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Munition aus Lübben

Im Spreewerk Lübben werden wieder Teile für Munition hergestellt: Die für „eine kleine Produktionsstraße“ erforderliche Genehmigung liege nach Unternehmensangaben seit Ende Mai vor. Nur von welcher Behörde diese erfolgte, ist offenbar unklar.

 

Von Dörthe Ziemer

 

Munitionsproduktion in der Nachbarschaft: Das Thema ist in Lübben kein neues. Zu DDR-Zeiten waren im Volkseigenen Betrieb (VEB) Spreewerk Lübben rund 800 Menschen beschäftigt. Erinnerungen an diese Zeit sind noch wach – viele Lübbener waren selbst dort beschäftigt oder kennen irgendjemanden, der dort gearbeitet hat und in der Wendezeit irgendwann ohne Job dastand, weil plötzlich die Aufträge weggefallen sind. Der Betrieb wurde auf die Zerlegung von Munition, später auf Recycling von Batterien umgestellt. Wer das Spreewerk heute besucht, unternimmt eine kleine Zeitreise: Stil und Ausstattung mancher Räume versetzen Besucher in DDR-Betriebsatmosphäre.

 

Übernahme durch Tauber-Gruppe und Kooperation mit Diehl Defence

Im vergangenen Jahr war das Werk mit damals rund 30 Mitarbeitern von Schließung bedroht, nachdem erst im Jahr 2023 nach langen Verhandlungen ein neuer Bebauungsplan in Kraft getreten war, um neue Geschäftsfelder zu erschließen. Der B-Plan sei „Grundlage zur Geschäftsfelderweiterung um das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien”, teilte das Spreewerk, damals ein Unternehmen der Technologie-Gruppe General Atomics Europe, im August 2023 mit. Anfang 2024 informierte das Spreewerk darüber, dass der operative Betrieb eingestellt werde, man habe nicht kostendeckend arbeiten können. Am 1. Juli hieß es wiederum, das Werk bleibe doch erhalten, weil die Tauber Unternehmensgruppe eingestiegen sei. Sie arbeitet im Bereich Kampfmittelräumung und Systemtiefbau.

 

Am 29. August gab Tauber bekannt, mit dem Rüstungshersteller Diehl Defence das Joint Venture ‚TD Services GmbH‘ gegründet zu haben – es solle „unter anderem dem Ausbau von Kapazitäten der Unternehmen in den Bereichen Munitionsentsorgung, Logistik und Bestandsmanagement dienen”. Durch die Partnerschaft zwischen Diehl Defence und der Tauber Unternehmensgruppe werde „die industrielle Basis zur Realisierung des beabsichtigten Produktionsaufbaus gestärkt, so zum Beispiel durch den Erwerb von Lager-, Logistik- und Delaborierungskapazitäten”, heißt es in der Mitteilung. Helmut Rauch, Geschäftsführer von Diehl Defence, erklärt dort, dass „das neue Joint Venture einen wesentlichen Beitrag zur dringend notwendigen Munitionsbevorratung und damit zur Herstellung der Wehrhaftigkeit der Bundesrepublik Deutschland” leiste. 

 

Dreh- und Angelpunkt: der Bebauungsplan

Doch ist das alles an diesem Standort, an dem eigentlich recycelt und entsorgt werden sollte, möglich? Der Bebauungsplan (B-Plan) sieht als Zweckbestimmung das Recycling von Großbatterien, Katalysatoren und Pyrotechnik sowie die Entsorgung von Munition und die Veredlung von Sprengstoff vor. Die Stadtverwaltung Lübben teilte im Oktober 2024 dazu mit: „Der aktuelle Stand der Prüfung geht davon aus, dass das beantragte Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist und somit das gemeindliche Einvernehmen der Stadt hergestellt werden kann.” Grundlage hierfür sei eben jener Bebauungsplan Nr. 27 „Spreewerk Börnichen“, der im Januar 2023 beschlossen wurde. Zu einem Antrag auf Bauvoranfrage beim Landkreis Dahme-Spreewald hatte die Stadt eigenen Angaben zufolge festgestellt, „dass die planungsrechtliche Zulässigkeit für das geplante Vorhaben gegeben ist“, und daraufhin das gemeindliche Einvernehmen erteilt. Zugleich habe sie um juristische Überprüfung der städtischen Rechtsauffassung durch den Landkreis gebeten.

