Naturschutz und Wildniserleben mit Tradition, Kultur und der sorbischen/wendischen Sprache zu verbinden – dieses Ziel setzt sich die Naturwelt Lieberoser Heide. Ein zweisprachiger Comic macht den Anfang. Die Erwartungen sind groß.
Von Ingrid Hoberg
Gespannt lauschen Mädchen und Jungen der Kita „Spreewaldspatzen“ in Neu Zauche der Geschichte vom Wassermann – “Wódny muž”. Es ist Besuch gekommen: Heike Zettwitz, Beigeordnete und Dezernentin beim Landkreis Dahme-Spreewald, hat nicht nur die Vorstellung des landkreisübergreifenden Projekts übernommen, sie liest den Anfang der Sage auf Deutsch, Kita-Mitarbeiterin Isabell Hühn folgt mit Sorbisch/Wendisch. „Es begab sich einst im Spreewald, …“ Nach dem kurzen Vortrag halten die Kinder das Heft selbst in der Hand, können die Bilder betrachten, die Karen Ascher gestaltet hat – im Comic-Format. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet die Künstlerin freischaffend als Illustratorin, Malerin, Grafikerin, Gestalterin in Lübben. Auch die Texte stammen von ihr - angepasst an die Gegend rund um den Byhlener See und die Lieberoser Heide.
Für die Jüngsten ist es ein besonderer Tag, weil es mit den Besuchern noch ein Gruppenfoto gibt, draußen in der Frühlingssonne, die gerade noch dabei ist, den Schnee wegzutauen, der in der Nacht zuvor gefallen war. Dann geht der Kita-Alltag weiter, zu dem Sorbisch/Wendisch als Begegnungssprache für alle Kinder gehört. Wie Kita-Leiterin Manuela Urspruch berichtet, ist die Einrichtung in Neu Zauche die einzige mit diesem Angebot. „Eine 30-Stunden-Stelle wird vom Landkreis seit einigen Jahren gefördert“, merkt Annett Joppich vom Amt Lieberose/Oberspreewald an.
Gruppenbild vor der Kita "Spreewaldspatzen" in Neu Zauche mit Kita-Kindern und den Akteuren, die die Broschüre auf den Weg gebracht haben. Foto: Ingrid Hoberg
Mit Isabell Hühn und Maxi Jank gibt es auch Nachfolgerinnen, wenn Barbara Kreppel, die diese Tätigkeit seit 17 Jahren ausführt, in den Ruhestand geht. Etwa die Hälfte der Kinder nehme später am Witaj-Unterricht an den Schulen teil, so die Kita-Leiterin. Unterstützung gebe es für die Arbeit in der Kindereinrichtung auch von der Stiftung für das sorbische Volk. „Wir sind aktiv in Netzwerken dabei“, betont sie.
„Das Sorbische hat Tradition in der Region, zu der die Lieberoser Heide gehört, und wir möchten dabei die Orte in unserer schönen Natur einbinden, an denen die Sagen spielen“, sagt Gerhard Janßen, Geschäftsführer der Naturwelt Lieberoser Heide GmbH. Es werde mit Blick auf die Besucher der Region auch schon an weiteren Ideen, beispielsweise an zweisprachigen Audioangeboten zu Sagen in der Lieberoser Heide gearbeitet, fügt Dezernentin Heike Zettwitz an.
„Zusammen mit den Beauftragten für sorbische/wendische Angelegenheiten der Landkreise Dahme-Spreewald/Dubja-Błota, Sabrina Kuschy, und Spree-Neiße/Sprjewja-Nysa, Kerstin Kossack, haben wir nach neuen Formaten gesucht, um auch junge Menschen mit ausgewählten Sagen rund um die Natur ansprechen zu können und sind auf die Idee der zweisprachigen Comics gekommen“, sagt Dominik Rein, Projektleiter der Naturwelt Lieberoser Heide. Es sollen nach dem „Wassermann – Wódny muž” also weitere folgen. „Gern nehmen wir dazu auch Hinweise aus der Bevölkerung entgegen“, ergänzt er.
Der Comic vom "Wassermann" kommt an in der Kita "Spreewaldspatzen" in Neu Zauche gut an. Fotos: Ingrid Hoberg
Isabell Hühn und Barbara Kreppel berichten darüber, wie sie die sorbische/wendische Sprache und Bräuche in den Kita-Alltag einbeziehen.
