Wohnraum in Dahme-Spreewald wird immer knapper. Während der Kreistag über eine Bedarfsplanung diskutiert, wollen Kommunen in Dahme-Spreewald ihre Baugrundstücke u.a. mittels Punktesystem vergeben. Wie gerecht kann das sein?
Von Dörthe Ziemer
Familie A wohnt seit längerem in der Stadt, in einer viel zu kleinen Wohnung, hat drei Kinder und zwei davon sowie der Familienvater sind in der Feuerwehr aktiv. Familie B besteht aus einem gut ausgebildeten Ärztepaar, sie ist schwanger, und nun soll es zurück in die Heimat gehen, samt Niederlassung. Aber sie finden keine passende Bleibe. Wer soll das letzte Baugrundstück für ein Einfamilienhaus bekommen, das die Kommune zur Verfügung stellen kann? Bislang wurden solche Grundstücke wahlweise nach Angebotspreis oder nach Eingangsdatum des Kaufantrages vergeben. Doch das scheint vielen Kommunalpolitikern angesichts der Knappheit an Wohngrundstücken nicht mehr zeitgemäß. Wie aber lassen sich Zuzug und Bebauung steuern? Wie lassen sich Familien in der Kommune halten und wichtige Berufszweige ansiedeln? Und vor allem: Wie verhindert man bei Vergabeentscheidungen Benachteiligungen und Konflikte?
Bodenrichtwerte in Dahme-Spreewald
Einwohnerzahlen in Dahme-Spreewald
Diese Fragen diskutieren derzeit mindestens drei Kommunen im Landkreis: Die Stadtverordnetenversammlungen von Wildau und Königs Wusterhausen haben im September ihre Verwaltungen beauftragt, eine Vergaberichtlinie gemäß „Einheimischenmodell“ zu entwerfen. Das Modell wird in der Stadt Pfaffenhofen in Bayern bereits seit 1991 praktiziert. Pfaffenhofener Bürgerinnen und Bürger erhalten damit die Möglichkeit vergünstigte Baugrundstücke zu erwerben. Dem Modell ist auch die Stadt Gransee im vergangenen Jahr gefolgt. Wurden bis dahin Grundstücke an den Meistbietenden im Rahmen einer Ausschreibung vergeben, kommt nun ein Punktesystem zum Einsatz, das Vermögens- und Einkommenssituation, Ortsbezugs- und soziale Kriterien der potenziellen Käufer berücksichtigt. „Das Modell hat seine Feuertaufe in Gransee bestanden“, teilte die Amtsverwaltung im Dezember zufrieden auf ihrer Facebook-Präsenz mit – zwölf einheimische und vier auswärtige Familien hätten einen Zuschlag bekommen.
Das Einheimischenmodell in Dahme-Spreewald
Auf dieses System beziehen sich auch die Anträge jeweils der SPD-Fraktionen in Königs Wusterhausen und Wildau. Ziel ist es, einkommensschwächeren Ortsansässigen, aber auch in ihre Heimatstadt zurückkehrenden Familien der Erwerb eines Eigenheims zu ermöglichen. „Unter dem Druck des Zuzugs in unsere Stadt werden die Bodenpreise weiter steil ansteigen“, heißt es in der Beschlussvorlage in Königs Wusterhausen. „Diese Preise werden sich künftig immer weniger Menschen leisten können, da die Nachfrage an Wohnbaugrundstücken das Angebot deutlich übersteigt. Hier kann die vorgeschlagene Vergaberichtlinie transparente Kriterien formulieren.“ Außerdem helfe so eine Vergabe, „die soziale Struktur in unserer Stadt zu sichern, Durchmischung und Diversität zu erhalten“. Zudem werde das Ehrenamt, insbesondere bei der Freiwilligen Feuerwehr, berücksichtigt. Mit einer dauerhaften Bindung von Einwohner an die Stadt würde der soziale und familiäre Zusammenhalt gefestigt und die Gemeinschaft gestärkt, Wegzug oder Überalterung abgeschwächt.
