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Wildnis – die gibt’s in fernen Ländern. Das mag mancher immer noch denken, doch die Wildnis ist ganz nah: in der Lieberoser Heide zum Beispiel. Dafür gibt es jetzt Botschafter.
Von Ingrid Hoberg
In der Nacht hat es geschneit – es ist ein schöner Wintertag, dem nur noch ein paar Sonnenstrahlen fehlen, die den Schnee zum Glitzern bringen könnten. Doch das wird sich bei der Wanderung mit Dr. Nicole Schrader und Julia Geuder von der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg gar nicht als Nachteil herausstellen: Es gibt so viel Interessantes im Winterwald zu entdecken – und das ist nicht nur die Stille. Die beiden Wildnisbotschafterinnen vermitteln während der Wanderung zum Teerofensee so viel Wissenswertes, dass der Weg gar nicht lang erscheint.
Startpunkt ist an der Rampe VI, die noch an die Kleinbahnstrecke zwischen Byhlen und Lieberose erinnert. Es ist eine Kreuzung der alten Cottbuser Fuhrmannstraße und einer Teilstrecke der Spreewaldbahn. Eine Verladerampe ist noch zu sehen. Und eine Hütte als Rastplatz für Wanderer, Radler, auch Reiter. Im Frühling und Sommer wird der Ort gern für eine Pause genutzt. Jetzt ist Winterruhe zu erleben. Die Rampe VI befindet sich im Reservat „Lieberoser Endmoräne“, ausschließlich auf Wanderwegen dürfen Besucher die Wildnis erkunden.
Alle Sinne öffnen sich an solch einem Tag in der Natur – das haben auch die ersten Teilnehmer des Projekts Wildnisbotschafter*in erfahren. Die Stiftung Naturlandschaften Brandenburg und die Naturranger haben es 2021 ins Leben gerufen, und es soll fortgesetzt werden. „Wir wollen den Wildnisschutz und das Wissen über Wildnis auf eine breitere Basis stellen“, sagt Nicole Schrader. Es gehe darum, Wildnisthemen im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern, Interessierten die Möglichkeit zu geben, für den Schutz von Lebensräumen selbst aktiv zu werden und andere für die Schönheit der Natur zu begeistern. Das soll für mehr Akzeptanz von Wildnis in der Gesellschaft sorgen.
Konzipiert wurde eine neunmonatige Weiterbildung, in der die verschiedensten Aspekte des Themas Wildnis aufgegriffen werden – so vielfältig, wie auch die Teilnehmer, die sich für das Projekt „kleines grünes Ehrenamt“ interessieren. Unter den ersten 25 Teilnehmern waren vom Studenten bis zum Busfahrer, vom 21- bis zum 63-Jährigen Natur- und Wildnisfreunde zusammengekommen. Was Corona-bedingt als Online-Angebot entwickelt wurde, hat sich zum Vorteil für die Weiterbildung herausgestellt, so die Erfahrung von Nicole Schrader. Es nahmen Interessierte aus verschiedenen Bundesländern teil, die dann zum Abschlusscamp in die Lieberoser Heide kamen.
Diese Veranstaltung wurde zu einem besonderen Erlebnis. „Wir hatten eine Gruppe mit Blinden- und Sehbehinderten aus Berlin eingeladen, um gemeinsam eine Wildnis-Fledermaus-Safari zu unternehmen“, sagt Nicole Schrader. Bei einer Führung mit einem Förster lernten die Teilnehmer das Gebiet kennen. Er konnte viele Fragen der Teilnehmer beantworten. Und es waren nicht die großen Tiere, die sie beeindruckten: So beobachten sie, welche Geräusche ein Mistkäfer macht, der sonst wenig Beachtung findet. Am Bergsee lauschten die Wildnisbotschafter der Stille – und hörten Wölfe heulen. „Das kann man nicht organisieren“, sagt Nicole Schrader, die selbst ein gutes Auge und Ohr für die Wildnis hat. Mit Detektoren wurden dann verschiedene Fledermausarten geortet. Es waren besondere Erlebnisse in der Gemeinschaft, die alle mit in ihren Wirkungsbereich nehmen.
So verschieden wie die Voraussetzungen waren, die jeder Teilnehmer mitgebracht hat, so unterschiedlich werden sie auch ihre Wildniserfahrungen weitergeben. „Der eine will Führungen in seinem Umfeld anbieten, andere wollen Online-Projekte realisieren“, so Nicole Schrader. Einer der Wildnisbotschafter in der zweiten Ausbildungsgruppe ist Tobias Geisel. Der 21-Jährige Berliner absolviert eine Berufsausbildung und bereitet sich auf sein Studium vor. „Wir haben auf dem Land gelebt, ich habe mich immer für Natur- und Umweltschutz interessiert“, sagt er. Er hat jetzt den Theorieteil mit den Online-Lehrmodulen und -Workshops absolviert. „Bei den Online-Konferenzen konnten wir Meinungen und Erfahrungen aus den verschiedenen Bundesländern austauschen.“ Nun bereitet Tobias Geisel sein eigenes Wildnisprojekt vor. „Ich möchte eine Stunde für eine Grundschule vorbereiten, um Kinder für die Wildnis zu interessieren“, erklärt er. Das Material könne dann von der Schule für weitere Unterrichtsstunden verwendet werden. Langfristig will er sich in der Kampagnenarbeit engagieren, vielleicht selbst einen Wildnis-Blog schreiben.
Zu den schönsten Momenten der Abschlussveranstaltung für die ersten Teilnehmer der Wildnisbotschafter-Ausbildung gehörte das gemeinsame Erlebnis in der Natur. „Es bleiben Eindrücke zurück, die ich nicht mehr vergessen werde. Es war nicht nur die soziale Gemeinschaft, sondern auch das Wildniserlebnis, das alles zu etwas Besonderem gemacht hat“, so eine Wortmeldung.
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