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Mit Emotion und Schärfe – Unterschriftensammlung in Wildau startet

Die Bürgerinitiative in Wildau sammelt einen Monat lang Unterschriften für ein Abwahlverfahren gegen Bürgermeisterin Angela Homuth. Einen Neustart gebe es jedoch nur, wenn auch die Stadtverordneten neu gewählt werden, sagt ein Unterstützer.

 

Von Dörthe Ziemer


„Ist es nicht die gemütlichste PK, die Sie erlebt haben?“, fragt Christine Stüber-Errath am Ende in die Runde, „es gibt sie nur, weil es endlich dieses Café gibt.“ Das neue Café auf dem Wildauer Hochschul-Campus ist so etwas wie die neue Heimstatt der Bürgerinitiative für Demokratie und Transparenz (BI): Hier finden regelmäßig Stammtische statt, bei denen die Stadtpolitik diskutiert wird – über das, was war, aber auch das, was sein könnte. Die Bürgerinitiat ive hat sich im Frühjahr gegründet, um mehr Transparenz für Bürger einzufordern. Daraus war recht bald das Ziel entstanden, Bürgermeisterin Angela Homuth abzuwählen.

 

Der erste formale Schritt dorthin ist am 29. Oktober gemacht worden. An diesem Tag startet vor den Augen und Kameras von Pressevertretern und Mitstreitern die Unterschriftensammlung, die zu einem Abwahlverfahren führen soll: Christine Stüber-Errath, László Ungvári und Thomas Kuhn – Gründer der Initiative – unterzeichnen als Erste auf der Unterschriftenliste. Innerhalb eines Monats müssen in einem laut Kommunalverfassung so genannten Bürgerbegehren mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten dafür unterschreiben, dass ein Bürgerentscheid stattfinden soll. In Wildau sind dies, erläutert Christine Stüber-Errath, genau 2114 Unterschriften, „wir haben aber einen Puffer angesetzt und wollen 2.500 Unterschriften einsammeln“.

 

"Den Bürgerwillen erfragen"

 

„Es geht uns darum, den Bürgerwillen zu erfragen“, sagt Christine Stüber-Errath – und zwar von Haustür zu Haustür und auf dem Marktplatz. 70 Freiwillige hätten sich dafür gefunden. Ein Büro bei der Wohnungsgenossenschaft Wildau ist vier Wochen lang werktags von 15 bis 19 Uhr besetzt. Nach Übergabe der Sammlung ermittelt der Wahlleiter das Ergebnis des Bürgerbegehrens, d.h., er kontrolliert, ob alle Unterschriften gültig sind und die notwenige Anzahl zusammengekommen ist. Sind die Voraussetzungen für die Durchführung eines Bürgerentscheides, also einer Abstimmung über die Abwahl gegeben, muss dieser innerhalb von zwei Monaten durchgeführt werden. An diesem Tag können alle Wahlberechtigten an der Urne über ein Ja oder Nein zur Abwahl abstimmen. Ein Bürgermeister ist abgewählt, wenn eine Mehrheit der Wähler, mindestens jedoch ein Viertel der Wahlberechtigten, für die Abwahl stimmt.

 

Christine Stüber-Errath (M.) führt durch die Pressekonferenz. Foto: Dörthe Ziemer

 

Vor der öffentlichkeitswirksamen Unterzeichnung vor klickenden Kameras hat die Bürgerinitiative die Argumente für eine Abwahl der Bürgermeisterin nochmals zusammengefasst. Sie sind auf Flyern in Lang- und Kurzfassung sowie auf der Homepage nachzulesen – begleitet von großer Emotionalität und einiger Schärfe in den Formulierungen. Man habe nichts gegen Angela Homuth persönlich, heißt es vor Ort, aber sie besitze nicht die Sozial- und Personalführungskompetenz sowie die Empathie, die es zur Amtsausführung brauche. Blockaden und Angst hätten sich in der Stadt breitgemacht, hinzu kämen „große materielle Schäden“ und „Steuerverschwendung“. Das Wir-Gefühl, häufig als „Wildauer Weg“ bezeichnet, sei verloren gegangen. Man registriere Stillstand und Rückwärtsbewegung. Hunderte Fragen, die an die Bürgermeisterin gestellt wurden, seien nicht oder unzureichend beantwortet worden.

 

Versuche der BI, Kontakt zur Bürgermeisterin aufzunehmen, seien ins Leere gelaufen, heißt es an einer Stelle – und an anderer: Einzelne Mitglieder der BI hätten mit ihr gesprochen, auch die Gesprächsangebote der Bürgermeisterin für alle Bürger wie Speaker’s Corner oder Online-Sprechstunde seien genutzt worden. „Diese Möglichkeiten werden von den Bürgern gut angenommen“, bestätigt Angela Homuth auf der Stadt-Homepage nach einer Anfrage des Wokreisel. Auch mit Mitgliedern der BI habe sie gesprochen. „So gab es ein Gespräch mit Herrn Prof. Dr. Ungvári im Rathaus und auch mit Herrn Kuhn gab es mehrere Gespräche zu den verschiedensten Themen. Auch Frau Stüber-Errath wurden bereits mehrfach Gespräche angeboten. Diese wurden von ihr bisher aber leider alle abgelehnt.“

 

Zahlreiche Unterstützer, Wildauer und Nicht-Wildauer, hatten sich zur Pressekonferenz eingefunden. Foto: Dörthe Ziemer

 

Auch Nicht-Wildauer unterstützen die Bürgerinitiative, so der stellvertretende Vorsitzende des Kreistages Karl-Uwe Fuchs (FDP), der während der Pressekonferenz zunächst die Professionalität der BI lobt. Christine Stüber-Errath kündigt ihn als Vize-Präsident an, womöglich war dieser etwas zu große Begriff der Emotionalität geschuldet, die diesen Vormittag begleitete. Karl-Uwe Fuchs nimmt Stellung zu den Ergebnissen der Ermittlungsverfahren, die gegen die Bürgermeisterin liefen. Davon bestätigte sich der Vorwurf der Abgeordnetenbestechung, resultierend aus ihrer Zeit als Stadtverordnete, nicht. Ein weiteres Verfahren, in dem es um die gesponserte Wahlsiegfeier ging, wurde gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Formal sei die Bürgermeisterin unschuldig, sagte er. Dennoch sei es eine Frage der Haltung, ob sich jemand so eine Feier finanzieren lasse oder nicht.

