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Wo der Wind im Dorf weht

Die zweite WOhnzimmer-Runde drehte sich um Entscheidungsprozesse in der Kommunalpolitik, etwa zum Thema Wind- und Solarenergie. Klar wurde: Ohne Kommunikation und Beteiligung geht gar nichts, aber auch nicht ohne Kompromisse.

 

Von Birgit Mittwoch

 

Diese Tür führte einmal in eine Kneipe. In die des gut 100-jährigen Bahnhofs von Groß Köris. Hier wurden jahrelang viele Dinge an Stammtischen verhandelt, bei Bier und Korn rege diskutiert. An diesem Donnerstagabend wird der alte Schankraum ein bisschen wiederbelebt – als Gesprächsort über Kommunalpolitik. Gut ein Dutzend Männer und Frauen haben es sich auf den ehemaligen Kneipenstühlen und in einer Sofaecke bequem gemacht, an der Wand steht noch ein Klavier, es gibt alkoholfreies Bier, Limo und belegte Brötchen. Zum WOhnzimmer-Talk eingeladen hat das Online-Magazin Wokreisel. Gekommen sind drei kommunalpolitisch Engagierte und einige Neugierige. „Wie lassen sich Entscheidungsprozesse vor Ort gestalten, wie gelingt ein guter Dialog in den Gemeinden, was können Kommunen überhaupt entscheiden?“, fragt Moderatorin Dörthe Ziemer.

 

Das WOhnzimmer in Groß Köris zum Nachhören (Ton: Micha Zoschenz, Grafik: Karen Ascher)

 

Uwe Vogt, Ortsvorsteher in Gießmannsdorf ist eher zufällig in der Kommunalpolitik gelandet, angeregt durch sein Engagement für Tarifgespräche, erzählt er. Erst war er im Ortsbeirat, dann Ortsvorsteher, jetzt ist er auch Stadtverordneter von Luckau für die Wählervereinigung Luckau-Land und Sachkundiger Einwohner im Kreistag für die Unabhängige Bürgerliste (UBL). Sabine Hoffmann kommt aus Schönwald, ist dort Mitglied in der Gemeindevertretung. Mit Gleichgesinnten hat sie die Wählergemeinschaft „Jugend, Familie, Zukunft“ gebildet und „siehe da, schon waren wir drin im Gemeinderat“: mit mehr als 20 Prozent der Stimmen und zwei Sitzen bei der letzten Kommunalwahl. Eher ungeplant ist die dritte zum Talk Eingeladene in die Lokalpolitik „reingerutscht“. Christina Weidanz aus Halbe wehte der „Wind von rechts“ im Streit um einen Windpark in ihrer Gemeinde zu stark um die Ohren. Sie wollte zeigen: „Es gibt noch andere demokratisch Engagierte hier bei uns. Wir wollen fundierte Informationen zum Windpark und uns nicht nur von der AfD beschallen lassen“. Bei der letzten Kommunalwahl hat es ein Mitglied ihrer Wählergruppe „Gemeinsam für Halbe“ in die Gemeindevertretung geschafft.

 

Das WOhnzimmer im Bahnhof Groß Köris. Foto: Birgit MittwochDas WOhnzimmer im Bahnhof Groß Köris.

Das WOhnzimmer im Bahnhof Groß Köris. Foto: Birgit Mittwoch Fotos: Birgit Mittwoch

 

Wie schwer ist es, strittige globale Themen lokal an die Einwohner zu bringen? Zum Beispiel die Sache mit den Windrädern*. Was ist da eigentlich der Bürgerwille? Moderatorin Dörthe Ziemer reicht ihre Fragen an die drei Kommunalpolitiker weiter.

 

Für Christina Weidanz ist dieses Thema sehr aktuell und sehr komplex. Viele Einwohner von Halbe wollen den Windpark (34 Windkraftanlagen im Naturpark Dahme-Heidesee) absolut nicht, meint sie. In der Vergangenheit sei es leider versäumt worden, sich mit Pro und Contra auseinanderzusetzen. Der alte Bürgermeister habe eine Bürgerbeteiligung abgewiesen und damit viel Vertrauen verspielt. Ein sachlicher Austausch sei seitdem schwer möglich, beklagt die 36-Jährige. Mehrfach seien auch Briefe mit „unschönen Inhalten“ in Briefkästen der Befürworter gelandet. „Eine Bürgerbefragung ist jetzt unvermeidlich und wir haben diese auf unserer letzten GV-Sitzung auch beschlossen,“ so die Kommunalpolitikerin. Es sei ein sehr emotionales Thema, das jetzt mit sachlichen Infos gefüllt werden soll.

