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Ampel aus?

Die Ampel ausknipsen – das ist bei der Landtagswahl am Ende doch gelungen, allerdings nicht in Berlin, sondern in Potsdam: Die Farben Gelb und Grün, neben Dunkelrot und Orange, sind nicht mehr im Landtag. Wie sehen die Direktkandidaten ihr Ergebnis?

 

Von Dörthe Ziemer

 

Bei vielen Direktkandidaten zeigt sich dreierlei: neben der Enttäuschung über das Wahlergebnis insgesamt gibt es auch Lob über das eigene Abschneiden und einige Forderungen in Bezug auf die eigene Partei. Da einige der Direktkandidaten in Kommunalparlamenten und im Kreistag vertreten sind, geht für sie die Arbeit an ihren Schwerpunktthemen nahezu nahtlos weiter, auch wenn sie es nicht in den Landtag geschafft haben. Sechs Abgeordnete aus Dahme-Spreewald sind im neuen Landtag vertreten: die drei Direktgewinner Tina Fischer (SPD, Wahlkreis 26), Ludwig Scheetz (SPD, Wahlkreis 27) und Hans-Christoph Berndt (AfD, Wahlkreis 28). Über die Listen sind Benjamin Filter (AfD), Nadine Graßmel (SPD) und Christian Dorst (BSW) eingezogen.

 

Wahlergebnisse im Kurz-Überblick

 

 Andrea Lübcke (Bündnis 90/Grüne). Foto: Dörthe ZiemerAm heftigsten fallen die Nachwahl-Reaktionen bei Bündnis 90/Grüne aus. Für ihre Direktkandidatin Andrea Lübcke im Wahlkreis 26 sind die Ergebnisse „ohne Zweifel eine herbe Enttäuschung“. „Wir sind Opfer des Kampfs ‚Woidke oder AfD‘ geworden. Eine thematische Auseinandersetzung gab es im Wahlkampf nicht“, schätzt sie ein. Ähnlich sieht es ihr Parteikollege und Direktkandidat im Wahlkreis 28 Benjamin Raschke. Die Wahlstrategie des alten und neuen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke habe „total mobilisiert. Der Populismus ist gestärkt. Für das Land ist das verheerend, weil die AfD eine Sperrminorität erreicht hat“. Er äußert zugleich Respekt all jenen gegenüber, die „so klar gesagt haben: Wir wollen nicht die AfD“.

 

Erfolge trotz Niederlagen

Björn Lakenmacher (CDU). Foto: Dörthe Ziemer Bei anderen Direktkandidaten fällt die Bilanz, vor allem mit Blick auf die eigene Person, durchaus versöhnlich aus. Björn Lakenmacher, CDU-Kandidat im Wahlkreis 26, stellt fest, dass er entgegen dem Landestrend von minus 3,5 Prozent sein Erststimmenergebnis gegenüber dem Jahr 2019 gesteigert hat. „Das freut und bestätigt mich. Dies zeigt mir auch, dass mein engagierter Wahlkampf an den Haustüren in meinem Wahlkreis genau der richtige Weg war.“ Dirk Thomas Wagner, FDP-Kandidat im selben Wahlkreis, wollte „eigentlich antworten, dass ich mit 1,2 Prozent der Erststimmen sehr deutlich über dem Landesergebnis der FDP liege“. Das mache aber die Gesamtsituation auch nicht besser, sagt er. 

 

Kersten Haase, Kandidat von BVB/Freie Wähler im Wahlkreis 28, wurde in der Gemeinde Heidesee „immerhin noch vor der CDU“ gewählt. Er habe viele positive Stimmen im Wahlkampf erfahren, sagt er. Antony Jonneck, einziger Direktkandidat der Listenvereinigung Plus Brandenburg in Dahme-Spreewald und Mitglied der Partei Volt, freut sich ebenfalls über seine 1,2 Prozent bei den Erststimmen: „Ich habe flächendeckend die FDP hinter mir gelassen. In Luckau habe ich es sogar vor die Grünen geschafft und in Heideblick bin ich mit den Grünen gleich auf.“ Da könne er sich nicht beklagen, mit einer Regierungspartei mitzuhalten, sagt er. 

 

Jan Schenk (AfD). Foto: Karen AscherUnd auch Jan Schenk, Direktkandidat für die AfD im Wahlkreis 26 und dort der Mitbewerberin Tina Fischer von der SPD unterlegen, sieht das Wahlergebnis „nicht wirklich als Niederlage, zeigt es doch, dass 28,7 Prozent der Wähler im Wahlkreis eben kein weiter so für sich wollen und das gibt mir Hoffnung für unser schönes Brandenburg“. Weniger sein persönliches Ergebnis als das seiner Partei steht für Stefan Ludwig, Direktkandidat der Linken im Wahlkreis 27, im Mittelpunkt. „Es ging ja nicht um mich“, sagt er, er haben seinen Namen für die Partei in die Waagschale geworfen. Er sei enttäuscht, dass die Wähler seiner Partei nicht die Verantwortung für die Landespolitik übertragen hätten.

