Mit der der 10. Ausgabe, der Jubiläumsausgabe nach 20 Jahren, kehrt die Spektrale zu den Wurzeln zurück: in die Kreisstadt Lübben, zu den Künstlern der Region. Sie zeigen ihre Sicht auf: Lebenskunst.
Von Ingrid Hoberg
Die Spektrale-Ausstellung des Landkreises Dahme-Spreewald kehrt im 20. Jahr ihres Bestehens mit der zehnten Auflage an den Ort Lübben zurück, an dem alles begann. Einige der Protagonisten von damals sind auch heute noch in der Kunstszene des Landkreises präsent. So entwickelt Sieghard Auer aus Mittenwalde als Architekt neue Aspekte der plastischen Raumgestaltung. „Hütte der Baba Jaga oder Rolling Home“ ist der Arbeitstitel seines Projekts für die Spektrale 10. Er erinnert sich daran, dass es Ende der 1990er Jahre darum ging, den Künstlern eine Plattform zu geben. Die Kulturaktivitäten zu bündeln, das versuchte der Künstlerbeirat K6, der für die Spektrale 1 als Kurator wirkte. Die Flurgalerie im Lübbener Landratsamt in der Reutergasse 12 war der erste Ausstellungsort – inzwischen als Horizontale Galerie bekannt. Ralf Sander wurde 2002 mit dem mit 3000 Euro dotierten Kunstpreis ausgezeichnet, der damals zum ersten Mal übergeben wurde und inzwischen bis zur zehnten Auflage von der Glaskünstlerin Beate Bolender aus Kasel-Golzig gestaltet wird – weiterhin mit 3000 Euro dotiert.
Eine, die damals die Kulturarbeit im Landkreis entscheidend mitgestaltete, war Karin Stöckigt, heute Schmidt. Sie hatte die Idee einer öffentlichen Galerie und war dann als Mitarbeiterin der Kreisverwaltung zuständig für die Umsetzung. „Das ging bis zum eigenhändigen Aufhängen der Kunstwerke – das war eine One-Woman-Show!“, berichtet sie. Auch Sieghard Auer erinnert sich noch sehr gut an ihr engagiertes Wirken. Für die Künstler sei sie eine wichtige Kontaktperson gewesen – bei den Bemühungen, mit vielfältigen Kulturaktivitäten öffentlich präsent zu sein. Und dafür war die Unterstützung des Landkreises unerlässlich. Stöckigt war nach 1990 Amtsleiterin für Kultur und Denkmalschutz im Altkreis Königs Wusterhausen und ab 1993 mit der Bildung des Landkreises Dahme-Spreewald weiterhin viele Jahre im Kulturbereich tätig. „Mit dem Ende der DDR hatten viele Künstler keine Aufträge mehr“, erinnert sich Karin Schmidt. Es habe aber auch damals finanzielle Unterstützung vom Brandenburgischen Kulturministerium für Kunstausstellungen gegeben.
„Die Künstler brillierten mit spannenden Arbeiten – in den Treppenfluren, überall hingen Bilder.“
Karin Schmidt, frühere Amtsleiterin, über die 1. Spektrale
Sie erzählt von der Spektrale 1: „Die Künstler brillierten mit spannenden Arbeiten – in den Treppenfluren, überall hingen Bilder.“ Es habe viele Möglichkeiten gegeben, die auch genutzt wurden – was heute nicht mehr so denkbar wäre. „In dieser Zeit hat die Arbeit großen Spaß gemacht“, erinnert sich Karin Schmidt. Bis 2016 war sie im Kulturbereich des Landkreises Dahme-Spreewald tätig. „Ich habe 160 Ausstellungen betreut“, zieht sie ein Resümee.
Sylvia Lehmann (SPD), heute Bundestagsabgeordnete, war beim Start der Spektrale Dezernentin für Bildung, Kultur, Jugend, Gesundheit und Soziales im Landkreis Dahme-Spreewald. Sie erinnert sich noch gut an den Beginn dieses Projekts. Es sei aus der Diskussion heraus mit den Künstlern entstanden – trotz einiger Bedenken hatten sie sich darauf eingelassen. „Es war eine Zeit zum Gestalten damals“, ergänzt Sylvia Lehmann. „Die Chance zur Entwicklung des Projekts wurde genutzt. Es wurde mit einer bescheidenen Ausstellung begonnen, die jetzt zum Event geworden ist.“
„Es war eine Zeit zum Gestalten damals. Die Chance zur Entwicklung des Projekts wurde genutzt.“
Sylvia Lehmann, ehemalige Dezernentin
Zur Horizontalen Galerie kam mit dem Bau des neuen Verwaltungsgebäudes im Beethovenweg 14 die Vertikale Galerie dazu. Dort wurde die Spektrale 2 präsentiert. Beide Galerien sind bis heute regelmäßig Ausstellungsorte. So ist ab Mittwoch, 11. Mai, die Fotoausstellung von Michael Brandenburger „die Bewunderung der Welt“ in der Horizontalen Galerie zu sehen.