 

Solche Emotionen müsse man von vornherein herausnehmen und mit den Windenergiefirmen über die Vorteile für die Kommunen verhandeln, meint Uwe Vogt. In seiner Gemeinde, Gießmannsdorf, habe das bisher gut geklappt. Mit dem Windkraftbetreiber wurde über die Standorte beraten, denn: „Wir wollen bestimmen, wo die Räder stehen.“ Gießmannsdorf, einer von sieben Ortsteilen von Luckau, habe gemeinsam mit der Stadt auch über eine Koppelung der Windenergie mit einen Nahwärmenetz beraten, zum Nutzen der Kommune. In großen Warmwasserspeichern könnte nicht nur in Gießmannsdorf, sondern auch in anderen Ortsteilen mittels überschüssiger Windenergie preisgünstig Wasser erhitzt werden. Über Leitungen würde das dann zu den einzelnen Grundstücken fließen. Ein Umbau der Heizungsanlagen in den Häusern sei nicht nötig, meint der Ingenieur. Das Wasser würde mit einer Temperatur von 50 Grad per Leitung „geliefert“. Beispiele dafür gebe es bereits. „Wenn das klappt, dann ist das eine hervorragende Geschichte und zeigt wie eine Bürgerbeteiligung direkt möglich ist“, so der 60-Jährige.

 

In Waldow, einem Ortsteil von Schönwald, gibt es bereits seit langem Windräder, erzählt Gemeindevertreterin Sabine Hoffmann. Jetzt gehe es in ihrer Kommune um einen Solarpark. Dieser soll in der Nähe vom Ortsteil Waldow entstehen. „Wir bekommen immer nur das Negative“, zitiert sie viele Einwohner aus Waldow. Die schönen Sachen wie Kita, Hort, Verwaltung seien nur in der „Hauptstadt“ sprich Schönwald, fasst Sabine Hoffmann die Stimmung in der Teilgemeinde zusammen. Drei Einwohnerversammlungen waren nötig, um den Gegenwind zum Solarpark zu minimieren. Jetzt sind viele Ideen der Bewohner in die Planung eingeflossen: Die Solarzellen auf dem Feld sind jetzt 800 Meter und nicht nur 200 Meter von der Wohnbebauung entfernt, die Solar-Fläche wird kleiner ausfallen als ursprünglich geplant, eine Hecke wird gepflanzt, der Hundegassi-Weg bleibt erhalten, auch die Zufahrten für Trecker. 

 

Sicher gebe es auch jetzt noch einige Einwohner, die den Kommunalpolitikern vorwerfen: „Ihr habt euch kaufen lassen“, berichtet Sabine Hoffmann. „Wir sagen denen ganz klar, warum wir für den Solarpark sind, u.a. deswegen, weil diese Fläche für die Landwirtschaft nicht geeignet ist, auf Grund eines schlechten Bodenrichtwertes und auch weil zu viel Wind der Boden abträgt. Warum dann keine Solarenergie?“, sagt die ehemalige Lehrerin. Am Ende gehe es auch immer um einen Kompromiss, für den sich beide Seiten aufeinander zubewegen müssten. Wo liegt der Nutzen für die Gemeinde? Eine Idee: vielleicht in einer Beteiligung am Energieunternehmen in Form von Aktien. 

 

Grafik: Karen Ascher

Grafik: Karen Ascher

Grafik: Karen Ascher

 

Woher aber bekommen ehrenamtliche Lokalpolitiker ihr Wissen um kommunale Prozesse, um Paragrafen in Baugesetzbüchern, der Kommunalverfassung, Zuständigkeiten? Dörthe Ziemer, auch Organisatorin des WOhnzimer-Talks, kennt aus ihrer journalistischen Arbeit diese Schwierigkeiten und fragt in die Runde.

 

Das ist eigentlich wie ein Nebenjob, meint Christina Weidanz aus Halbe, hauptberuflich als Bezugstherapeutin im Landkreis tätig. Sie hat sich stetig in die Lokalpolitik eingearbeitet, war oft bei Gemeindevertreter-Sitzungen, hat „alte Hasen“ in der Kommunalpolitik befragt, sich Netzwerke aufgebaut. Uwe Vogt, dem Ortsvorsteher aus Gießmansdorf, hilft seine Funktion in der Stadtverordnetenversammlung. Dort habe er erfahren, wie man „die Decke nach oben durchstößt.“ Jetzt weiß er besser, wer die richtigen Ansprechpartner sind, kann auf vorhandene Netzwerke zugreifen, nutzt auch Kontakte zu Bundestagsabgeordneten. Mitunter ist das ein „Hauen und Stechen mit dem Landkreis“, erinnert er sich an seinen Kampf um die 30km/h Zone vor der Kita. „Wir haben letztlich diese Zone bekommen“, freut sich der ehemalige Berufssoldat.