 

Themen, Themen, Themen

  Er werde, sagt Jan Schenk, „weiterhin die Belange der Bürger in Stadt und Kreis vertreten“ und sich dafür stark machen, „dass der Bürger Gehör findet“. Die AfD sei „die Partei des einfachen Bürgers“ und werde „weiterhin auf allen Ebenen diese Interessen als unser Hauptaufgabengebiet betrachten“. Sebastian Kilka, der Überraschungskandidat der kurz vor der Wahl gegründeten Partei „Deutsch Land Wirtschaft“ (DLW), hätte seine Themen über einen Sitz im Landtag „konstruktiver und nachhaltiger für die Region umsetzen können“. Das tue aber seiner Arbeit keinen Abbruch, sagt er: Er werde seine Arbeit mit den verschiedenen Interessengruppen im Spreewald fortführen, beispielsweise in der Spreewaldkonferenz, bei Staubeiratsitzungen und in der Bürgerinitiative „Spreewald statt Wildnis“.

 

 Stefan Ludwig (Linke). Foto: Dörthe Ziemer Auf die Netzwerke außerhalb des Parlaments setzt auch Stefan Ludwig von den Linken – dort werde man linke Politik fortführen. Dies müsse nun aber 100 Prozent ehrenamtlich erfolgen, was eine große Herausforderung darstelle. „Wir werden daran arbeiten, dass wir in fünf Jahren wieder am Start sind“, sagt er. Auch Benjamin Raschke und Andrea Lübcke (Bündnis 90/Grüne) setzen weiter auf ihre Themen – nun jenseits des Landtages. Man werde eine „starke außerparlamentarische Opposition“ bilden, kündigt Benjamin Raschke an. „Die Menschen erwarten Fortschritte bei den Themen ÖPNV, Klimaschutz und Wasser – und da ist jetzt keine Kraft im Landtag, die das vorantreibt.“ Dirk Thomas Wagner (FDP) sieht ganz andere Herausforderungen: „Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass es eine Stimme der Freiheit braucht, die sich für Leistung, Innovation und Fortschritt einsetzt und dabei die pragmatische Vernunft und nicht aufgeladene Emotion in den Vordergrund stellt.“ Er sehe „Politik nicht als 100-Meter-Lauf sondern eher als Marathon“, weshalb er sich weiterhin lokal für das Bürgerbündnis Wildau und „über Wildau hinaus für die liberale Idee in der FDP engagieren“ wolle.

 

Auch Tina Fischer (SPD) will weiter vor Ort präsent bleiben. Sie freue sich „über die Stimmen und das Vertrauen in meine Person und meine bisher geleistete Arbeit“. Neben ihrem Landtagsmandat ist sie Kreistagsabgeordnete in Dahme-Spreewald. Das gilt auch für ihre Parteikollegin Nadine Graßmel, und beide wollen ihre Kreistagsmandate behalten. Als Newcomerin im Landtag, sagt Nadine Graßmel, wolle sie schnell ihren Platz in der Fraktion finden. Bei der Mitarbeit an Themen seien ihr „der Pakt für Pflege, die medizinische Versorgung, die Kultur- und Sportförderung und die Kinder und Jugendlichen in Bezug auf Demokratiebildung und Schulsozialarbeit an den Schulen“ besonders wichtig. Zudem werde sie ein Wahlkreisbüro eröffnen, wo sie „unkompliziert erreichbar“ ist. 

 

 Kersten Haase (BVB/Freie Wähler). Foto: Dörthe ZiemerKersten Haase von BVB/Freie Wähler blickt nun auch wieder auf den Kreistag, dem seit Juni angehört, und sagt, er habe aus dem Landtagswahlkampf auch viel für die weitere Arbeit dort mitgenommen. Ähnlich sieht es Claudia Mollenschott, Direktkandidatin der Linken im Wahlkreis 26. Sie sei als Mitglied des Kreistages und in die Gemeindevertretung Schulzendorfs für regionale Themen gewählt worden, sagt sie. „Bildung, wirtschaftliche Entwicklung, ÖPNV, Gesundheitspolitische Aufgaben und Angebote für Senioren sind regional durch die Wahl unverändert Schwerpunkte meiner Arbeit.“ Björn Lakenmacher (CDU), der den Einzug in den Landtag nicht erneut geschafft hat, sieht – im Falle einer Regierungsbeteiligung seiner Partei – vor allem die Schwerpunkte innere Sicherheit, Wirtschaft und gute Bildung als die Themen, mit denen man „eine Politik für die Menschen in Brandenburg machen“ könne.