Die Spektrale hat sich jeweils an den Themenjahren von „Kulturland Brandenburg“ orientiert – das ist auch in diesem Jahr so. „Es gab in den 20 Jahren sehr unterschiedliche Spektralen – in der künstlerischen und inhaltlichen Ausrichtung, bedingt auch durch die verschiedenen Veranstaltungsorte“, sagt Kulturamtsleiterin Caroline Jank. Nach den beiden Galerien im Landratsamt waren es in Luckau die ehemalige Justizvollzugsanstalt, das Alte Museum, der Schlossberg, Gewölbekeller im historischen Weinberg und die Kulturkirche, Schaufenster leerstehender Geschäfte am Markt, der Laga-Park. Die Spektrale entwickelte sich aus Galerieräumen hinaus in den Stadtraum.
Blick in die Spektrale 9 „Flüchtlinge – ein zeitloses Feindbild!?“ in Luckau:
"Verwurzelt - entwurzelt" von Astrid Köppe.
"Offene Arme" von Jost Löber.
"Lebensbaum" von Nele Probst.
"Weltenbaum" von Rainer Görss und Ania Rudolph, mit Luckauer Gymnasiasten.
"Unter anderen Umständen"
von Catrin Große.
"Trauma-Therapie" von Catrin Große.
(Fotos: Dörthe Ziemer)
Und nun kehrt die Spektrale an den Ausgangspunkt zurück, wie auf einer Spirale auf einer anderen Ebene. Elf Künstler werden zehn Installationen, die speziell für die Wasserlandschaft Lübben entwickelt wurden, vorstellen. An 120 Ausstellungstagen sind sie dann an öffentlichen Plätzen zugänglich. Auf der Website der Spektrale sind die Orte zu finden und hilfreich für Besucher, die die Kunstwerke bei einem Rundgang kennenlernen wollen. Eine stärkere Präsenz in den sozialen Medien führt Caroline Jank als eine der Veränderung an, die die diesjährige Spektrale prägen soll.
Regionale Identität steht im Blickpunkt der Spektrale 10 – und so sind elf Künstler beteiligt, die im Landkreis Dahme-Spreewald verwurzelt sind. Herbert Schirmer ist ein ausgewiesener Kenner der Kunstszene und zum dritten Mal Kurator der Spektrale. Bei seiner Rundreise von Atelier zu Atelier für den neuen Kunstatlas, an dem er für den Landkreis Dahme-Spreewald arbeitet, hat er das breite Spektrum der künstlerischen Kreativität aufgenommen. Er habe „die Kenntnis dessen, was Künstler aktuell tun“.
Und so wurden in Dahme-Spreewald verortete Künstler gewonnen – wie beispielsweise die Glasgestalterin Beate Bolender aus Kasel-Golzig, der Bildhauer Harald Müller aus Töpchin, die Konzeptkünstlerin Susanne Thäsler-Wollenberg aus Schulzendorf. Zum ersten Mal dabei sind Hannes Forster und Anna Grunemann aus Jamlitz. Sie setzt sich mit Xenophobie, der Angst vor dem Fremden, auseinander. „Das Motto der Spektrale ‚Was der Bauer nicht kennt…‘ hat mich zum dem Thema gebracht“, sagt Grunemann. „Es macht einem das Angst, was man nicht kennt.“ Gemeinsam mit Hannes Forster, der eine „Gestrandete Brücke“ in Lübben installiert, hatte sie im vergangenen Jahr mit „Standort_Bestimmung“ erstmalig im öffentlichen Raum von Jamlitz eine Ausstellung kuratiert. Für sie ist es eine Rückkehr in die Region, nachdem sie 30 Jahren in Hannover gelebt und gearbeitet hat.
Die Plätze für ihre Objekte und Installationen haben die Künstler Anfang des Jahres bei Rundgängen selbst gewählt, wie der Kurator erläutert. Es handelt sich um öffentliche Flächen beispielsweise am Schloss, dort auf der Wiese, auf der Schlossinsel, im Bereich der Kahnanlegestelle der TKS. „Die Orte sind bei der Kahnnacht zugänglich wie auch bei der im August stattfindenden Messe Lebensart“, so Caroline Jank. Die Kunstobjekte befinden sich wie den vorausgegangenen Spektralen im öffentlichen Raum – mit den Risiken der Zugänglichkeit zu jeder Zeit. „Das ist den Künstlerinnen und Künstlern bewusst“, sagt sie.
Was den längerfristigen Verbleib von Kunstwerken im Landkreis betrifft, verweist Caroline Jank darauf, dass es in den vergangenen Jahren Ankäufe gegeben habe. „Lassen wir uns überraschen, was die Spektrale 10 zu bieten hat“, sagt sie. Der Landkreis sei interessiert und habe bereits in der Vergangenheit Objekte angekauft. Zu beachten sei, wie die Ankäufe nach der Spektrale an einem Ort präsentiert werden können. Kurator Herbert Schirmer verweist darauf, dass die meisten Objekte temporärer Natur seien: „Sie sind nicht für die Ewigkeit gedacht.“
Susanne Thäsler-Wollenberg beim Aufbau...