 

"Klima der Angst" in der Stadt?

 

Das immer wieder erwähnte „Klima der Angst“ in der Stadt will Heinz Hillebrand, Fraktionschef der Linken und zugleich verdi-Gewerkschafter, damit zu unterlegen, dass bei der Wildauer Wohnungsbaugesellschaft als kommunalem Unternehmen mehr als die Hälfte der Belegschaft gekündigt wurde oder selbst gekündigt bzw. Änderungskündigung erhalten habe. Im Wildorado sei Betriebsräten gekündigt worden. Anzeigen und Drohungen seien unterwegs. Auch Berthold Pohl als ehemaliger Rathaus-Mitarbeiter habe so einen Brief erhalten, erzählt dieser. Frank Nerlich von der Fraktion Bürger für Wildau/Grüne beziffert vor Ort die anwaltlichen Kosten für alle städtischen Betriebe auf über eine halbe Million Euro seit 2019.

 

Bürgermeisterin Angela Homuth teilt dazu mit, dass „sich die Beratungskosten der Stadt Wildau im Rahmen des Haushaltsplanes“ halten, und nennt ein Beispiel für Ausgaben in diesem Bereich: „Das von Herrn Hillebrand gegen die Stadtverordnetenversammlung angestrebte Verfahren hat er verloren. Im Nachgang dazu hat er dann die Stadt Wildau verklagt. Dieses Verfahren ist noch immer nicht beendet, da das Gericht es allenfalls als durchschnittlich dringlich betrachtet. Das verursacht demzufolge natürlich unnötige Kosten.“ Im Rathaus habe es arbeitgeberseitig „nicht eine einzige Kündigung“ gegeben. Was die Kündigungen in den Gesellschaften betreffe, so müssten diese direkt befragt werden, hieß es per Mail.

 

Die Vorwürfe der BI richten sich auch gegen konkrete Projekte der Stadt: Die Grundschul-Erweiterung steht in der Kritik ebenso wie der Kita-Bau. Einschätzungen der BI zu diesen Vorhaben stehen den Darstellungen des Rathauses gegenüber. Beispiel Grundschule: Hier habe, sagt Berthold Pohl, ehemaliger Mitarbeiter im Bereich Bauwesen, die Bürgermeisterin ein bestehendes Projekt einfach gestoppt, ohne die Expertise des Fachamtes zu berücksichtigen – weshalb er, inzwischen im Ruhestand, weiter für das Projekt kämpfe. Die Bürgerinitiative äußert immer wieder Unverständnis darüber, warum das Projekt verändert und teuer wurde. Das Rathaus hingegen stellt den Werdegang des Projektes auf der Homepage als Folge von Diskussionen Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung dar.

 

Vorwürfe auch gegen die Stadtverordnetenversammlung

 

Immer wieder mischen sich in die Vorwürfe gegen die Bürgermeisterin auch Urteile über die Stadtverordnetenversammlung (SVV): „ist mit dieser SVV nicht zu machen“, „die 12:7-Mehrheit wird immer gezogen“. Frank Nerlich beschreibt die Arbeit in dem Gremium als schwierig: „Dinge werden in Hinterzimmern entwickelt und entschieden“, sagt er. Das bringt Carsten Kröning, Nicht-Wildauer und Chef der Wohnungsbaugenossenschaft Wildau, die der BI den Raum für die Unterschriftenaktion zur Verfügung stellt, zu der Schlussfolgerung: „Einen Neustart gibt es nur, wenn neben der Bürgermeisterin auch die Stadtverordnetenversammlung zurücktritt.“ Sie sei zwar von den Wildauern gewählt worden, aber „in eine Schieflage“ geraten.

 

Wie soll es vor diesem Hintergrund weitergehen, selbst wenn es irgendwann eine/n neue/n Bürgermeister/in geben sollte? „Die BI hat auch weiterhin ihre Berechtigung als Partner für die Stadtentwicklung“, sagt László Ungvári. „Wir werden uns weiter um die Bürger bemühen, was die Stadtverordneten vielleicht nicht so sehr leisten können. Die Menschen haben uns als Forum akzeptiert, in dem sie ihre Probleme thematisieren können.“ Er verweist auf den Stammtisch mit allen Fraktionsvorsitzenden am 8. Oktober: „Das ist früher nicht passiert. Die Stadtverordneten waren unter sich, mit ihrer 12:7-Maschinerie.“ Vom „SPD-Umfeld“ sei die Idee gekommen, ergänzt Christine Stüber-Errath, dass man die Fachausschüsse mit mehr Fachleuten besetzen und die BI einbeziehen könnte. Karl-Uwe Fuchs zeigt sich sicher, dass mit einem neuen Bürgermeister ein Umdenken in der SVV stattfinden und mehr Kompromisse geschmiedet würden. „Alles andere wäre gegen den Willen der Bürger.“

 

Den herauszufinden, dazu hat die Bürgerinitiative nun bis Ende November Zeit. Der Zwischenstand wird regelmäßig auf der Homepage der BI bekannt gegeben.

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Veröffentlichung

Mi, 03. November 2021

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