Doch die Tücke steckt im Detail. Wie soll, wenn man einzelne Punkte in einem System stärker bewertet und zu einer Gesamtpunktzahl zusammenzieht, Benachteiligung vermieden werden? Das wurde von den Stadtverordneten in Königs Wusterhausen kontrovers diskutiert. Ein Alleinerziehender könne vermutlich zeitlich nun mal keinen Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr leisten, merkte Michael Wippold von den Linken an. „Der Antrag beinhaltet strukturelle Diskriminierung in mehreren Punkten“, wandte auch Fraktionskollegin Anne Müller ein: „Was ist mit Familien, die keine Kinder bekommen können?“ Eine Ungleichbehandlung liege indes auch bei der gegenwärtigen Vergabe über den Höchstpreis vor, erwiderte Stefan Jablonsky von der CDU: „Es gibt jemanden, der es sich leisten kann, und jemanden, der das nicht kann. Es wird auch künftig Ungleichbehandlung geben. Das ist nicht gleichzusetzen mit rechtlicher Missbilligung oder Diskriminierung.“ Grundlage für eine neue Vergaberichtlinie seien soziale Erwägungen wie in vielen anderen Bereichen auch. „Wenn wir aus sozialen Gründen geringere Angebote zum Zuge kommen“, wandte sein Fraktionskollege Peter Dreher ein, „müssen wir aus Gründen der Transparenz zeigen, welche wirtschaftlichen Effekte daraus entstehen, also auf welche Erträge wir verzichten.“
Knifflige Diskussion
Der Antrag in Königs Wusterhausen ebenso wie der in Wildau fand am Ende nicht zuletzt deswegen eine Mehrheit, weil die Verwaltungen zunächst mit dem Entwurf einer Richtlinie beauftragt wurden. Inwieweit diese stimmig und praktikabel ist und wo nachgesteuert werden muss, wird erneut in den Gremien verhandelt. Wie knifflig das werden kann, zeigt sich in Lübben. Dort wird bereits seit etwa drei Jahren auf Anregung der damaligen Fraktion CDU-Bündnis 90/Grüne über Grundstücksvergaben diskutiert. Darüber, dass Grundstücke in Einzellagen und mit Eignung für den Mehrfamilienhausbau via Konzeptverfahren durch die Stadtverordnetenversammlung vergeben werden, waren sich Verwaltung und Stadtverordnete bald einig. Die Vergabe solle zum Mindestverkehrswert erfolgen, jedoch soll auch eine Höchstpreisvergabe bzw. per Erbbaupacht möglich sein. Doch wie mit Einfamilienhäusern umzugehen ist, das ist bis heute unklar. Diese werden seit 2001 über das Eingangsdatum des Kaufantrages vergeben.
Eine von der Verwaltung erarbeitete Matrix warf immer wieder Fragen auf, Korrekturen wurden von den Fraktionen eingebracht, Priorisierungen der Kriterien eingefordert und im Frühjahr 2021 wurde im Bildungsausschuss ein Vergabeausschuss in die Diskussion eingebracht. Diesen Bedarf sahen die anderen Fachausschüsse jedoch nicht. Schließlich wurde eine Arbeitsgruppe beauftragt, das weitere Prozedere zu erarbeiten. Zur Diskussion stand u.a. die Frage, wie ein Verhältnis zwischen Einheimischen und Zuzüglern hergestellt werden kann und wie man sich ändernden Bedarfen in der Stadtentwicklung begegnet. Erwogen wurde, für jedes Wohngebiet einen neuen Beschluss zu fassen.
Thema ist dringend
Das Thema ist in Lübben durchaus dringend, stehen doch im neuen Eigenheimgebiet an der Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße, das derzeit erschlossen wird, die Bewerber bereits vor der Tür – und zwar um ein Vielfaches mehr als Grundstücke vorhanden sind. Im Februar lagen im Rathaus 310 Grundstückskaufanträge und Interessenbekundungen (darunter 75 Doppelungen für mehrere Wohngebiete) vor – für eine zweistellige Zahl an verfügbaren Grundstücken. Der Hauptausschuss sprach sich bei den Vergaben in der Jahn-Straße dafür aus, nicht mehr das Prinzip der Chronologie der Antragseingänge anzuwenden. Geprüft wird derzeit, ob die bisherigen Interessenbekundungen im Fall einer Aufhebung des Beschlusses aus dem Jahr 2001 keine Berücksichtigung mehr finden müssen.