 

Im Kreistag im Dezember hatte die zuständige Dezernentin Heike Zettwitz auf eine Anfrage geantwortet, dass dem Landkreis lediglich ein Antrag auf Vorbescheid zur Prüfung der planungsrechtlichen Zulässigkeit der künftigen Produktionsvorhaben im Spreewerk Lübben vorliege. Das Bauordnungsamt habe den Antragsteller um eine Konkretisierung der Antragsunterlagen gebeten – bis zum Zeitpunkt der Aussage ohne Antwort. Die Dezernentin wies darauf hin, dass der bestehende Bebauungsplan der Stadt Lübben nur in einem „sehr untergeordneten Punkt“ die Pläne des Investors an diesem Standort zulasse. Aktuell verweist die Kreisverwaltung auf Nachfrage darauf, dass sie „als Träger öffentlicher Belange im Genehmigungsprozess involviert“ ist, verfahrensleitende Behörde sei jedoch das Landesamt für Umwelt (LfU).

 

Verfahrensführung liegt beim Landesumweltamt

Nach eigenen Angaben ist das LfU ist zuständig für Genehmigungen zu sämtlichen Anlagen, die in der 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung aufgeführt sind. Die Anlage Spreewerk Lübben falle (unter anderem) „unter Nummer 10.1“, informiert Sprecher Thomas Frey. Dazu gehören „Anlagen, in denen mit explosionsgefährlichen oder explosionsfähigen Stoffen im Sinne des Sprengstoffgesetzes umgegangen wird zur Herstellung, Bearbeitung oder Verarbeitung dieser Stoffe, zur Verwendung als Sprengstoffe, Zündstoffe, Treibstoffe, pyrotechnische Sätze oder zur Herstellung derselben, ausgenommen Anlagen im handwerklichen Umfang und zur Herstellung von Zündhölzern sowie ortsbewegliche Mischladegeräte, oder Wiedergewinnung oder Vernichtung dieser Stoffe“. Hierbei ist sogar ein Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und kein vereinfachtes Verfahren vorgesehen. 

 

Aktuell liege kein Genehmigungsantrag vor, so Thomas Frey. Bislang habe es „lediglich mehrere Vorabstimmungen zu einem potenziell von dem Vorhabenträger beabsichtigten Antrag“ gegeben. „In einem potenziellen Genehmigungsverfahren obliegt es zunächst dem Landkreis – und dort konkret der unteren Bauaufsichtsbehörde – als im immissionsschutzrechtlichen Verfahren zu beteiligender Fachbehörde, die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Festsetzungen des B-Plans zu beurteilen“. Die Stadt werde dabei insofern beteiligt, dass sie prüfe, ob „das gemeindliche Einvernehmen, insbesondere im Hinblick auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit“, erteilt werden könne, teilt Bürgermeister Jens Richter mit. Bislang habe das Rathaus jedoch keine Beteiligung seitens der Genehmigungsbehörde in Form eines konkreten Bauantrags vom Vorhabenträger Spreewerk erreicht.

 

„Kleine Produktionsstraße“ für „Bauteile mit Explosivstoffen“

Doch für eine „kleine Produktionsstraße“, in der „Bauteile mit Explosivstoffen“ im Spreewerk entstehen, liege seit Mai die Genehmigung vor, teilt Unternehmenssprecher Simon Gremmler mit. Von welcher Behörde konkret, kann er jedoch nicht sagen. Aus dem LfU als Genehmigungsbehörde kam die aktuelle Genehmigung jedenfalls nicht, wie Thomas Frey mitteilt. Von dort sei bereits 2019 eine Genehmigung für „die Herstellung sog. ‚Booster-Ladungen‘“ erteilt worden, so der Sprecher. Dabei handele es sich „um kleinere Zündladungen, die den eigentlichen Explosionsvorgang in eingesetzten Explosivkörpern initiieren“, womit auch die vom Spreewerk genannten „Bauteile mit Explosivstoffen“ gemeint sein könnten. 

