol für unsere traditionsreiche Region. Deshalb ist es wichtig, dass sie auch weiterhin am Standort Golßen produziert wird“, teilt die Landtagsabgeordnete Nadine Graßmel (SPD) mit. Ein Vor-Ort-Termin mit Brandenburgs Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD) sei geplant – als „Signal aus dem Ministerium“, um Bewusstsein dafür zu schaffen, was das Unternehmen mit seiner Ankündigung in der Region ausgelöst habe. Gewerkschafterin Rebecca Rahe ruft am Mittwochabend den Demonstrierenden schließlich zu: „Golßen ist die Spreewaldgurke“. 

 

 Die Gurke der Marke "Spreewaldhof" stand im Zentrum der Demo. In der Mitte Bürgermeisterin Andrea Schulz. Foto: Dörthe Ziemer

Die Gurke der Marke "Spreewaldhof" stand im Zentrum der Demo. In der Mitte Bürgermeisterin Andrea Schulz.

Foto: Dörthe Ziemer

 

Neben der Betroffenheit über die Nachrichten aus Golßen sei sie von manchen Formulierungen in der Debatte überrascht, sagt derweil Melanie Kossatz vom Spreewaldverein. Vom Aus für die Spreewaldgurke könne nicht die Rede sein, stellt sie fest. Wichtig für den Verein als Interessenvertreter aller Gurkenproduzenten sei nun, weiter Öffentlichkeitsarbeit für die Spreewaldgurke und den geschützten Markenbegriff zu betreiben. Dazu gehöre zu erklären, wie die Preise entstehen und was die Besonderheit der Spreewaldgurke ausmacht. Der Spreewaldverein ruft deshalb Verbraucher regelmäßig dazu auf, „sich bewusst für Spreewälder Gurken als authentisches und regional erzeugtes Produkt zu entscheiden“. Einen Abgesang auf die Spreewaldgurke sieht auch Vorstandsmitglied Gregor Knösels nicht. Golßen sei zwar der größte Verarbeiter, sagt er, aber es gebe eben insgesamt sieben Verarbeitungsbetriebe im Spreewald. „Und auch in der Spreewaldkonserve soll die Produktion ja weitergehen.“

 

 

STATISTIK

 

Daten Spreewaldverein 2024:

  • Anbaufläche: 512 Hektar, davon 60 Hektar Einlegegurken im Bio-Anbau und 75 Hektar für Schälgurken (Senf- oder Schmorgurken)

  • Erntemenge: rund 32.000 Tonnen (Prognose)

  • 8 Anbau- und 7 Verarbeitungsbetriebe

 

Gemüseerhebung Brandenburg für 2023

  • Einlegegurken: 35 Prozent der gesamten Gemüseerntemenge 

  • Anbau auf rund 470 Hektar – 15 Hektar mehr als im Vorjahr
    (hauptsächlich im Spreewald, also Landkreise Dahme-Spreewald und Spree-Neiße)

  • Ertrag: fast 750 Dezitonnen je Hektar – höchster Wert seit 1991. 

  • Erntemenge: 34.800 Tonnen – 44 Prozent mehr als im Vorjahr.

 

Gemüseerhebung Brandenburg für 2012-2021:

  • Einlegegurken sind nach Spargel die flächenanteilig zweitstärkste Kultur in Brandenburg. 

  • Etwa ein Drittel der mit Einlegegurken bestellten Fläche bundesweit befindet sich in Brandenburg: rund 600 Hektar. Mehr baut nur Bayern (950 Hektar) an.

  • Rückgang der Anbaufläche bundesweit von 2.600 Hektar (2012) auf 1.900 Hektar (2021), in Brandenburg im gleichen Zeitraum von 760 Hektar auf 590 Hektar. 

  • Erntemenge in Brandenburg 2021: 30.100 Tonnen – 18 Prozent der bundesweiten Produktion (171.100 Tonnen)

  • Rückgang der produzierten Erntemenge bundesweit von 2012 bis 2021 um 8 Prozent, in Brandenburg um 43 Prozent.

  • Weltweit stand Deutschland 2020 mit der Gurkenproduktion auf Platz 23.

 

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Do, 20. Februar 2025

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