Rund 20 Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren können Experten zufolge nicht schwimmen. Es kommt aber nicht nur auf meist kommunal organisierten Schwimmunterricht an, sondern auch darauf, dass Eltern mit ihren Kindern beizeiten baden gehen.
Von Andreas Staindl
Immer mehr Kinder können nicht schwimmen. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) geht nach Umfragen davon aus, dass etwa 20 Prozent der Mädchen und Jungen zwischen sechs und zehn Jahren nicht schwimmen können. Damit hat sich laut DLRG der Anteil der Nichtschwimmer in dieser Alterskasse innerhalb von fünf Jahren etwa verdoppelt. Als Gründe für den Anstieg werden vor allem die Einschränkungen während der Corona-Zeit genannt. Schwimmunterricht und Schwimmkurse sind ausgefallen, Schwimmhallen waren geschlossen. Inzwischen sind die Beschränkungen weggefallen. Schwimmunterricht ist im Land Brandenburg verpflichtend. Wie gehen Schulen und Kommunen im Landkreises Dahme-Spreewald damit um? Nehmen alle in Frage kommenden Kinder daran teil? Und wie erfolgreich ist die Schwimmausbildung? Wokreisel hat sich in verschiedenen Kommunen umgehört.
In Wildau gibt es gute Möglichkeiten, das Schwimmen zu erlernen. Das Wildorado der Wildauer Sportbetriebsgesellschaft mbH bietet verschiedene Schwimmkurse für Kinder an. Die Grundschule des Ortes nutzt die Einrichtung für ihren verbindlichen Schwimmunterricht. „In der Regel nehmen alle Kinder der dritten Klasse daran teil“, sagt die Fachkonferenzleiterin Stefanie Haupt. „Nichtteilnahmen hatten wir während der vergangenen Jahre keine. Sie wären aber aus gesundheitlichen Gründen möglich.“ Mädchen und Jungen der dritten Klasse erhalten ein Schuljahr lang für 45 Minuten pro Woche Schwimmunterricht. „Oberstes Ziel unserer Arbeit ist selbstverständlich die Teilnahme am und Befähigung zum Schwimmen aller Schülerinnen und Schüler“, sagt Stefanie Haupt. „Allerdings gibt es in jedem Jahr ein paar Kinder, die nur die Niveaustufe 1 erreichen.“ Das bedeutet, dass sich diese Mädchen und Jungen zwar an das Wasser gewöhnt haben, es körperlich wahrnehmen und sich an die physikalischen Eigenschaften und Wirkungen des Wassers anpassen, aber auch nicht mehr.
Kinder ans Wasser zu gewöhnen ist, eine wichtige Voraussetzung fürs Schwimmenlernen - und Aufgabe der Eltern.
Foto: Andreas Staindl
Ein Prozent aller Schülerinnen und Schüler der Grundschule in Wildau hatte nach Abschluss des Schwimmunterrichts im Schuljahr 2022/23 lediglich die Niveaustufe 1 erreicht. Im vergangenen Jahr waren es schon drei Prozent, wie die Fachkonferenzleiterin informiert. Die Gründe sind Stefanie Haupt zufolge vielseitig und treten meist auch in Kombination auf: Betroffene Kinder haben vor dem Schuleintritt keine Wassergewöhnung im Elternhaus erlebt und können nur langsam an das Medium Wasser herangeführt werden. Sie haben zunächst Angst, in das tiefe Becken zu gehen, den Rand loszulassen, Wasser in das Gesicht zu bekommen, den Kopf im Wasser zu haben oder schließlich ohne Schwimmhilfe zu schwimmen.
Die Fachkonferenzleiterin hat darüber hinaus auch motorische Defizite ausgemacht: „Das Umsetzen der Schwimmbewegung gelingt ihnen nur schwer. Es kann nicht genug Auftrieb erzeugt werden, um sich über Wasser zu halten.“ Dem Großteil der Kinder gelingt das allerdings gut. 79 Prozent der Mädchen und Jungen der Grundschule in Wildau konnten nach Abschluss des Schwimmunterrichts im vergangenen Schuljahr sicher schwimmen. Das bedeutet, sie schwimmen im tiefen Wasser mindestens 15 Minuten lang, können die Schwimmlage beliebig ändern und trauen sich, ins tiefe Wasser zu springen. In dieser Niveaustufe 4 gab es einen deutlichen Anstieg um 17 Prozent gegenüber dem Schuljahr 2022/23.
