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Hinterm Zaun

Die neue Flüchtlingsunterkunft in Lübben ist mit einem Tag der offenen Tür in den Betrieb gestartet. Fast 300 Menschen haben sich am Samstag die schlichten, kühl wirkenden Räume angesehen. Vielleicht hilft das auch beim Abkühlen der Emotionen.

 

Von Dörthe Ziemer

 

Ein Bett, ein Stuhl, ein halber Tisch. Dazu ein Kleiderschrank und ein halber Kühlschrank. Tasse, Teller, Besteck, Töpfe. Auf dem langen Flur zwei Gemeinschaftsküchen mit je drei bis vier Herden. WCs, Duschen, Waschbecken - dicht beieinander wie im Ferienlager. Das Wichtigste, was man zum Leben braucht, aber auch nicht mehr. Rund 100 Plätze hat die neue Unterkunft in der Lübbener Parkstraße. Die Zweibettzimmer sind gerade so breit, dass ein Meter Platz zwischen den Betten ist, ohne Nachttisch. Familienzimmer sind doppelt so groß. Darin wurde einfach eine Wand zwischen zwei Zimmern entfernt. Die “Naht” zwischen den Modulen ist durch Gewebeband verschlossen. Die Aufenthaltsräume wiederum haben die Größe eines Zweierzimmers: ein Tisch, sechs Stühle und ein Kindertisch mit bunten Stühlchen, erstes Spielzeug. Platz zum Toben ist darin nicht. 

 

Es ist offenbar, dass alles ein Provisorium ist - sowohl für die Bewohner als auch für den Betreiber und Grundstückseigentümer. Gegen die Unterkunft gab es massive Proteste in Lübben - Schmierereien an Wänden, Drohungen gegen den Grundstückseigentümer, fremdenfeindliche Flyer. Eine Bürgerinitiative (BI) hat sich eigens dagegen gegründet - mit Unterstützung der AfD. Die BI ist mit dem Namen “Unser Lübben - Wir wollen kein Containerdörfer” gestartet. Heute nennt sie sich nur noch “Unser Lübben” und ist im Sommer mit drei Mitgliedern in die Lübbener Stadtverordnetenversammlung eingezogen. Ihre Fraktionsvorsitzende Nancy Schendlinger ist eine der ersten, die den Tag der offenen Tür nutzen, um sich vor Ort ein Bild zu machen.

 Die eingeschossigen Bauten der neuen Geflüchtetenunterkunft in Lübben. Foto: Dörthe Ziemer

Die eingeschossigen Bauten der neuen Geflüchtetenunterkunft in Lübben. Foto: Dörthe Ziemer

 

In Gruppen von etwa 20 Personen werden Interessierte durch die Einrichtung geführt. Immer wieder sammeln sich Menschentrauben vor dem großen, gelben Zaun und warten auf Einlass durch den Sicherheitsdienst, der an diesem Standort - anders also anderswo - 24 Stunden im Dienst ist. 140 Neugierige sind es bis Mittag, insgesamt kommen an diesem Tag doppelt so viele Besucher. “Fotografieren und Filmen verboten” steht am Zaun. Eine Frau kommentiert das Schild: “Dann kann ich ja gar nicht dokumentieren, wofür meine Steuergelder ausgegeben werden.” Viele sind mit dem Fahrrad aus den umliegenden Wohngebieten gekommen, aber auch Stadtverordnete und Kreistagsabgeordnete sind dabei. Ein paar Autos parken direkt vor dem Eingang.

 

Betrieben wird die Einrichtung vom Diakonischen Werk Elbe-Elster, das bereits die Gemeinschaftsunterkunft in der Jahnstraße betreut. Die Heimleitung und Mitarbeiter sind vor Ort, aber auch Mitarbeiter der Kreisverwaltung führen die Besucher durchs Haus und beantworten Fragen. Ob es tatsächlich ein Catering gebe, möchte eine Frau wissen, sie habe das in einem Artikel gelesen. Nein - die Bewohner kochen selbst, lautet die Antwort. Die Frau hakt nach, weil es doch in dem Artikel so gestanden habe. Vor Ort kann sie sich eine Vorstellung davon machen, wie das Kochen funktioniert zwischen Kühlschrank und Tisch im Zimmer und Herd sowie Spüle in der Küche. Dass kein Platz für eine Essenausgabe eines Caterers ist und dass es Spülen statt Geschirrspüler gibt. Jemand anderes fragt, ob die Bewohner selbst putzen. Die Putzpläne an den Türen geben die Antwort, obgleich es auch Putzkräfte für Flure und Gemeinschaftsräume gebe, wie die Heimleitung erläutert.

