Handwerk hat goldenen Boden. Der Spruch erlebt eine Wiedergeburt: Mehr junge Menschen wollen mit ihren Händen etwas schaffen. Die Kreishandwerkerschaft Dahme-Spreewald will sogar eine eigene Bildungsstätte einrichten.
Von Andreas Staindl
Handwerk hat goldenen Boden. Dieser Spruch galt früher, geriet dann in Vergessenheit und erlebt jetzt seine Wiedergeburt – wenn man auf die gegenwärtige Tendenz schaut: „Unsere Handwerksbetriebe haben 2021 rund sechs Prozent mehr Ausbildungsverträge mit Jugendlichen vereinbart als im Jahr zuvor“, erklärt Knut Deutscher. „Damit haben wir fast das Vor-Corona-Niveau erreicht.“ Dem Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HWK) Cottbus zufolge sind in diesem Jahr insgesamt 706 Ausbildungsverträge abgeschlossen worden.
Handwerksberufe wie Zimmerer, Tischler, Elektroniker, Maler & Co. sind nach wie vor gefragt. „Zunehmend wählen auch Frauen diese Berufe“, sagt Knut Deutscher. Er gibt sich aber mit dem Erreichten nicht zufrieden: „Das südbrandenburgische Handwerk braucht dringend Fachkräfte. Ein deutliches Zeichen dafür ist das hohe Ausbildungsengagement der Betriebe.“ In der Malerbetrieb Ihl GmbH & Co.KG in Schönwalde (Unterspreewald) setzt man alles daran, Nachwuchs zu gewinnen und auszubilden. „Wir brauchen junge Mitarbeiter, um die Zukunft unseres Unternehmens zu sichern“, sagt die Geschäftsführerin Maria Ihl. „Deshalb bilden wir seit Jahren aus. Das Interesse junger Leute an einem Handwerksberuf ist inzwischen leider sehr bescheiden. Wir haben kaum noch Auswahlmöglichkeiten. Doch diejenigen, die sich für eine Ausbildung als Maler und Lackierer interessieren, erhalten von uns eine Chance.“ Und nicht nur das: „Wir nehmen uns auch die Zeit für die Azubis, um mit ihnen Dinge wie etwa Flächenberechnung zu üben, die eigentlich aus der Schule bekannt sein müssten. Da gibt es oft Nachholbedarf“, erzählt Maria Ihl.
„„Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Handwerk ein sicheres Standbein ist. Wir arbeiten durchgehend, mussten nie schließen.“
Fred Nimtz, Elektro Nimtz GmbH Wittmannsdorf
Fred Nimtz hat zudem festgestellt, dass es jungen Leuten „zunehmend an der richtigen Einstellung zu ihrer Ausbildung fehlt. Die junge Generation hat oft andere Vorstellungen vom Berufsleben als wir. Wir hatten schon mehrmals Pech gehabt und standen am Ende ohne Azubi da“, erzählt der Geschäftsführer der Elektro Nimtz GmbH in Wittmannsdorf (Märkische Heide). 17 junge Leute habe er schon ausgebildet, drei seien inzwischen fest bei ihm angestellt. Auch Fred Nimtz beklagt fehlendes Wissen der jungen Leute: „Zahlreiche Bewerber kommen mit zu schlechten Noten aus der Schule. Wer einen Beruf in unserem Gewerk lernen möchte, sollte in Mathe und Physik wenigstens eine Zwei haben. Doch diejenigen, die das erfüllen, kommen oft nicht ins Handwerk, sondern studieren lieber.“ Er blickt skeptisch in die Zukunft: „Die alten Hasen gehen in Rente, neue Mitarbeiter sind kaum zu finden.“ Um jungen Menschen Lust auf eine Ausbildung in seinem Betrieb zu machen, wirbt der Elektrofachmann mit interessanten Aussichten – etwa einem modernen Handwerk, zufriedenen Mitarbeitern und Karrierechancen sowie der Möglichkeit, während eines Praktikums in betriebliche Abläufe reinzuschnuppern. Seine Hoffnung: „Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Handwerk ein sicheres Standbein ist. Wir arbeiten durchgehend, mussten nie schließen. Vielleicht führt das zu einem Umdenken bei den jungen Leuten.“
Handwerker richten gemeinsam den Maibaum auf dem Lübbener Marktplatz auf. Sie werben damit für ihre Gewerke.
