Die Wahl von Heike Zettwitz zur Ersten Beigeordneten am 2. April im Kreistag verlief für Außenstehende überrasschend: Im ersten Wahlgang gab es keine Mehrheit für sie, im zweiten änderte die Fraktion SPD/Grüne/Linke/WfKW/BIS nach einem Gespräch mit dem Landrat ihr Wahlverhalten und verhalf Heike Zettwitz zu einer satten Mehrheit.
Denn eigentlich waren sich die Mehrheit des Kreistages und Landrat Sven Herzberger (parteilos) einig: Die bisherige Beigeordnete und Baudezernentin Heike Zettwitz (CDU) ist die beste Kandidatin für die Stelle der Ersten Beigeordneten und Vize-Landrätin von Dahme-Spreewald. Entsprechend gingen Fraktionen und Landkreis nach der Wahl auf ihren Kommunikationskanälen auf die hervorragende Eignung von Heike Zettwitz ein und lobten ihre Fachlichkeit, Sachlichkeit, Erfahrung und ihr Einfühlungsvermögen. Kaum Erwähnung fand im Nachhinein, dass es zwei Wahlgänge brauchte. Im ersten wurde der Wahlvorschlag mit 25 zu 31 Stimmen abgelehnt, im zweiten fand er eine deutliche Mehrheit von 40 zu 16 Stimmen. Dahinter steht die nicht ganz unwichtige Frage: Welche Rolle spielt Parteipolitik bei der Zusammenarbeit zwischen Kreistag und Verwaltungsspitze?
Die UBL-Fraktion beruft sich auf das Wahlgeheimnis und kommentiert das überraschende Abstimmungsverhalten nicht, ebenso wenig wie die Fraktion CDU/FDP/Bauern/StdD. Zünglein an der Waage war offenbar die Fraktion SPD/Grüne/Linke/WfKW/BIS. Sie hatte, wie auch die AfD-Fraktion, für eine geheime Abstimmung votiert. Sie war mit 17 Abgeordneten anwesend, die AfD vollzählig mit 14. Zusammengenommen sind das 31 Stimmen – genauso viele, wie im ersten Wahlgang gegen Heike Zettwitz stimmten.
Die Fraktion SPD/Grüne/Linke/WfKW/BIS begründet das unterschiedliche Abstimmungsergebnis zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang als „Ausdruck eines lebendigen demokratischen Prozesses“: „Nach dem ersten Wahlgang hatte unsere Fraktion die Gelegenheit zu einem intensiven und offenen Austausch“, schreibt der Fraktionsvorsitzende Thomas Irmer auf Nachfrage. Das habe dazu beigetragen, „dass wir unsere Haltung im zweiten Wahlgang neu bewertet haben“. Ausschlaggebend sei die fachliche Kompetenz und persönliche Integrität der Kandidatin gewesen. „Ihre bisherige Arbeit hat gezeigt, dass sie bereit ist, teamorientiert und über Parteigrenzen hinweg zum Wohle des Landkreises zu handeln“, so Thomas Irmer. Das Parteibuch habe „keine zentrale Rolle“ gespielt.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Vincent Fuchs bestätigte im Nachgang, dass seine Fraktion lieber den eigenen Bewerber Oliver Calov als Beigeordneten gesehen hätte. Kersten Haase, Fraktionsvorsitzender von BVB/Freie Wähler, kritisiert die linksgrüne Kreistagsfraktion: „Wir finden das besonders von der großen Fraktion SPD sehr peinlich, weil es um die Person Frau Zettwitz ging und nicht um die CDU“, schreibt er auf Nachfrage und kritisiert: „Hinterher auch noch ein Bild zu posten und so zu tun, als wäre alles toll.“
Aber welche Rolle spielen die Parteizugehörigkeit und -nähe von Beigeordneten, die immerhin vom Kreistag gewählt und nicht lediglich vom Landrat eingestellt werden? Zunächst einmal gilt auch für Beigeordnete als Führungskräfte in der Verwaltung die Bestenauslese: Sie/er muss von allen Bewerbern am besten für das Amt geeignet sein. Allerdings macht die Tatsache, dass Beigeordnete laut Kommunalverfassung durch den Kreistag gewählt (und abgewählt) werden, das Ganze zu einer politischen Angelegenheit. Juristen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass es keine gänzlich unpolitische Kommunalverwaltung gibt und sowohl Sachentscheidungen als auch als Parteipolitik eine Rolle spielen. Es gibt auch die Sichtweise, dass Beigeordnete als vom Kreistag Gewählte ein Bindeglied zwischen Kreistag und Landrat seien - ein „verlängerter Arm“ für die Themen, die aus dem Kreistag zur Umsetzung eingebracht werden.