 

 Die neue Unterkunft in der Lübbener Parkstraße. Foto: Dörthe Ziemer

Die neue Unterkunft in der Lübbener Parkstraße. Foto: Dörthe Ziemer

 

Wie lange die Ankommenden schon in Deutschland sind und woher sie kommen, möchten andere Besucher wissen. Das sei erst kurz vor der Ankunft bekannt, heißt es. Manche Menschen haben da schon länger in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt gelebt, andere werden kurz nach ihrer Ankunft einer Einrichtung zugewiesen. Wieder andere ziehen aus weiteren Unterkünften im Landkreis nach Lübben, weil von dort die Arbeit näher zu erreichen ist oder Kita- und Schulplätze vorhanden sind. Manchmal müssen Menschen aus unterschiedlichen Nationen und manchmal auch aus einer Familie getrennt werden. Dazu biete die neue Einrichtung die notwendige Flexibilität, erklärt die Migrationsbeauftragte des Landkreises Antje Jahn. Selten seien die Einrichtungen voll belegt, darauf verwies der Sozialdezernent des Landkreises Stefan Wichary bereits mehrfach. “Zu Jahresbeginn bekommen wir das Aufnahmesoll vom Land mitgeteilt, danach planen wir”, sagt Antje Jahn. Dass es im Jahresverlauf gesenkt wurde, mache die Einrichtung mitnichten überflüssig, erläutert sie. Denn anderswo kommen Einrichtungen an ihre Grenzen oder es laufen Mietverträge aus.

 

Am Ende des Rundganges gibt es Kaffee, Kuchen und frische Crepes. Doch weder Bewohner, die noch gar nicht da sind, noch der Betreiber sind dafür verantwortlich. Petra Doll aus Lübben hat sich bei der Diakonie gemeldet, um zu helfen. Warum sie das mache, wird sie an diesem Vormittag auch von Besuchern gefragt. “Ich möchte mich einbringen und etwas zurückgeben an die Gesellschaft”, sagt sie, auch wenn das ihrer Meinung nach etwas geschwollen klinge. Sie sei froh, dass sie in einem Land wie Deutschland lebe - sie habe nichts dazu beigetragen, dass sie hier auf die Welt gekommen sei und eben nicht in Syrien oder dem Irak. “Wir als Gesellschaft haben hier eine Aufgabe zu bewerkstelligen, und Demokratie lebt vom Mitmachen”, ist sie überzeugt. Ihr zur Seite hat sich spontan die Lübbenerin Karen Ascher gesellt - als der Andrang am Crepe-Eisen zu groß wurde.

 Crêpes und Kaffee: Petra Doll (r.) und Karen Ascher haben sich zum Helfen gemeldet. Foto: Dörthe Ziemer

Crêpes und Kaffee: Petra Doll (r.) und Karen Ascher haben sich zum Helfen gemeldet. Foto: Dörthe Ziemer

 

Und so endet die Führung mit einer kleinen, gemütlichen Kaffeepause, die gleich zur Kontaktbörse wird. Manuela ist Sozialarbeiterin an einer Oberschule und möchte sich anschauen, wie die Menschen - vielleicht auch künftige Schüler - untergebracht sind. “Und ich möchte es meinen Schülern erklären”, sagt sie. Gerüchte machten die Runde, dass nun “Massenvergewaltigungen” in Lübben anstünden. “Da möchte ich aufklären und vorbeugen”, so die Sozialarbeiterin, die nicht ihren vollständigen Namen nennen möchte. Sie hat ihre Tochter mitgebracht, um auch ihr “einen Eindruck zu vermitteln, was sich hinter den Türen hier verbirgt”. An einem Tisch sitzen vier Menschen, offenbar Nachbarn ganz aus der Nähe. Sie möchten ihren Namen gar nicht irgendwo lesen. “Wir waren interessiert, was die Bewohner hier erwartet”, sagen sie. Ihr Eindruck: Es sei hell und sauber. “Hoffentlich halten sie es sauber”, setzt eine Frau hinterher. “Es ist ein ansprechendes Zuhause, sie müssen nicht auf der Straße leben”, sagt eine andere. Beide hoffen, “dass es keine Probleme gibt”.

