Heute vor 20 Jahren, um 6 Uhr früh, öffnete Tropical Islands erstmals seine Pforten. Seitdem ist der Freizeitpark umstritten: ökologischer Fluch, ökonomischer Segen. Zu kalt, zu künstlich, zu voll oder: Oase im grauen Winter. Wie auch immer: Nach 20 Jahren steht Tropical Islands unverrückbar im märkischen Sand. Ein (etwas persönlicher) Rückblick.
Von Dörthe Ziemer
Typisches Winterwetter: etwas über null Grad, ein bisschen Regen, kaum Sonne. So ist es Mitte Dezember 2004 in Dahme-Spreewald. Am 19. Dezember ab sechs Uhr sollte die Sonne aufgehen: Da eröffnete der Freizeitpark Tropicals Islands in Brand erstmals seine Pforten und versprach Wärme, karibisches Flair und Strandfeeling. Ich beendete damals gerade meine journalistische Ausbildung bei 20cent, dem Jugendableger der Lausitzer Rundschau, und hatte die Aufgabe, zwei Tage vor der großen Eröffnungsgala mit der damaligen Miss Lausitz und einem Fotografen die Tropenwelt zu erkunden.
Statt Licht und Wärme fanden wir eine kühle, graue und staubige Halle vor, in der die letzten Baumaschinen und Handwerker herumlärmten. Der „Dschungel“ kämpfte ums Überleben: Staub und fehlendes Lichten drohten ihm den Garaus zu machen, noch bevor er richtig loswachsen konnte. Für Miss Lausitz gab es einen Cocktail und die Möglichkeit, einen Fuß ins Wasser zu tauchen. Die Fotos waren nicht sehr vielversprechend. Der Text konzentrierte sich auf die Fakten: 70 Millionen Euro Investition durch den malaysischen Investor Colin Au und das Konsortium Tanjong PLC, die Halle 360 mal 210 Meter groß und 107 Meter hoch, darin 500 teils tropische Pflanzen und 860 Kubikmeter Sand. Immerhin gefiel Miss Lausitz die Wassertemperatur. Bis zur Eröffnungsgala sollte alles fertig sein, versprach die Pressesprecherin bei unserem Besuch vor Ort.
Herrschte damals mehr Hoffnung als Überzeugung, dass das Projekt wie ein Ufo im märkischen Sand sicher landen würde? Einer, der von dieser Hoffnung erfüllt war, war der damalige Baudezernent und spätere Landrat Stephan Loge. Er war kurz zuvor aus Görlitz nach Dahme-Spreewald gekommen und von der Freundlichkeit und der Aufgeschlossenheit in Brandenburg ganz angetan, wie er erzählt. Zugleich drohte das Land vor dem Hintergrund einiger prominenter Pleiten – Cargo Lifter und Chipfabrik – zum Land der gescheiterten Projekte zu werden. Der Traum von den Luftschiffen in der Cargo-Lifter-Halle war 2002/03 ausgeträumt. Das Unternehmen, für das viele Menschen in der Region Aktien gekauft hatten, schlitterte in die Insolvenz. Die Anteile waren ebenso futsch wie die Luftschiffe, die nie gebaut worden waren.
Ausgeträumt: Luftschiffe wurden in der großen Halle nie gebaut,
hier ein Modell aus dem Eingangsbereich des damaligen Besucherempfangs. Foto: Dörthe Ziemer
„Wir hatten Angst, dass die Halle leer bleibt und wir uns als Landkreis am Ende darum kümmern müssen“, erinnert sich Stephan Loge. Die größte freitragende Halle der Welt, in der die Freiheitsstatue von New York stehen, der Eiffelturm von Paris liegen oder neun Fußballfelder Platz finden könnten: Was sollte daraus werden? Schließlich kam Colin Au mit seiner Idee vom Tropenparadies auf den Baudezernenten zu und wollte, dass die Kreisverwaltung innerhalb eines viertel Jahres die Baugenehmigung erteilt. „Ich dachte damals ‚wer weiß, was so geht in Brandenburg‘“, erzählt Stephan Loge, den offenbar der Ehrgeiz gepackt hatte – „von wegen gescheiterte Projekte“.