 

Auch Sabine Hoffmann weiß, „um etwas durchzusetzen muss man eben manchmal penetrant sein und treten, treten, treten“. Sie nutzt Kontakte ihrer bunten Wählergruppe „Jugend, Familie, Zukunft“ in verschiedenste Parteigremien, setzt aber auch auf Bürgerbeteiligung. „Man muss einen gemeinsamen Nenner finden, z.B. mit unserem lebendigen Adventskalender, mit Pflanzentauschbörsen, mit Wählerstammtischen sprechen wir mittlerweile viele an, es gibt rund 30 Einwohner, die da gerne mitmachen“, so die ehemalige Lehrerin.

 

Grafik: Karen Ascher

Grafik: Karen Ascher

Grafik: Karen Ascher

Grafik: Karen Ascher

 

Wie werden kommunale Informationen am besten an den Mann oder die Frau gebracht? Moderatorin Dörthe Ziemer weiß, wie wichtig Medien für Kommunalpolitiker sind. 

 

Gießmannsdorf habe eine eigene Internetseite, sagt Ortvorsteher Uwe Vogt. Diese werde auch regelmäßig mit neuen Informationen gefüttert. Ebenfalls, so Vogt, „nutzen wir Facebook und pflegen Kontakte zu Lokalzeitungen“. Eine spezielle Dorf-App wünscht sich Sabine Hoffmann für Schönwald. Der Bürgermeister habe zwar eine Whatsapp-Gruppe gebildet, mit immerhin 200 Teilnehmern. Diese aber stetig zu betreuen, das übersteige oft seine Kräfte. „Ebenfalls finde ich Informationen in einfacher, klarer Sprache wichtig, in der man komplizierte Vorgänge in der Kommunalpolitik den Einwohnern einfach nahebringt. Das Amtsblatt hilft dabei nicht“, ist die 63-Jährige überzeugt. Christina Weidanz aus Halbe setzt auf ganz unterschiedliche, vor allem lokale Medien, hält aber nach wie vor auf dem Dorf auch den „Briefkasteneinwurf“ für wichtig. 

 

Das Fazit an diesem Abend für alle Beteiligten: Entscheidungen in der Kommunalpolitik sind oft schwierig und brauchen vor allem gute Information, Kommunikation und Bürgerbeteiligung, aber auch viele Kompromisse.

 

Grafik: Karen Ascher

Grafik: Karen Ascher

Grafik: Karen Ascher

Grafik: Karen Ascher

 

* Die rechtliche Situation bei den meisten aktuell verhandelten Investorenplänen für Windkraft ist die, dass Windkraftanlagen als priorisierte Bauvorhaben gelten und faktisch überall errichtet werden dürfen. Der Teilregionalplan Windenergie der Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald ist noch nicht in Kraft, weil das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ihn mit den fünf Urteilen im Jahr 2019 für unwirksam erklärt. 

Im zweiten Quartal 2025 soll nun der 2. Entwurf des Teilregionalplans ausgelegt werden. Der erste Planentwurf brachte 470 Stellungnahmen mit über 4.000 Einzeleinwänden, die geprüft und teils in den zweiten Entwurf eingearbeitet wurden. 

Es besteht also eine rechtliche Lücke, bis klar ist, wo sich bevorzugte Gebiete für Windenergie befinden. Deshalb stellt sich vielen Kommunen die Frage, ob mit den Investoren verhandelt wird, um neben verpflichtenden auch freiwillige Beteiligungen am Erlös zu erhalten und Projekte wie Nahwärmenetze gemeinsam umzusetzen, oder ob die Pläne gänzlich abgelehnt werden – und der Investor trotzdem bauen darf. Kommunen können außerdem über eigene Flächennutzungspläne bevorzugte Gebiete ausweisen, wie es die Stadt Luckau beispielsweise vorhat.


Nächste Termine:

12. Juni, 19 Uhr; Kornspeicher Straupitz

Lokalpolitik und Identität

Landleben ist von Traditionen und Ehrenamt geprägt. Wie wächst Heimatgefühl in Zeiten klammer Kassen? Gäste:

Manuel Pape (Gemeindevertreter, Ehrenamtler)

Melanie Kossatz (Dorfbewegung Brandenburg)

Guido Medert (Stadtjournal Lieberose)

 

17. Juli, 19 Uhr; Weltladen Lübben

Lokalpolitik und Räume

Welche Räume gibt es für informellen Austausch und was brauchen sie? Welche Qualität haben Stadträume? Gäste:

Marlies Siegert (Weltladen)

Martin Liedtke (Pfarrer)

Sarah Benke-Åberg (Stadtverordnete)

 

Moderation: Dörthe Ziemer

 

   Anmeldung: Aufgrund teils beschränkter Platzkapazitäten bitten wir um Anmeldung unter diesem Link   

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Veröffentlichung

Di, 27. Mai 2025

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