Auch in Dahme-Spreewald spielte in der Vergangenheit das Parteibuch von Beigeordneten oder ihre Nähe zu einer Partei immer wieder eine Rolle. So wurde dem einstigen Kandidaten für das Sozialdezernat Thomas Drescher SPD-Nähe attestiert. Er wollte 2021 die Nachfolge von Carsten Saß (CDU) antreten. Der damalige Kreistagsabgeordnete Karl Uwe Fuchs (FDP) meinte laut Protokoll, dass die Führungsspitze des Landkreises „paritätisch“ aufgestellt sein müsse. „Bei einer Wahl von Herrn Dr. Drescher würden faktisch drei der vier Führungspersönlichkeiten des Landkreises der SPD angehören“, so sein damaliger Einwand. Gleichwohl votierte der Kreissausschuss damals einstimmig für den Personalvorschlag. Überraschend fiel dieser dann im Kreistag zweimal durch und wurde vom damaligen Landrat zurückgezogen. Mit Stefan Wichary folgte schließlich ein parteiloser Beigeordneter.
Die politische Bedeutung des Wahlamtes führt der AfD-Fraktionsvorsitzende Vincent Fuchs als Begründung für die Abstimmung seiner Fraktion an. Mit Oliver Calov habe „ein überaus qualifizierter Kandidat zur Verfügung“ gestanden. „Historisch gesehen waren die Dezernenten – und somit auch die 1. Beigeordnete – entsprechend der stärksten politischen Kräfte im Landkreis besetzt, um eine angemessene repräsentative Vertretung der Bürger sicherzustellen“, teilt Vincent Fuchs mit. Weil die AfD im Landkreis zuletzt „deutlich als stärkste Kraft“ hervorging, halte es die Fraktion „für folgerichtig, dass diese Stärke auch in der Besetzung der Beigeordneten angemessen Berücksichtigung findet“. Stärkste Kraft zu sein, bedeutet indes noch nicht, eine Mehrheit im Kreistag zu haben, wie die Abstimmung am 2. April geteigt hatte.
Eine deutliche Mehrheit gab es im zweiten Wahlgang schließlich doch für Heike Zettwitz. Mindestens drei Mal hatte der Landrat zuvor betont, dass sie ungeachtet ihres CDU-Parteibuches stets “überparteilich” arbeite. Laut Pressemitteilung sei Heike Zettwitz bei der Annahme der Wahl selbst darauf eingegangen, überparteilich arbeiten zu wollen. Tatsächlich hat sie dies öffentlich so nicht gesagt. Vielleicht war dem Landrat und der Kandidatin bewusst, dass die Fraktion, die im November „ihre“ Beigeordnete Susanne Rieckhof (SPD) via Abwahl verloren hatte, nun nicht unbedingt leichtfertig für eine Kandidatin mit anderem Parteibuch stimmen würde. So ließe sich zumindest das Überbetonen der Überparteilichkeit erklären.
Und ganz offensichtlich ist weder der CDU noch der neuen Ersten Beigeordneten die parteiliche Zusammengehörigkeit gänzlich egal: Auf der Internetseite der Fraktion CDU/FDP/Bauern/StdD posiert Heike Zettwitz inmitten der Partei- und Fraktionskollegen. Wenige Tage nach der Wahl war sie beim Frühjahrsempfang der Kreis-CDU zu Gast und nahm Glückwünsche zu ihrer Wahl entgegen.