„Den Nachwuchs an das Wasser zu gewöhnen, ist Sache der Eltern. Die Zeit während des Schwimmunterrichts reicht dafür nicht.“
Robert Pionke, Sportlehrer in Schönwalde
Auch in der Grundschule in Schönwalde im Unterspreewald gibt es sehr gute Schwimmer, aber auch Nichtschwimmer. „Wir haben in jedem Schuljahr zwei, drei Kinder, die das Schwimmen nicht lernen, und das trotz Schwimmunterricht“, sagt Robert Pionke. Die Ursachen liegen dem Sportlehrer zufolge oft in den Familien betroffener Mädchen und Jungen: „Die Eltern fahren mit ihren Kindern nicht zum Schwimmen in der Freizeit. Die Kinder brauchen aber Wassergewöhnung, um die Angst vor dem Wasser zu verlieren. Den Nachwuchs an das Wasser zu gewöhnen, ist Sache der Eltern. Die Zeit während des Schwimmunterrichts reicht dafür nicht.“
Viele Kinder beenden den Schwimmunterricht mit gutem bis sehr gutem Erfolg, jedoch nicht alle.
Foto: Andreas Staindl
Schwimmen ist auch in Schönwalde verpflichtender Teil des Unterrichts. Die jeweils etwa 30 Mädchen und Jungen der dritten Klasse fahren dafür in die Schwimmhalle in Lübbenau (Oberspreewald-Lausitz). Die meisten haben laut Robert Piontek nach Abschluss des Schwimmunterrichts zumindest das Frühschwimmerabzeichen „Seepferdchen“ oder ein höherwertiges Schwimmabzeichen erworben. Ihm zufolge haben im vergangenen Schuljahr 19 Kinder die Prüfung für das Deutsche Schwimmabzeichen in Silber bestanden. „Sie sind damit sehr gute Schwimmer“, sagt der Sportlehrer in Schönwalde.
In Briesen (Gemeinde Halbe) lernen die Kinder auch im Freibad schwimmen – unabhängig vom verpflichtenden Schwimmunterricht in ihrer Schule. „Schulen der Region nutzen gerne unser Freibad“, erzählt Susann Fischer. „Wir wollen helfen, Kindern das Schwimmen beizubringen.“ Sie ist wie andere Akteure ausgebildete Rettungsschwimmerin und mit dem Bad in Briesen seit ihrer Kindheit verbunden. Genau wie ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Gruppe „Briesener Bleienten“ kümmert sie sich ehrenamtlich um den Badebetrieb im kleinen Freibad.
Susann Fischer hält die Einrichtung für sehr wichtig für die Schwimmfähigkeit der Kinder: „Der Schwimmunterricht in den Schwimmzentren alleine reicht oft nicht aus, damit die Mädchen und Jungen sicher schwimmen können. Bei uns können sie weiter üben und das Gelernte festigen.“ Das ist in Briesen allerdings nur im Sommer möglich. Und wird die Möglichkeit genutzt? „Klar“, sagt Susann Fischer und ergänzt: „Alle Kinder aus Briesen können schwimmen. Sie sind ja auch täglich im Sommer in unserem Freibad. Und wenn sie mit anderen Kindern im tiefen Wasser spielen wollen, müssen sie halt schwimmen lernen.“ Dass Briesen ein Freibad hat, man dort nicht nur baden, sondern auch schwimmen lernen kann, hat sich längst herumgesprochen.
„Alle Kinder aus Briesen können schwimmen. Sie sind ja auch täglich im Sommer in unserem Freibad. Und wenn sie mit anderen Kindern im tiefen Wasser spielen wollen, müssen sie halt schwimmen lernen.“
Susann Fischer, „Briesener Bleienten“
„Hortkinder aus Halbe kommen regelmäßig zu uns, auch Eltern und Kinder aus anderen Nachbarorten“, sagt Susann Fischer. Auch Oberschüler aus der Groß Köriser Schule sind regelmäßig zum Schwimmlager vor Ort. „Selbst aus Berlin haben wir immer wieder Gäste. Eltern aus der Hauptstadt schätzen es, dass ihre Kinder bei uns schwimmen lernen können.“ Und nicht nur das, wie sie ergänzt: „Unser Freibad hilft, das soziale Miteinander zu stärken. Die Leute haben das während der Corona-Zeit sehr vermisst.“ Schwimmen, sich sportlich betätigen, miteinander ins Gespräch kommen. Das kleine Freibad mit seinen verschiedenen Möglichkeiten wertet den etwa 300-Seelen Ort erheblich auf. Ehrenamtliche Rettungsschwimmer und anderer fleißiger Helfer sorgen dafür, dass der Nachwuchs schwimmen lernt. „Für uns ist das eine Herzensangelegenheit“, sagt Susann Fischer.