 

Konsequenzen für die Parteien

 Dirk Thomas Wagner (FDP). Foto: Dörthe Ziemer Björn Lakenmacher macht keinen Hehl aus seiner Hoffnung, dass die CDU in Brandenburg Regierungsverantwortung übernehmen werde. Sein Parteikollege Kay Drews, Direktkandidat im Wahlkreis 28, fordert derweil in einem Interview mit der Lausitzer Rundschau den Rücktritt des Parteivorstandes in Brandenburg. Dieser hat jedoch dem Landesvorsitzenden Jan Redmann nach der Wahl das Vertrauen ausgesprochen. Die Wokreisel-Fragen wollte er jedoch nicht beantworten. Auch Dirk Thomas Wagner (FDP) ist für Konsequenzen in seiner Partei: „Ich habe mich bereits anlässlich des Mitgliederentscheides für ein vorzeitiges Ende der für die FDP toxischen Ampel-Koalition ausgesprochen. Es reicht offensichtlich nicht, als der Partner wahrgenommen zu werden, der das Schlimmste verhindert hat.“ Kersten Haase (BVB/Freie Wähler) sagt, er hoffe sehr, „dass die Parteien SPD und CDU es als Warnung ansehen und die SPD sich nicht feiern lässt“. Stefan Ludwig (Linke) befürchtet, dass die SPD nicht verstanden habe, dass die meisten Wähler vor allem Dietmar Woidke gewählt und das politische Angebot der Partei „nicht so doll“ gefunden hätten.

 

 Antony Jonneck (Plus Brandenburg, Volt). Foto: Dörthe ZiemerAls noch junge Partei habe die Wahl für DLW vor allem dazu gedient, im Wahlkampf zu lernen, berichtet Sebastian Kilka. Nun stehe die Gründung weiterer Landesverbände und der Ausbau des Netzwerk an – neben der Mitgliederwerbung. Dass die Landespolitik neue Kräfte wie Plus Brandenburg und die neue Partei Volt brauche, ist für Antony Jonneck Erkenntnis aus dem Wahlkampf und Aufgabe für die kommenden Jahre. „Erst wenn neue und zeitgemäße Blickwinkel in die aktuelle Politik Einzug halten, wird sich langfristig etwas verändern“, sagt er. Er wolle bei kommenden Wahlen weiterhin antreten, um den Einzug von Volt in die Kommunal- und Landespolitik zu erreichen: „Mein Ziel ist es, dass Volt 2028 flächendecken in Brandenburg antreten kann, denn wir sind ein aufstrebender Stern!“

 

Mehr auf Dialog setzen

Weniger aufstrebend, sondern mit dem Aufstieg des BSW vielmehr im Sinkflug, ist die Linke. Ihre Kandidatin Claudia Mollenschott fordert, dass alle Ziele nach dieser Wahl auf den Prüfstand müssten. Viel wichtiger sei es zudem, „ununterbrochen mit den Bürgerinnen und Bürgern im Gespräch zu bleiben und ihre Ängste und Sorgen zu vertreten, und dies nicht immer nur vor einer Wahl“. Da ist sie mit Björn Lakenmacher (CDU) auf gleicher Wellenlänge. Sein Haustürwahlkampf habe ihm gezeigt, sagt er, dass „der direkte Dialog mit den Wählerinnen und Wählern wichtiger denn je“ sei. 

 

Das sieht auch Tina Fischer so. Es komme jetzt nochmal mehr darauf an, andere nicht zu überrollen und „Themen jenseits der starren Regeln im Parlament mitdenken zu lassen“, sagt sie. Sie sei sich bewusst, dass viele Menschen strategisch abgestimmt hätten. „Insofern ist die Verantwortung für mich, ehrlich gesagt, noch größer geworden“, resümiert sie. Auch Nadine Graßmel rät zu Demut angesichts des Wahlergebnisses: „Wir müssen mehr bei den Menschen sein und Politik erklären.“ Damit dürften sie bei Sebastian Kilka auf offene Ohren stoßen. Der Landwirt und Direktkandidat für DLW im Wahlkreis 28 fordert, Politik wieder mehr „im Sinne der Bevölkerung“ zu machen und die Menschen in politische Entscheidungen einzubeziehen. 

 

Nadine Graßmel (SPD). Foto: Dörthe ZiemerNadine Graßmel weist aber auch darauf hin, dass man auch eine Verantwortung habe, „demokratische und menschenfreundliche Politik zu leben“. Man müsse „wachsam sein, wo Grenzen überschritten werden“. Für die SPD sei der Wahlsieg eine Fahrt ins Unbekannte, stellt Dirk Thomas Wagner (FDP) fest, denn eine Politik „gegen die Wundertüte BSW“ sei nicht möglich. Das Wahlergebnis sei nicht nur für die Bündnisgrünen schlecht, sondern für die Gesellschaft insgesamt, resümiert Andrea Lübcke (Bündnis 90/Grüne), denn Klima- und Umweltschutz sei nicht mehr im Landtag vertreten. „Eine starke Stimme für soziale Gerechtigkeit, gleiche Bildungschancen, eine weltoffene Gesellschaft, für eine menschliche Migrationspolitik fehlt nun im Parlament“, sagt sie. Hinzu komme die Sperrminorität der AFD, die Brandenburg „deutlich weiter nach Rechts“ bringen werde. „Der Sieg der SPD wurde teuer auf Kosten der demokratischen Mitte erkauft – aus meiner Sicht ein viel zu hoher Preis.“

 

Hinweis: Es wurden alle Direktkandidaten in LDS kontaktiert, bei denen eine direkte Kontaktaufnahme möglich war. 

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Veröffentlichung

Do, 26. September 2024

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