Sabrina Kuschy unterstützt diese Idee, junge Menschen für die sorbische Sprache zu begeistern. Beim sorbischen/wendischen Literatur- und Musikfest am 24. Juni in Lübben auf der Schlossinsel gibt es beispielsweise einen Familiennachmittag und Konzerte mit jungen Bands. „Auch in der Niederlausitz sind tolle junge Bands zuhause“, schwärmt sie. Es gehe darum, das Sorbische deutlicher sichtbar zu machen. Das gelte nicht nur für Lübben, das bei der Zweisprachigkeit Vorreiter sei, sondern für die gesamte Region – beispielsweise mit „Sorbischen Impressionen“, einer kultursprachlichen Radroute, mit Sagenwanderungen, die die Niederlausitz mit der Oberlausitz als sorbisches/wendisches Gebiet vernetzen.
Als Sorbenbeauftragte steht Sabrina Kuschy in engem Kontakt zur Naturwelt Lieberoser Heide. „Wir arbeiten gut zusammen, bündeln unsere Ressourcen“, sagt sie. Starke Partner seien wichtig, das gelte auch für die kreisübergreifende Zusammenarbeit. Einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung der Region über Kreisgrenzen hinweg soll der Heideradweg in der Lieberoser Heide werden. Er verläuft über Wiesen und durch Wälder, wird in die größte Wüste Deutschlands führen – auf einer alten Bahntrasse vom Naturpark Schlaubetal bis zum Cottbuser Ostsee am Peitzer Ufer.
„Wir hoffen darauf, dass der Weg noch vor dem Sommer eröffnet werden kann“, sagt Dominik Rein. „Wir wollen die Wüste erlebbar machen.“ Es gehe jetzt noch um eine kleine Lückenschließung. „Weitere Projekte hängen von der Finanzierung ab“, unterstreicht Gerhard Janßen. Der Landkreis Dahme-Spreewald sei haushalterisch gut gewappnet. Nun komme es auf das Land an, wie stark die Lausitz als Strukturwandelregion unterstützt werde. Es sei der Scheideweg für weitere Aktivitäten, so Gerhardt Janßen. Vorbereitet würden derzeit beispielsweise die Erweiterung von Wildnisflächen und des Waldbrandschutzes.
Als einen Höhepunkt in der Saison soll es auch in diesem Jahr wieder ein Sommerfest der Lieberoser Heide geben. Der Termin 13. August kann schon bei Vereinen, Initiativen, lokalen Produzenten und Händlern vorgemerkt werden, so die Information der Naturwelt Lieberoser Heide GmbH.
Einer der Akteure war im vergangenen Jahr der Förderverein Nationalpark Lieberoser Heide, der 2023 auf eine 20-jährige ehrenamtliche Tätigkeit zurückblicken kann. Kritisch sieht die Landtagsabgeordnete und langjährige Vereinsvorsitzende Isabell Hiekel allerdings die bisherige Zusammenarbeit. Der Verein fühlt sich nicht einbezogen. „Einmal im Jahr ein Sommerfest reicht nicht“, sagt sie und erwartet, dass auch auf die Vereine zugegangen wird, die sich bei der Entwicklung der Lieberoser Heide einbringen wollen.
Info
- Der Wassermann ist eine mythologische Figur, die in verschiedenen Sagen des Spreewaldes mit seinen vielen Fließen und Gewässern eine wichtige Rolle spielt. Eingang haben diese Erzählungen in Tänze, Filme, Bücher gefunden.
- Nun gibt es eine Bildgeschichte für Kinder, einen Comic, mit dem die sorbische/wendische Sprache spielerisch erlernt werden kann.
- Die Lübbener Illustratorin Karen Ascher hat die Bilder gezeichnet, der Liedermacher Bernd Pittkunings lieferte die Übersetzung. Das Buch wurde herausgegeben von der Naturwelt Lieberoser Heide.
- Erstmalig vorgestellt wurde der Comic „Wassermann – Wódny muž” in der Kita „Spreewaldspatzen“ in Neu Zauche und am folgenden Tag in der Kita „Spatzennest“ in Tauer/Turjej.
- Die Comics werden in den kommenden Wochen an Schulen und Kitas verteilt, die niedersorbische Sprachlernangebote umsetzen. Auch in den Fahrbibliothek und Bibliotheken der beiden Landkreise wird die Broschüre erhältlich sein.
- Die Naturwelten Lieberoser Heide GmbH lädt in Partnerschaft mit der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg am Samstag, 6. Mai, von 10.30 bis 13.30 Uhr wieder zum Subbotnik ein. Treff ist am Parkplatz zum Sukzessionspark (Aussicht Wildnis) an der B 168 zwischen Lieberose und Turnow/Peitz. Anmeldungen sind bis 5. Mai erbeten. Weitere Informationen gibt es unter www.naturwelt-lieberose.de.