Dass die Debatte um die Vergabe von Grundstücken für Ein- bis Zweifamilienhäuser zur eigenen Wohnnutzung nur ein kleiner Anteil am großen Thema Wohnen ist, dessen waren sich die Stadtverordneten in Königs Wusterhausen durchaus bewusst. „Der Vorschlag ist ein Puzzleteil“, sagte Tobias Schröter von der einbringenden Fraktion. „Er gilt ja nur für die überschaubare Anzahl städtischer Grundstücke. Der freie Markt bleibt unberührt.“ Anne Müller von den Linken forderte, dass es vielmehr darum gehen müsse, „mehrere Familien und Menschen an kommunalen Grundstücken partizipieren zu lassen. Daher kann die Antwort nur ein soziales Bodenprogramm mit sozialem Wohnungsbau sein, damit 10 bis 20 Familien profitieren können“. In Wildau gab es zudem den Hinweis, dass Grundstücke der Wohnungsbaugesellschaft, die sich zum Mehrfamilienhausbau eignen, ausgeschlossen werden müssten. Ähnlich formulierte es Königs Wusterhausens Bürgermeisterin Michaela Wiezorek. Sie verstehe den Beschluss „als Prüfauftrag an die Verwaltung, um Instrumente zu benutzen, um Wohnraum sozial gerecht zu verwalten. Letztlich reden wir über Bauland, was von vornherein Menschen ausschließt, nämlich die sich einen Hausbau nicht leisten können. Wenn wir über Flächen reden, die mit mehr als Ein- oder Zweifamilienhaus bebaut werden können, sollten wir über weitere Instrumente nachdenken, um sozial gerechten Wohnraum zu schaffen.“
Parameter zur Wohnraumplanung
Genau das ist Anliegen eines Antrags der SPD-Fraktion im Kreistag Dahme-Spreewald. „Um der wachsenden Nachfrage nach Wohnungen im Landkreis Dahme-Spreewald zu begegnen“, will sie via Beschluss die Verwaltung beauftragen, eine Wohnungsbedarfsplanung zu erstellen. Damit solle die „Entwicklung möglichst ortsgenau prognostiziert“ werden – inklusive ortsspezifischer Kriterien wie Einkommensstruktur, Anforderungen an senioren- und behindertengerechtes Wohnen, Anbindung an Infrastruktur und Bedarf unterschiedlicher Wohnungsgrößen. „Von besonderer Bedeutung für eine verbesserte Wohnsituation im Landkreis ist der soziale Wohnungsbau“, heißt es im Beschlussvorschlag, der am 27. Oktober im Kreisausschuss und am 3. November im Kreistag diskutiert wird. „Die fertige Wohnungsbedarfsplanung soll der Zusammenarbeit mit den Kommunen, Wohnungsbaugesellschaften und weiteren Akteuren dienen, um den Problemen vorzubeugen, die Wohnungsknappheit und steigende Mieten mit sich bringen.“
Der Kreis habe kein Wohnungsbauunternehmen, stellte Martina Mieritz von der SPD-Fraktion bei der Vorstellung im Kreistag im September fest. „Wir wollen aber unterstützen und schauen, wo und welcher Wohnraum benötigt wird und somit den Weg für Investoren bereiten.“ Die anderen Fraktionen signalisierten Zustimmung zum Thema, äußerten aber ihre Bedenken, wie das Ziel zu erreichen sei. Es fehlten Parameter, nach denen geplant werde, kritisierte Lothar Treder-Schmidt von Bündnis 90/Grüne. „Uns ist nicht klar, wie wir mit der Erkenntnis umgehen wollen“, sagte er und stellte den Antrag, das Thema in den Ausschüssen zu diskutieren. Stefan Ludwig von den Linken wies darauf hin, dass sich das Thema zwischen der übergeordneten – und für die nächsten zehn Jahre feststehenden – Planung durch die Raumordnung und der Wohnraumversorgung als gemeindlicher Kompetenz bewege.
Dezernentin Heike Zettwitz nannte das Anliegen nachvollziehbar, stellte jedoch auch fest: „Der Begriff der Wohnraumbedarfsplanung muss noch genauer gefasst werden.“ Sie schlug vor, eine Arbeitsgruppe zu gründen, um dies im Austausch zu tun. „Wir haben nur wenig Einflussmöglichkeiten. Aber wir sollten das als Mittel nutzen, um den engen Kontakt mit den Gemeinden weiterzuführen“, sagte sie. Damit steht ein weiterer, womöglich längerfristiger Austausch bevor – ein Puzzleteil mehr beim großen Thema Wohnen…