Foto: Andreas Staindl
Ivo Wähner (Foto oben) hat sich schon für einen Handwerksberuf entschieden. Der 24-Jährige aus Lübben hatte vor einigen Wochen seine Ausbildung zum Maler und Lackierer im Malerbetrieb Ihl in Schönwalde beendet und ist jetzt als Geselle dort beschäftigt: „Die Arbeit gefällt mir prima. Sie ist sehr abwechslungsreich. Immer andere Baustellen und andere Menschen – das macht es so spannend. Für mich war frühzeitig klar, dass ich mit meinen Händen etwas schaffen möchte. Büroarbeit wäre nichts für mich.“ Warum nicht mehr junge Leute in das Handwerk drängen? „Wir bräuchten mehr Praktika während der Schulzeit“, sagt Ivo Wähner. „Nur in einen Betreib reinzuschnuppern, ist viel zu wenig.“ Und er wünscht sich eine bessere Bezahlung im Handwerk: „Der Staat müsste die Unternehmen finanziell unterstützen. Wenn der Verdienst im Handwerk besser wäre, würden sich sicherlich mehr junge Leute für einen handwerklichen Beruf entscheiden.“
„Nicht alle jungen Leute haben eine Fahrerlaubnis. Wir holen sie dann vom Bahnhof ab, müssen dafür aber unsere Arbeitsabläufe noch besser planen.“
Maria Ihl, Malerbetrieb Ihl Schönwalde
Das große Lehrstellenagebot der Handwerksunternehmen wird laut Knut Deutscher „derzeit tatsächlich nicht ausgeschöpft. Zum diesjährigen Ausbildungsbeginn blieben 246 Lehrstellen unbesetzt. Für junge Menschen in der Region ist noch alles möglich.“ Diese müssen jedoch nicht nur Lust aufs Handwerk haben, sondern oft auch logistische Hürden meistern. „Für Azubis ist es kompliziert, wenn sich ihr Ausbildungsbetrieb in einem Dorf – und dann auch noch mit nicht optimaler Infrastruktur – befindet“, sagt Maria Ihl. „Nicht alle jungen Leute haben eine Fahrerlaubnis. Wir holen sie dann vom Bahnhof ab, müssen dafür aber unsere Arbeitsabläufe noch besser planen.“ Manchmal aber passt ihr zufolge einfach alles: „Unser aktueller Lehrling hat richtig Bock auf seine Ausbildung. Er nimmt auch lange Anfahrtswege in Kauf.“ Ihr Betrieb bildet seit Jahren regelmäßig aus: „Wir geben uns große Mühe und übernehmen die Azubis gerne. Neben fachlichen Fähigkeiten sind uns Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit ganz wichtig.“
Die Anforderungen der Betriebe auf der einen, die Bedingungen für die Azubis auf der anderen Seite: Wenn beides passt, hat das Handwerk eine Zukunft. „Wir planen eine Bildungsstätte für handwerkliche Berufe“, erzählt Gerald Krüger. „Dafür haben wir als Kreishandwerkerschaft des Landkreises Dahme-Spreewald ein 10.000 Quadratmeter großes Grundstück in Königs Wusterhausen gekauft.“ Der Elektromeister aus Bestensee ist Kreishandwerksmeister und an der Spitze der Kreishandwerkerschaft. Die neue Bildungsstätte soll junge Leute in der Region halten, ihnen Ausbildungsmöglichkeiten in Heimatnähe bieten. „Die Idee ist es, dort etwa für die Bereiche Elektro, Heizung, Sanitär, Metallbau und KfZ auszubilden“, sagt Gerald Krüger. „Wenn es mit den Fördermitteln klappt, könnten wir 2023 mit dem Bau beginnen.“
„Wenn die Lehrer dort dem Handwerk positiv gegenüberstehen und die Schüler dafür motivieren, entscheiden sich die jungen Leute eher für einen handwerklichen Beruf.“
Gerald Krüger, Kreishandwerksmeister
Dass sich wieder mehr junge Leute für einen Handwerksberuf interessieren, kann Gerald Krüger nur bestätigen, sagt allerdings: „Das Interesse der Jugendlichen hängt vom Einfluss ihrer Eltern, aber zum großen Teil auch von ihren Schulen ab. Wenn die Lehrer dort dem Handwerk positiv gegenüberstehen und die Schüler dafür motivieren, entscheiden sich die jungen Leute eher für einen handwerklichen Beruf.“ Die Kreishandwerkerschaft wird aber auch selbst aktiv, ist im Kontakt mit Schulen und bietet Schülerpraktika an. „Die jungen Leute wollen und sollen auch mal Material anfassen, es be- und verarbeiten“, sagt Gerald Krüger. Ihren Wunschberuf könnten sie dann in der geplanten Bildungsstätte in Königs Wusterhausen erlernen. Die Umsetzung der Idee für die Einrichtung dauert dem Kreishandwerkermeister zufolge „schon sehr lange, doch wir sind auf dem richtigen Weg.“
Freuen sich gemeinsam über den Ausbildungspreis: Der Unternehmer Knut Morgner (li.)
und Knut Deutscher, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Cottbus.
Foto: Andreas Staindl
Das Unternehmen Morgner Haustechnik in Schönwalde (Unterspreewald) ist für sein Ausbildungsengagement sogar ausgezeichnet worden. Es hat den Landesausbildungspreis erhalten und gehört damit zu den besten Ausbildungsbetrieben im Land Brandenburg. Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Cottbus hatte den Preis schon vor Jahresfrist überreicht und die Würdigung etwa damit begründet, dass sich Knut Morgner ambitioniert für den Nachwuchs und die Gemeinschaft einsetzt. Für den Firmenchef selbstverständlich: „Unser Engagement für die Auszubildenden sichert uns Nachwuchs für unser Unternehmen.“ Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) hatte Knut Morgners Engagement mit einer Grußbotschaft gewürdigt. Der Minister betonte damals, dass „Ausbildung Fachkräfte sichert, die wir für die Zukunft unserer Wirtschaft brauchen“.
Die Stadt Lübben hatte 2016 sogar zum „Jahr des Handwerks“ ausgerufen und damit die verschiedenen Zünfte in den Mittelpunkt gerückt. Handwerker hatten ein Jahr lang Gelegenheit, sich und ihr Gewerk öffentlichkeitswirksam vorzustellen. Wer Lust aufs Handwerk und noch keine Lehrstelle hat, kann sich bei der HWK Cottbus über Ausbildungsmöglichkeiten 2022 informieren.