Ein Lehrer im Ruhestand begann seine Frage mit den Worten „Dieses Schulsystem ist zum Grausen” und erntete viel Applaus. Die heutigen Prüfungen seien mit älteren nicht zu vergleichen und schon gar nicht mit jenen aus DDR-Zeiten, stellte er fest. Das Niveau sinke ständig. Der Lehrermangel gehe so weit, dass an seiner alten Schule “nicht eine Stunde Physik im vergangenen Jahr” unterrichtet worden sei. „Integration und Inklusion klappen nicht. Außerdem gibt es einen Run auf Gymnasien, doch dort gehören längst nicht alle Schüler hin. Wie kommen wir aus diesem Dilemma raus?”, wollte er wissen.
„Integration und Inklusion klappen nicht. Außerdem gibt es einen Run auf Gymnasien, doch dort gehören längst nicht alle Schüler hin. Wie kommen wir aus diesem Dilemma raus?”
Lehrer im Ruhestand
Auf diese Frage folgte sowohl von Ministerpräsident Dietmar Woidke als auch von Bildungsministerin Britta Ernst zunächst die Gegenfrage, ob der Lehrer im Ruhestand nicht Lust hätte, wieder in den Schuldienst einzutreten. Es folgte eine Aufzählung dessen, was bereits getan wird, um mehr Lehrer an die Schulen zu bekommen: Erhöhung der Ausbildungskapazitäten an der Universität Potsdam von 650 auf 1.100 Plätze, Einrichtung einer Bachelor-Ausbildung für Grundschullehrer an der BTU Cottbus-Senftenberg am Standort Senftenberg. Aber: „Wir brauchen junge Menschen, die Lehrer werden wollen”, sagte Dietmar Woidke. Dafür seien die Lehrer selbst die wichtigsten Vorbilder. Wichtig sei auch das Lehrer-Bild, das in die Öffentlichkeit transportiert werde.
Bildungsministerin Britta Ernst verteidigt, dass viele junge Menschen den Wunsch hätten, Abitur zu machen. Man wisse nicht, welche Anforderungen die Berufswelt in 50 Jahren stelle, daher sei es legitim, den bestmöglichen Abschluss anzustreben, sagte sie. „Aber man muss nicht unbedingt studieren. Da findet auch durch Kampagnen der Handwerkskammer und auch durch die Pandemie ein Umdenken statt, hin zur Frage: Welche Arbeit brauchen wir?”, erklärte sie. Der Lehrermangel sei ein „demografisches Problem großen Ausmaßes”. Es gebe überall Fachkräftemangel. An Schrauben wie Lehrerstunden hochzufahren oder die Begrenzung von Altersteilzeit oder Teilzeit wolle sie jedoch nicht drehen.
Zusätzlich zu erhöhten Ausbildungskapazitäten sollen 200 Lehrerstellen in schulische Assistenzen umgewandelt werden, um Lehrer und Schulsozialarbeiter zu entlasten - vor allem an Schulen, wo viele Seiteneinsteiger und viele Schüler aus benachteiligten Familien seien. „Das Ziel ist es, die Stundentafel überall zu unterrichten, deshalb müssen wir sehr unangenehme Entscheidungen treffen”, schloss sie. Marianne Kranisch, Lehrerin am Luckauer Bohnstedt-Gymnasium, wollte wissen, was in puncto Klassengrößen auf die Schulen zukomme. Der so genannte Klassenteiler, also jene Schülerzahl, ab der Klassen geteilt werden, werde „nicht verändert, sondern strenger ausgelegt”, kündigte die Ministerin an. Derzeit liegt diese Zahl in Grundschulen und der Sekundarstufe 1 bei 28, in weiterführenden Schulen bei 31, wie aus der entsprechenden Verwaltungsvorschrift hervorgeht.
Ob nicht die musische Bildung, wie sie beispielsweise an der Niederlausitzer Kunst- und Musikschule umgesetzt werde, nicht beim Bildungs- statt beim Kultusministerium angesiedelt werden könnte, wollte Schulleiterin Martina Moriabadi wissen. Werde musische Bildung als Kultur betrachtet, falle sie schnell in den Bereich der freiwilligen Aufgaben von Kommunen. Das ziehe eine nur projektweise und somit unstete Finanzierung bei vielen Projekten nach sich. Die Frage der Zuständigkeit zu überdenken, nehme er gern als Anregung mit, sagte der Ministerpräsident.