Der Investor habe sich schließlich ein gutes Münchener Planungsbüro geholt und alle Unterlagen „in kürzester Zeit“ vorgelegt. „Wir hatten eigentlich auch keine Ahnung“, so der damalige Baudezernent, „meine Mitarbeiter haben sich das notwendige Wissen autodidaktisch erarbeitet.“ (Wie übrigens später auch beim fast gescheiterten Flughafen Berlin-Brandenburg, dessen Baugenehmigung ebenfalls Stephan Loge zu erteilen hatte – und kurz vor der eigentlich geplanten Eröffnung 2012 wegen Brandschutzmängeln versagte.) Im Juni 2003 kaufte Colin Au schließlich die Halle, als der Landkreis zugesagt hatte, „das mit der Baugenehmigung hinzukriegen“. „Der Bauherr ist viele Risiken eingegangen“, so Stephan Loge. Am 2. Februar habe die Baugenehmigung vorgelegen, am 19. Dezember fand die Eröffnung statt – mit den geschilderten Herausforderungen, dass es zu wenig Licht, zu wenig Wärme und zu viel Staub gab.
Zuvor waren 3.000 Ehrengäste geladen, die Eröffnung zu feiern. Miss Lausitz, der Fotograf und ich verließen gerade die dunkle Halle, als sich die Gäste an die Südsee zur großen Eröffnungsshow mit 90 Brasilianischen Tänzerinnen und Tänzern begaben. „Viva Brasil“ hieß die Show, die mit dem berühmten brasilianischen Karneval endete. Orientalischer Bauchtanz, brasilianische Samba, kenianischer Limbo-Dance und Hula aus Hawai waren fortan auf der großen Bühne in der Südsee zu erleben. Was kaum einer der VIP-Gäste bei der ersten Show wusste: dass die Bauabnahme erst wenige Stunden vorher erteilt worden war. Beinahe hätte das BER-Schicksal einer geplatzten Eröffnung gedroht. „20 Minuten vor Beginn der Show hatte die Verwaltung ihre Unterschrift gegeben“, erinnert sich Stephan Loge.
Das Kalkül des Unternehmens schien klar: Man wollte das Weihnachtsgeschäft nicht verpassen. Und das gelang: Am 30. Dezember 2004 musste Tropical Islands wegen Überfüllung schließen. Mittags war die maximale Kapazität von 7.000 Besuchern gleichzeitig erreicht. An der Autobahn wurden die anrollenden Autos zurückgewiesen, am Bahnhof Gutscheine für den nächsten Besuch verteilt und die Reisenden zurückgeschickt. Schon damals gab es 1.100 Strandliegen in der Halle – alle belegt, zumindest mit Handtüchern. So berichtete ich es für 20cent. Meine kleine Umfrage in der Halle ergab, dass die Besucher trotz des Ansturms zufrieden waren. „Es ist wie Urlaub hier“, sagte ein junges Pärchen, dem aber die Umkleidekabinen und Schränke zu wenig waren. Andere vermissten die Sonne, die durch die Membranen nicht hindurchkam. Da plante das Unternehmen bereits, über der Südsee vier sonnenlicht-durchlässige Membranen einzubauen.
Die Halle bekam einige Monate nach Eröffnung ichtdurchlässige Membranen.