 

Erfahrung in der Arbeit mit Geflüchteten hat Galina Forot. Die Russin lebt schon lange in Deutschland und war bei der Diakonie bereits in mehreren Migrationsprojekten tätig. Aktuell arbeitet sie für das Projekt “Brückenbau” in Luckau und begleitet ukrainische Familien im Alltag. “Ich wollte mal schauen, wie andere Menschen wohnen”, begründet sie ihr Kommen an diesem Samstagvormittag. Wenn die Menschen ankommen, gelte es für beide Seiten, aktiv zu werden, damit die Integration gelinge. “Man muss die Sprache lernen, sich Mühe geben”, sagt sie. “Andersherum müssen wir Verständnis haben, wenn wir etwas nicht gleich verstehen.” Galina Forot spricht neben ihrer Muttersprache und Deutsch aućh ein wenig Persisch, Arabisch und Kurdisch, um mit ihren Klienten zu kommunizieren. Außerdem macht sie Sport mit Kindern aus verschiedenen Ländern. Sport sei immer ein gutes Mittel, um in Kontakt zu kommen, findet sie.

 

 Isabell Westphal von der Diakonie Elbe-Elster ist für die Geflüchteten zuständig und freut sich über Helfer. Foto: Dörthe Ziemer

Isabell Westphal von der Diakonie Elbe-Elster ist für die Geflüchteten zuständig und freut sich über Helfer. Foto: Dörthe Ziemer

 

Wer den nun neu nach Lübben kommenden Menschen helfen möchte, der kann jederzeit Isabell Westphal von der Diakonie Elbe-Elster ansprechen. Sie ist als Sozialarbeiterin für die Betreuung der Geflüchteten in der neuen Einrichtung zuständig und vor Ort erreichbar. Sie freut sich über den Zuspruch zum Tag der offenen Tür und die Fragen, die an diesem Tag gestellt werden. “Das entkräftet doch manches von dem, was im Raum steht”, sagt sie. Hilfe nimmt sie gern an. Derzeit werde vor allem Spielzeug - Brettspiele, Kuscheltiere - gebraucht, denn es komme als erstes eine Familie an. Die Grundausstattung sei da, auch Kleidung hätten die Menschen meist dabei, sagt sie. Gern gesehen ist auch Unterstützung bei der Begleitung der neuen Bewohner, beim Deutschlernen oder einfach beim Spielen. Petra Doll und Karen Ascher haben sich zwischen Kaffeetassen und Papptellern bereits verabredet, um vor Ort Kreativangebote zu machen.

 

INFO

  • Betreiber der neuen Gemeinschaftsunterkunft ist das Diakonische Werk Elbe-Elster. Informationen und Ansprechpartner gibt es unter diesem Link.

  • Von Januar bis September wurden insgesamt 688 geflüchtete Menschen im Landkreis Dahme-Spreewald neu untergebracht, das Aufnahmesoll für 2024 liegt bei 1.062 Personen. 

  • Insgesamt leben mit Stand 30. September 1.977 Menschen in Gemeinschaftsunterkünften, davon 1.408 Personen nach Asylbewerberleistungsgesetz. 569 Personen haben bereits einen Aufenthaltstitel und müssten in eine eigene Wohnung umziehen.

  • In den Schulen von Dahme-Spreewald sind 4,5 Prozent aller Kinder (genau 838) so genannte fremdsprachige Schüler. 631 gehen in die Grundschule, 89 lernen an Oberschulen, 60 an Gesamtschulen, 30 an Gymnasien und je 14 an eine Förder- bzw. Schule des Zweiten Bildungswegs. 

  • Von den 2.393 arbeitslosen Menschen im Landkreis sind 715 Ausländer, darunter 31 Prozent Ukrainer, 11 Prozent Afghanen, 15 Prozent Syrer und 43 Prozent gehören anderen Nationen an.

     

Weitere Informationen

Veröffentlichung

So, 24. November 2024

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