 

„Wir schauen natürlich, dass wir alle erforderlichen Genehmigungen einholen“, versichert derweil Simon Gremmler. Inwiefern sich Planungen nach den ersten Behördengesprächen geändert haben, sagt er nicht direkt: „Unsere Pläne haben sich weiter verfestigt, wir planen weitere Produktionsstrecken.“ Bis 2027 soll alles abgeschlossen und 60 Millionen Euro investiert worden sein. Bereits jetzt habe man die Mitarbeiterzahl im Vergleich zum vergangenen Jahr auf 65 mehr als verdoppelt. 150 weitere könnten es am Standort Lübben werden, so Simon Gremmler.

 

Anpassung der Gefahrenabwehr

Auch wenn die Stadt Lübben nicht Genehmigungsbehörde ist, so obliegt ihr als Trägerin des Brandschutzes doch die Einschätzung von Gefahren für Bürger. 2018 war es im Spreewerk Lübben zu einer Explosion mit Brand und starker Rauchentwicklung gekommen, ein Mann starb dabei. 2002 waren bei einer Explosion vier Menschen ums Leben gekommen. Tagelang waren Feuerwehren und Hilfskräfte im Einsatz, Koordination und Kommunikation wurden u.a. von Stadt- und Kreisverwaltung geleistet. 

 

Im Gefahrenabwehrbedarfsplan (GAP) der Stadt ist das Spreewerk als „individueller Risikoschwerpunkt“, von dem ein „besonderes Gefährdungspotential“ ausgehe, bezeichnet. So bestehe u.a. die Gefahr, dass sich Gefahrstoffe freisetzen oder dass sich „Unbefugte Zugang zu den Spreewerken verschaffen, um sich Sprengmittel anzueignen“. Deshalb wurde laut GAP ein entsprechender Notfallplan erarbeitet, der beim Ordnungsamt, der Kreisverwaltung und in der Leitstelle ausliege. Der bestehende GAP stammt aus dem Jahr 2021, als weder an den Krieg gegen die Ukraine noch an die neuerliche Produktion von Munitionsteilen zu denken war. Die Kreisverwaltung teilt darüber hinaus mit, dass die Katastrophenschutzbehörde des Landkreises bereits mit der Stadtverwaltung Lübben, dem LfU und dem Arbeitsschutz im Spreewerk zu einer Besichtigung des Ist-Zustandes vor Ort war. „Grundsätzlich ist das Kreisordnungsamt entsprechend sensibilisiert“, es stehe mit dem LfU und dem Umweltministerium in Kontakt, heißt es weiter.

 

Polarisierte Meinungen in der Stadt

Über konkrete Gefahren-Analysen hinaus gibt es verschiedenste Meinungen in der Stadt zu dem Vorhaben im Spreewerk, von denen die Bürgerinitiative „Unser Lübben“ (BI) und die AfD-Fraktion mit der Kreistagsfraktion AfD/FWKW wohl die gegensätzlichsten vertreten. Letztere hat „in enger Abstimmung mit der AfD-Stadtfraktion“ eine aktuelle Stellungnahme veröffentlicht: Sie sehe „erhebliche Defizite bei der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr“ und begrüße, dass Aufträge für Rüstungsproduktion der Bundesregierung „vorrangig an deutsche Rüstungsunternehmen“ gingen. Die Produktion in Lübben stärke den industriellen Standort, binde Fachkräfte und sei logistisch ein guter Ort. 

 

Ganz anders die BI „Unser Lübben“, die sich zunächst als migrationsfeindliche Initiative gegen eine Lübbener Flüchtlingsunterkunft gegründet hatte und dann den Bauernprotesten im Januar/Februar 2024 beigesprungen war: Sie hat eine Petition auf den Weg gebracht und fordert „die Einstellung der Planung und der Produktion von jeglichen Rüstungsgütern im Spreewerk“. Auf ihrer Homepage heißt es: „Egal, wie jeder zur Entwicklung des Krieges steht – das Töten von Menschen muss aufhören und nicht eskalieren. Einziger Weg dorthin sind Gespräche und Verhandlungen.“

 

Allerdings wird über Kriege in Europa und der Welt nicht in Lübben entschieden. 

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Do, 19. Juni 2025

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