Auch Luckau hat ein Freibad. Es wird seit mehr als 50 Jahren von der Stadt betrieben und wurde während der vergangenen Jahre umfangreich saniert. Besuchern stehen verschiedene Schwimmbecken zur Verfügung – auch 50 Meter lange Schwimmbahnen. Das Freibad bietet die Möglichkeit, dass alle Generationen das Schwimmen lernen können. „Die Nachfrage nach unseren Schwimmkursen ist sehr groß“, sagt Stefanie Wildau. „Wir können nicht immer alle Wünsche erfüllen.“ Die Sachbearbeiterin im Hauptamt der Stadt Luckau leitet das Freibad in der Berstestadt und ergänzt: „In diesem Jahr ist es uns gelungen, bis an das Ende der Warteliste vorzudringen.“ Sie vermutet, dass „die Nachwehen der Corona-Schließungen von Hallenbädern und Schulen überstanden sind“.
Wer schwimmen kann, kann auch den Sprung vom 3-Meter-Turm wagen, wie hier im Luckauer Schwimmbad.
Foto: Andreas Staindl
Besonders stolz ist Stefanie Wildau darauf, für die Luckauer Kindertagesstätten Schwimmkurse am Vormittag anbieten zu können: „Wir tragen so ein Stück weit dazu bei, dass die meisten Kinder schwimmen können, wenn sie in die Schule kommen.“ Das Freibad in Luckau bietet zahlreiche Kurse. „Allein in diesem Jahr haben wir fünf Grundkurse am Nachmittag, ein Wassergewöhnungskurs, ein Nachhilfekurs und sechs Grundkurse am Vormittag (für Kitas der Stadt Luckau und den Hort der Liuba Grundschule in Lübben) mit über 150 Kindern durchgeführt“, erzählt Stefanie Wildau. „Insgesamt wurden 206 Seepferdchen, 116 Bronze-, 34 Silber- und ein Goldabzeichen verliehen.“
Für Kitas und Schulen in Trägerschaft der Stadt Luckau bietet die Kommune die Möglichkeit, das Freibad auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten kostenfrei für die Wassergewöhnung und den Schwimmunterricht zu nutzen. „Das wird wetterabhängig gut genutzt“, sagt die Leiterin des Freibads. Ihr zufolge führt auch das Bohnstedt-Gymnasium in Luckau seinen Schwimmunterricht im Freibad der Berstestadt durch. Zudem nutzen weitere Schulen der Region das Freibad, um die Schwimmfähigkeit der Kinder zu entwickeln und zu verbessern – etwa die Grundschulen in Walddrehna (Stadt Luckau) und Schönwalde (Unterspreewald) sowie Grundschulen in Lübben und Lübbenau. Stefanie Wildau ist aufgefallen, „dass nicht alle Kinder ins Wasser gehen. Das ist vor allem bei weiterführenden Schulen der Fall.“
Auch in Lübben ist der Schwimmunterricht Teil des Sportunterrichts und eine Pflichtaufgabe der Schule. Der Schwimmunterricht wird in Trägerschaft der Kommune im Delphinbad in Lübbenau durchgeführt. Die Beförderung der Kinder erfolgt in Kooperation mit der Regionalen Verkehrsgesellschaft Dahme-Spreewald mbH (RVS). Die Kosten trägt der Schulträger, wie der Bürgermeister Jens Richter (CDU) informiert. Schwimmunterricht erhalten die jeweils dritten Klassen der Friedrich-Ludwig-Jahn-Grundschule und der Liuba-Grundschule sowie die achten Klassen der Spreewaldschule (Oberschule). Grundlegendes Ziel sind der sichere Aufenthalt sowie das Bewegen im Wasser.
Neben dem Erlernen der Schwimmtechnik erwerben die Schülerinnen und Schüler der Lübbener Schulen ausgewählte Kompetenzen in weiteren Schwimmsportbereichen – etwa Wasserspringen, Tauchen oder Rettungsschwimmen. Sie sollen Situationen am und im Wasser einschätzen und sich entsprechend verhalten können. Der Schwimmunterricht ist verpflichtend. Außerschulische Schwimmkurse werden seitens der kommunalen Einrichtungen nicht zusätzlich durchgeführt, wie der Bürgermeister informiert. Ihm zufolge werden gelegentlich Besuche eines regionalen Schwimmbads in Rahmen der Feriengestaltung angeboten.
Wokreisel hat in weiteren Schulen im Landkreis Dahme-Spreewald nachgefragt, wie sie die Schwimmfähigkeiten ihrer Schülerinnen sowie Schüler einschätzen, welche Angebote es gibt und wie diese genutzt werden – jedoch ohne Resonanz.