In der Oberförsterei Hammer hat der Wald viele Gesichter: Kino, Weihnacht, Fest, weise Worte. Einen wesentlichen Anteil daran hat Tim Ness. Der Oberförster ist nur noch bis zum März im Dienst und hinterlässt große Fußstapfen.
Von Birgit Mittwoch
„Gib niemals auf“ steht auf einem Zettel an der Pinnwand, darunter eine Kinderzeichnung mit einem braunen Waldtier, das vier lange Beine hat. Auf einem Schrank liegen besonders schöne Zapfen, ein verdorrt aussehender Eichenspross: Das Büro von Oberförster Tim Ness sagt so einiges über seinen Nutzer aus. Mehr als 30 Jahre war das Forsthaus Hammer sein Dienstsitz – mit einer Unterbrechung während der Sanierung des denkmalgeschützten Backsteingebäudes.
Die letzte Waldweihnacht, die Tim Ness mitorganisiert hat. Foto: Peter Mittwoch
Tim Ness und sein Team von der Oberförsterei Hammer haben gerade zum 16. Mal die „Waldweihnacht“ organisiert. Ein Fest, das zumindest in Brandenburg seinesgleichen sucht. Das Gelände des über 100jährigen Forsthauses öffnet sich für Besucher aus nah und fern, die einen Weihnachtsmarkt mit viel Holz, Naturmaterialien, Selbstgemachtem, Selbstgebrautem, prasselndem Lagerfeuer, Wildbratwurst vom waldeigenen Wild, Kiefern und Tannen aus dem forsteigenem Wald mögen – ohne Plastikspielzeug und Kommerz. Es wird die letzte Waldweihnacht sein, die Oberförster Tim Ness mitorganisiert hat. Anfang März 2025 beendet er seinen Dienst.
Tim Ness, im grünkarierten Hemd, kramt in alten Zeitungsartikeln. In einem ist er mit schwarzem Bart und Haar zu erkennen. Das ist 31 Jahre her. Schon damals musste er sich behaupten – Jäger bezichtigten ihn einer zu hohen Abschusszahl beim Rotwild. Ness argumentierte mit Fakten und fachkundig dagegen.
Oberförster Tim Ness
Fotos: Peter Mittwoch
Schon immer hatte er einen besonderen Blick auf den Wald, hat versucht, Waldwirtschaft als Dienst am Menschen zu denken. „Unser Wald hier gehört den Brandenburgern. Wir haben das Glück, hier arbeiten zu können, und wollen erklären, wie Waldwirtschaft und Natur zusammen gut funktionieren“, sagt der heute 62-Jährige. Früher, so erzählt er, war das Verhältnis der Menschen zum Wald ein anderes. Da galt Holz vor allem als Werkstoff, zuerst zum Bau von Schiffen, dann für Dachstühle, zum Heizen, die Eichenrinde wurde zum Gerben verwendet. Die Bedürfnisse haben sich seit einigen Jahren verändert. Heute ist Wald auch Erholungsort und immer wichtiger für eine gute CO2-Bilanz. „Wir schlagen heute weniger Holz ein, als zuwächst“, berichtet er. Konkret heißt das, nur ca. 70 Prozent des Holzes, das nachwächst, werden aus dem Wald entnommen. Im Ergebnis gibt es mehr Wald. Allerdings wird bundesweit Holz aus dem Ausland dazugekauft, das muss man sich auch leisten können als Land, meint Tim Ness.
„Unser Wald hier gehört den Brandenburgern. Wir haben das Glück, hier arbeiten zu können, und wollen erklären, wie Waldwirtschaft und Natur zusammen gut funktionieren.“
Tim Ness, Oberförster in Hammer
Trotz vieler Jahre Walderfahrung ist der Oberförster immer noch beeindruckt, geht es um die Überlebensfähigkeit von Bäumen. Er steht von seinem Schreibtisch auf, nimmt den dürren Eichentrieb vom Schrank und freut sich sichtlich: „Diese winzige Eiche ist ein purer Überlebenskünstler. Ich habe sie mal aus dem Boden herausgebuddelt und war überrascht, wie lang und stark die Wurzel bereits ist. Der Trieb hat erst mal in seine Wurzel investiert, um die nötigen Nährstoffe heranzuschaffen. Bei den Blättern bleibt er sparsam, damit die Verdunstung nicht so stark ist.“
Die Natur ist stark – ein Motto, das Tim Ness während seiner Zeit als Oberförster immer wieder bekräftigen musste. Zum Beispiel als im Jahr 2000 eine große Waldfläche bei Märkisch Buchholz abbrannte. Dieser Waldbrand gehörte eher zu den Krisen in seiner Dienstzeit. Was tun? Eine so große Fläche wieder aufzuforsten, wie es bis dahin üblich war, ist eine Riesenaktion und zudem noch sehr teuer. Entgegen vieler Widerstände ging es auch anders.
Tim Ness und Marco Kehling, Bürgermeister von Groß Köris.
Bei der traditionellen Waldweihnacht in Hammer.
