- Die Saison 2022 war mit 521 Waldbränden und einer geschädigten Waldfläche von 1.425,50 Hektar ein Ausnahmejahr, heißt es im aktuellen Waldbrandbericht der Landesregierung.
- Acht Brände waren größer als 10 Hektar (entspricht Großschadensereignis), davon vier größer als 100 Hektar.
- 30 von insgesamt 38 Waldbränden seit 2010, die mindestens als Großschadensereignis geführt wurden, entfallen auf die Jahre 2018 bis 2022. Bei diesen reichen die Ressourcen der örtlichen Träger des Brand- und Katastrophenschutzes nicht mehr aus.
- Am 18. Juni 2022 wurde der erste Katastrophenfall aufgrund eines Waldbrandes im Land Brandenburg seit der Wiedervereinigung festgestellt (Waldbrand bei Treuenbrietzen, Ortsteil Frohnsdorf).
- Bei fünf Bränden, darunter in der Lieberoser Heide, waren munitionsbelastete Flächen betroffen. Knapp 300.000 Hektar Land zählen in Brandenburg als Kampfmittelverdachtsfläche.
- Bei vier dieser Bränden (darunter nicht die Lieberoser Heide) waren Ortschaften bedroht, und es musste evakuiert werden.
Vor diesem Hintergrund müsse beim Thema Vegetationsbrände vieles neu gedacht werden, fordert Norman Barth von der Landesschule und Technischen Einrichtung für Brand- und Katastrophenschutz des Landes Brandenburg. Das reicht von strategischen Fragen zwischen Angriff und Verteidigung gegen das Feuer über detailliertere Wetterprognosen inklusive lokaler Winde und den Vergleich von Wind- und Ausbreitungsgeschwindigkeiten des Feuers bis hin zu Koordinationsfragen, wenn sich mehrere auswärtige Einsatzgruppen mit je eigenem Gerät abwechseln.
Feuerwehrleute sprechen inzwischen von den dirty thirty – den schmuztigen 30, bei denen sie „den Alarm schon kommen sehen“: Hochdrucklagen mit Dürreperioden und vielen heißen Tage (über 30 Grad), geringe Luftfeuchtigkeit (unter 30%) und hohen Windgeschwindigkeiten (über 30 km/h). Plötzlich aufkommende Winde seien echte Brandbeschleuniger.
Besondere Herausforderungen im Landkreis Dahme-Spreewald ergeben sich aus der Wildnisfläche in der Lieberoser Heide. Wo Totholz liegen bleiben darf, Moore besonders gut Glutnester halten und Zuwegungen kaum vorhanden sind, stellt sich die Frage nach dem Brandschutz noch einmal ganz anders. Grundsätzlich gelte, so Norman Barth, dass Monokulturen sind eher anfällig für Brände seien. Sie würden durch Trockenheit, Stürme und Insekten beeinträchtigt, was zu einer Zunahme von Totholz und somit zündfähigen Brennmaterials führe.
Ein weiteres Problem seien Siedlungs- und Verkehrsflächen in unmittelbarer Nähe zu Wald und landwirtschaftlichen Flächen – man dürfe nicht nur an Wald- sondern müsse auch an Getreidebrände denken. Hier seien breite vegetationsfreie Streifen notwendig. Latente künstliche Brandbrücken zum Siedlungsbereich stellen beispielsweise Koniferenhecken oder Holzhütten auf Wohngrundstücken dar.
Schwierig sei die Brandbekämpfung in der Region vor allem auf ehemaligen Truppenübungs- bzw. Kriegsschauplätzen wie dem Kessel von Halbe. Nicht zu vergessen seien geotechnische Sperrflächen in der Braunkohlefolgelandschaft. Das sind Flächen ehemaliger Tagebaue, die auch Einsatzkräfte wegen der Rutschungsgefahr nicht betreten dürfen.
Waldbrandbekämpfung neu zu denken, bedeute daher aus Sicht von Norman Barth auch, die taktischen Ziele zu überdenken: „weg vom Angriff hin zur Verteidigung“. Man müsse schauen, wo man welche Kräfte konzentriert. „Dazu gehört, das Feuer auch mal Feuer sein zu lassen, dafür Siedlungsflächen zu schützen.“ Zudem müssten sich Feuerwehrleute und Katastrophenschützer intensiver mit Wetterprognosen auseinandersetzen. Um lokale Winde zu erfassen, seien bessere Daten notwendig. Vier der fünf großen Waldbrände (s.o.) hätten extreme Ausbreitungsgeschwindigkeiten gehabt.
Die Gefahrenabwehr muss stärker interdisziplinär werden, so eine weitere Schlussfolgerung aus dem vergangenen Jahr. „Wir hatten sehr dynamische Einsatzlagen mit Ressourcen aus der Bundeswehr und der Polizei. Da braucht es ein verändertes Rollenverständnis der Führungskräfte“, sagt Norman Barth. Es bedürfe nicht nur einer Führung, sondern verschiedenen Abschnittsführungen, ein Denken in Prozessketten und geordnete Schichtübergaben, damit kein aktuelles Wissen verlorengehe. „Hier lässt sich auch die Effizienz steigern: Es kann nicht sein, dass eine Einheit all ihr Gerät einpacken muss, wenn die nächste mit ihrem eigenen kommt.“
Schließlich müsse auch das Vorsorge- und Sicherheitsbewusstsein in der Bevölkerung wachsen: So sollten Hausbesitzer trockene Nadelstreu aus der Dachrinne entfernen und kein Holz am Haus lagern. Campingplätze mit lediglich einer Zufahrt seien schwer zu evakuieren. Auch die schon länger diskutierte Frage nach Haupt- und Ehrenamt stelle sich: „Wann können ehrenamtliche Kräfte durch hauptamtliche ausgetauscht werden?“, fragt Norman Barth.
Vor dem Hintergrund der zahlreichen und teilweise katastrophenähnlichen Waldbrände in den immer trockener werdenden Sommern war das Thema Vegetationsbrände der Schwerpunkt beim diesjährigen Treffen des Netzwerks Bevölkerungsschutz. Knapp 200 Feuerwehrleute, Helfer, Verwaltungsmitarbeiter, Bundeswehrangehörige, Notfallseelsorger und weitere Akteure des Bevölkerungsschutzes aus neun Bundesländern tauschten Ende April an der Technischen Hochschule Wildau ihre Erfahrungen rund um den Bevölkerungsschutz bei Vegetationsbränden aus.
Dörthe Ziemer