Das brachte mehr Wärme in die Halle und mehr Licht für die Pflanzen. Foto: Dörthe Ziemer
Und die nächste Geschichte für die Zeitung bahnte sich an: die über wilde Partys in den Nachtstunden. Die kosteten ab 22 Uhr nämlich nur fünf Euro Eintritt. Am Strand liegen, Bier trinken, Musik hören, tanzen – der ideale Ort zum Abhängen am Wochenende und zum Partymachen. Sogar aus Sachsen und Elbe-Elster kamen die jungen Leute, eine Stunde Anfahrtsweg nahmen sie gern in Kauf. Das fiel irgendwann anderen Besuchern negativ auf. Der Nachttarif wurde auf zehn Euro angehoben, ab da wurde es ruhiger. Weil mich mein Arbeitsweg quasi am Tropen-Dome vorbeiführte, war ich regelmäßig für Umfragen vor Ort. Die Eindrücke waren vielfältig und gemischt – von positiv überrascht über die Hoffnung, dass das Unternehmen gelingen möge, bis hin zu Kritik an der noch immer kühlen Lufttemperatur, an dem noch sehr präsenten Betongrau und an nicht ausreichenden Liege- und Umkleidemöglichkeiten.
Das Unternehmen legte ständig nach. Ein umfangreicher Kinderbereich kam hinzu, der „Dschungel“ wurde ausgebaut und es kamen Flamingos und andere Tiere in die Halle. Weitere Attraktionen wie das große balinesische Tor, Ballonfahrten, Minigolf, Rutschen, ein Saunabereich, Zelte, weitere Gastronomie- und Showbereiche und schließlich die Außenbecken mit Wildwasserrutsche und die Übernachtungsmöglichkeiten in und außerhalb der Halle sollten die Aufenthaltsdauer verlängern. Mittlerweile verfügt der Standort mit einem eben eröffneten Hotel über 3.200 Betten. War die Sorge der einheimischen Touristiker anfangs groß, dass dieser Ausbau Übernachtungsgäste aus dem Spreewald abziehen könnte, drehte sich der Eindruck bald: Wer mehrere Tage ins Tropical Islands kommt, der besucht auch den Spreewald und umgekehrt. Außerdem werde durch so ein Schlechtwetterangebot die Saison verlängert, so die Erkenntnis der Branche recht bald nach dem Start.
Zu Ostern 2005 konnte ich für die Zeitung titeln: „Nach 100 Tagen scheint die Sonne“. Die lichtdurchlässige Membran brachte den erwünschten Effekt: Es wurde wärmer und sonniger in der Halle, die Pflanzen wuchsen, die Besucherzahlen entsprachen, so hieß es damals aus der Unternehmenskommunikation, den Erwartungen. In dieser Zeit wurden die Eintrittspreise immer wieder angepasst. 15 Euro für vier Stunden: Das war der Standardpreis am Anfang. Von gestaffelten Preisen je nach Tageszeit und Verweildauer ging es über mehrere Modelle bis zum heutigen Eintritt: knapp 50 Euro Standard-Eintritt für unbegrenzten Aufenthalt; Sauna und Attraktionen kosten extra. Auch hierbei ist das Kalkül klar: Der Freizeitpark soll überregional und international Gäste anziehen und sie eine Weile im Dome halten. Für einen Kurzurlaub kommt da schnell die Summe einer billigen Flugreise zusammen.
Im Sommer 2005 war zu vermelden, dass der malaysische Investor 3,2 Millionen Euro Verlust gemacht habe. Das sei einkalkuliert worden, sagte die Unternehmenssprecherin. Startschwierigkeiten wie die fehlenden sonnendurchlässigen Membranen hätten zu diesem Ergebnis geführt, erläuterte sie. Das hatte die Energiekosten in die Höhe getrieben. Der Tagesspiegel berichtete vor zwei Jahren, dass für den Betrieb des Freizeitbades ein Energiebedarf von 4.000 Haushalten pro Tag aufgewendet werden müsse. Die Besucherzahlen entsprächen den Erwartungen, beteuerte sie damals. Zwischen 1.500 und 9.000 Besucher kämen täglich. Ob damit aber 1,5 Millionen erreicht würden, wie für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderlich gewesen sein sollen, sagte sie nicht. Heute vermeldet das Unternehmen rund 1,2 Millionen Besucher im Jahr.