...ihres Werkes "Klimahülle". Fotos: Karen Ascher
Die Jubiläumsausstellung „20 Jahre Spektrale“ knüpft an den Galeriecharakter der Anfangsjahre an. In Zusammenarbeit mit der Stadt Lübben werden sich in der Rathaus-Galerie 60 Künstlerinnen und Künstler aus dem Landkreis Dahme-Spreewald mit 75 Werken präsentieren – unter dem Motto „Morgen gibt es Karpfen blau, Hanka“. Es werde in der Rathausgalerie von der Schönheit des Daseins in Dahme-Spreewald erzählt, so Herbert Schirmer, Kurator auch dieser Ausstellung.
Zum Begleitprogramm der Spektrale 10 gehören Projekte an Luckauer Schulen zur Kulturgeschichte des Essens. „Essen aus dem Picknick-Korb nach einem Ausflug in die Natur“ heißt es beispielsweise an der Rosa-Luxemburg-Grundschule. Sebastian Franzka aus Lübben, bildender Künstler, Betreiber eines Bio-Gartens und mit Erfahrung in kulturpädagogischer Arbeit, wird diese Projekte in Zusammenarbeit mit Herbert Schirmer betreuen. Picknickkörbe werden gepackt und es geht hinaus ins Freie – zur gemeinsamen Mahlzeit und zur Erkundung von Wald und Flur. „Sonntagsbraten oder Imbiss-Stand?“ sowie „Essen mit Freunden“ werden thematisiert.
Das vierte Schulprojekt wird am Bohnstedt-Gymnasium vom bildenden Künstler Micha Brendel aus Steinreich betreut. Im Jahr 2014 war er bei der Spektrale 6 ausstellender Künstler, diesmal ist er als Begleiter für das Projekt „Ein Ausflug in die Kulturgeschichte des Essens“ dabei. Schülerinnen und Schüler unternehmen gemeinsam mit einem Revierförster eine Exkursion in das waldreiche Gebiet bei Steinreich. Am Ende des Projekts, zu dem ebenfalls ein Picknick gehört, soll eine Dokumentation mit Fotos, Videos und anderen Aufzeichnungsformen nach den Ideen der Schülerinnen und Schüler entstehen.
„Die Spektrale zeigt sich als ein Ort der Begegnungen: Kunst mit Publikum, Kunst mit öffentlichem Raum und Künstler mit Künstlern", sagt Micha Brendel. „Die Vielfältigkeit der Themen von Ortsgeschichte über Natur bis zum ländlichen Leben der Zukunft ruft die Künstler geradezu auf, die Stuben zu verlassen und ihre Blicke in die spreewäldischen Weiten zu richten.“
Info
- Unter dem Motto „Was der Bauer nicht kennt…“ findet vom 15. Mai bis 11. September 2022 in Lübben (Spreewald) die Kunstausstellung Spektrale 10 mit der Verleihung des Kunstpreises statt. Herbert Schirmer ist zum dritten Mal vom Landkreis als Kurator berufen worden.
- Die Vernissage am 15. Mai um 14.30 Uhr auf der Schlossterrasse in Lübben ist der Auftakt der diesjährigen Spektrale. „Miriam and friends“ sorgen für den musikalischen Rahmen. Im Anschluss ist eine Führung zu den Kunstobjekten vorgesehen.
- Bereits am 10. Mai, 17 Uhr, wird die begleitende Ausstellung „Morgen gibt es Karpfen blau, Hanka“ in der Lübbener Rathausgalerie, Poststraße 5, eröffnet. Bis 28. Oktober sind die Werke zu den Öffnungszeiten des Rathauses Dienstag 8 bis 18 Uhr, Donnerstag 9 bis 15 Uhr und Freitag 9 bis 12 Uhr für Besucher zugänglich.
- In der Lieberoser Darre wird vom 24. Mai bis 11. September zum Kulturland-Brandenburg-Motto 2022 „Lebenskunst“ die Ausstellung „Nach englischem Vorbild – Landwirtschaftsreformer einst und jetzt“ präsentiert. Die Neue Philharmonie gibt am 18. Juni, 16 Uhr, ein sinfonisches Konzert in Lieberose.
- Die Finissage mit Verleihung des Kunstpreises wird am 11. September, 11 Uhr, im Ehrenhof des Landratsamtes Lübben stattfinden.
- In Luckau werden an zwei Schulen Projekte mit Schulklassen realisiert, zum Begleitprogramm gehören eine Ausstellungen in der Rathausgalerie Lübben und in der Lieberoser Darre.
- Die Spektrale 10 wird vom Landkreis Dahme-Spreewald und der Stadt Lübben (Spreewald) / Lubin (Błota) veranstaltet – mit Fördermitteln von Kulturland Brandenburg 2022 und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.
- Die Spektrale ist Teil des Netzwerks Kunstraum Spreewald – sie findet alternierend zum Kunstfestival Aquamediale statt, das die offene Landschaft, die Spree mit ihren Fließen, als Präsentationsraum nutzt.
- Weitere Informationen unter:www.spektrale-dahme-spreewald.de