Fotos:
Peter Mittwoch
Tim Ness geht in die obere Etage des Forsthauses. Im Dachstuhl zeigt er uns im Archiv eine große Tafel mit dutzenden Fotos. Die ersten dokumentieren eine verbrannte Landschaft, die letzten einen kleinen Wald. „Wir haben auf Naturverjüngung gesetzt“, erzählt er. „Die abgebrannte Waldfläche hat sich über die Jahre selbst regeneriert. Jahr um Jahr haben sich Birken, Pappeln, Eichen, Kiefern selbst angesiedelt, sind gewachsen, kräftiger und größer geworden. Jetzt sind einige bereits 10-15 Meter hoch. Ein natürlich gewachsener schöner Wald.“
Auch der sogenannte Waldumbau, weg von der Kiefern-Monokultur hin zum Mischwald, ist in seinem Forstrevier auf gutem Wege. Hierbei haben Tim Ness und sein Team ebenfalls hauptsächlich auf Naturverjüngung gesetzt. „Wir haben aber auch Laubbäume gepflanzt oder säen Eicheln unter Kiefern aus“, so Ness. Auch letzteres sei ein naturnaher Prozess, weil die jungen Eichen von Anfang an im Boden fest wurzeln können. Ein Drittel der Waldfläche in seinem Revier ist bereits umgebaut. „Je mehr Baumarten es im Wald gibt, umso größer ist die Chance, dass welche überleben“, blickt Tim Ness voraus. Aber eines sei ihm noch wichtig. „Die Kiefer ist nach wie vor ein super Baum“, verteidigt er den mitunter schlechten Ruf des typischen Brandenburger Nadelbaums. „Das ist die Baumart, um die ich mir am wenigsten Sorgen mache. Die Kiefer ist am geringsten geschädigt, ist ideal an den Sandboden angepasst, braucht wenig Wasser, wenige Nährstoffe.“
Rückblick auf seine mehr als 30jährige Zeit in der Oberförsterei Hammer: Gab es mehr Krisen in seiner Dienstzeit oder mehr Erfreuliches? „Krisen gab es schon“, meint Tim Ness. Immerhin haben er und seine Mitarbeiter drei Forstreformen meistern müssen. Aber Krisen seien auch oft Chancen gewesen, wie zum Beispiel die grundlegende Sanierung des Forsthauses in Hammer. Zwölf Jahre lang habe er darum gerungen, dass das historische Gebäude als Dienstsitz für den Forst erhalten blieb. 2007 war es dann soweit. Seine Verwaltung konnte aus ihrem Exil in Klein Wasserburg zurück ins frisch rekonstruierte Forsthaus ziehen. Aktuell betreuen sie von da aus elf Forstreviere und 18.600 Hektar Landeswald. Ein Gebiet, dass von Schönefeld im Norden, bis nah ans Tropical Island im Süden reiche, östlich vom Schwielochsee bis westlich nach Sperenberg.
Seit 2007 gibt es in Hammer ein „offenes Forsthaus“. „Das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal“, meint Ness. Er habe sich verpflichtet gefühlt, es für die Allgemeinheit erlebbar zu machen. Jährlich findet ein Waldfest statt, das „Waldkino“ konnte in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiern, die Waldweihnacht gehört ebenso dazu, wie die Lesefährte Waldweisen – ein Wanderweg entlang der Dahme, gesäumt von Lesepulten aus Holz, ein Zusammenspiel von Wald und Weltliteratur.
Die Lesefährte Waldweisen.
Fotos: Dörthe Ziemer
„Etwas Künstlerisches wollten wir hier in Hammer schon immer machen“, sagt Tim Ness. Dann habe er glücklicherweise Wolfgang Georgsdorf, einen österreichischen Multimediakünstler, kennengelernt. „Mit ihm kamen gleich ganze Wellen von guten Ideen auf mich zu“, erzählt er rückblickend. Dabei sei u.a. die Idee vom Waldkino entstanden, zum 300. Jahrestag des Begriffs der Nachhaltigkeit, und der „Pixelpolter“, eine Installation an aufeinandergeschichteten Kiefernholzstämmen. Wald sei so viel besser als kultureller Raum erlebbar und nicht nur als Wirtschaftsfaktor.
Oberförster Tim Ness hat wohl in den letzten 31 Jahren vieles richtig gemacht, hat einige nachhaltig beeindruckt – Mitarbeiter, Vorgesetzte, Naturschutzverbände, Behörden, sogar den Jagdverband. Viele waren jedenfalls Mitte Oktober in den historischen Kaiserbahnhof nach Halbe gekommen, zu einem besonderen Abschied für den Oberförster. Den „großen Bahnhof“ für Tim Ness hatte Künstler Wolfgang Georgsdorf organisiert, mit allen Drum und Dran – mit Vorfahrt in einer Karosse, mit Jagdhornbläsern, mit Livemusik, mit Lobesreden. „Ja, das war schon toll, aber sowas macht mich immer etwas verlegen“, gibt er lächelnd zu. „Ohne meine Kollegen, ohne das Umfeld aus guten Verbindungen zum Naturpark Dahme-Heideseen und den Umweltbehörden hätte ich das alles gar nicht schaffen können“.
Der "große Bahnhof", hier kürzlich in Halbe, behage ihm eigentlich gar nicht, sagt Tim Ness.
Tim Ness bei seiner Verabschiedung im Herbst in Halbe, hier mit Wolfgang Georgsdorf. Fotos: Peter Mittwoch
Und jetzt? Wer soll die vielen Ideen weiterführen? Und wer wird sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin in der Oberförsterei Hammer? Die bereits begonnenen Ideen werden wohl irgendwie weitergehen, glaubt Tim Ness. Das mit einem neuen Forstamtschef oder -chefin, das sei noch nicht geklärt. Bis zum 1. März 2025 ist noch Zeit. „Dann macht das eben ein anderer, der es auch etwas anders macht“, meint er lakonisch. Er selbst wird dann ein bisschen froh sein, nicht mehr so viel Verantwortung tragen zu müssen und mehr Zeit für sich selbst zu haben.