Wunderbar leer ist es im Tropical Islands nur zu Randzeiten. Foto: Dörthe Ziemer
Schon 1.000 Gäste täglich seien wirtschaftlich ein Gewinn für die Region, hieß es kurz nach dem Start des Freizeitparks aus dem Büro des Landrates. Auch für die Gemeinden, auf deren Gemarkung das Unternehmen stehe, ist Tropical Islands eine Einnahmequelle. Weil die Gemarkungsgrenze mitten durch den Dome geht, profitieren zwei Gemeinde- bzw. Amtskassen von der Gewerbesteuer. Und auch für den Arbeitsmarkt sei das Unternehmen ein Gewinn gewesen – gerade in der ersten Zeit, wie sich Stephan Loge erinnert. „Wir hatten damals eine Arbeitslosigkeit von acht bis neun Prozent“, sagt er. Da habe Tropical Islands viel Personal in der Region akquiriert. Rund 550 Mitarbeiter beschäftigt der Freizeitpark, und heute seien es zunehmend Menschen mit Migrationshintergrund, die dort arbeiten, so Stephan Loge, inzwischen Landrat im Ruhestand. Er habe später begriffen, sagt er, dass es zum Geschäftsmodell von Investoren wie Colin Au gehöre, so ein Unternehmen nach einer gewissen Zeit wieder zu verkaufen. So kam es dann auch: Tropical Islands wurde 2019 an die spanische Parques Reunidos Group verkauft.
Bei 9.000 Besuchern pro Tag dürfte ein absolutes Limit im Dome erreicht sein. Nicht nur als Journalistin war ich immer wieder im Tropical Islands, sondern auch privat mit der Familie. Hin und wieder bekamen wir von Bekannten von Mitarbeitern einen Gutschein für einen freien Eintritt zugeschoben. Denn einfach mal so zwischen 100 und 200 Euro für wenige Stunden berappen, das wollten wir ebenso wenig wie eine Übernachtung im Dome. Der Geräuschpegel in der großen Halle ist erheblich. Die Wege sind weit, die Lufttemperatur für Kinder in nassen Badesachen nicht eben zuträglich. Meist waren wir – natürlich – in der kalten Jahreszeit an Ferientagen vor Ort ist. Dann erlebten wir Indoor-Becken, in denen man vor Menschenmassen nicht schwimmen kann, und fanden – immer noch – kaum eine freie Liege. Die Versorgung im Fastfood-Bereich kann an solchen Tagen zum K(r)ampf werden – um den richtigen Platz in der Schlange für Nudeln oder für Pizza, um einen Platz am Tisch und um die Nerven der ganzen Familie…
Es gab aber auch die Zeiten, da die Jahreskarte erschwinglich war und ich quasi am Dome vorbei zur Arbeit pendelte. Nach Dienstende um 21 Uhr noch eine Schwimmeinheit zu nehmen – das war nur im Tropical Islands möglich. Und weil ich immer noch so nah dran wohne, gönne ich mir auch heute noch hin und wieder einen Vormittag in der Südsee – an meinem Geburtstag nämlich. Da ist der Eintritt frei und ich fröne meiner sportlichen Leidenschaft und meiner journalistischen Neugier. Beim letzten Mal schien die Sonne durch die Membran, es war warm, ruhig und herrlich im Wasser. Auf meiner Bahn, ganz hinten vor der blauen Himmelswand, schwammen vier ältere Damen hin und her und schwatzen fröhlich miteinander. Sie kommen mehrmals pro Woche aus dem Nachbardorf zum Schwimmen unter Palmen, erzählten sie. Für sie steht der Freizeitpark ebenso unverrückbar im märkischen Sand wie für die über eine Million Besucher jedes Jahr.
Hinweis:
Tropical Islands hat auf unsere Fragen zum Energie- und Wasserverbrauch nicht geantwortet, ebenso wenig wie auf die Fragen nach Besucherzahlen und -herkünften sowie zur Mitarbeiterstruktur.