Das Weiterbildungsnetzwerk für Ärzte ist gut ein Jahr alt – und erste Erfolge werden sichtbar. Gerade ist eine junge angehende Gynäkologin im Achenbach-Krankenhaus angekommen. Das ist auch das Verdienst von Lotsin Beatrice Hertel.
Von Birgit Mittwoch
Beatrice Hertel hat es etwas eilig, dennoch sucht sie konzentriert aus einem großen Karton das Notwendige zusammen: eine Parkscheibe mit Landkarte vom Landkreis, ein Stullenbrett, einen Zollstock, die Streckenkarte vom Gurkenradweg, ein Brillenputztuch, Schokolade einer Luckauer Manufaktur … und Sonnenblumensamen. Das alles gehört zum Begrüßungspaket – nein, nicht für eine Freundin, sondern für potentielle Fachärzte im Landkreis Dahme-Spreewald. Beatrice Hertel ist Koordinatorin des Ärztlichen Weiterbildungsnetzwerkes im Landkreis. Seit März 2023 spinnt die studierte Betriebswirtin immer stärkere Fäden zwischen frisch approbierten Ärzten und Ärztinnen, die eine Facharztweiterbildung suchen, Kliniken und Arztpraxen, die diese Ausbildungswilligen dringend brauchen, Behörden, die Anträge dafür bearbeiten. Eine solche Lotsin-Stelle, kommunal finanziert, ist eine Rarität – nur wenige vergleichbare gibt es in der gesamten Bundesrepublik.
Der Job von Beatrice Hertel wurde im September 2022 ohne Verweis in die Fachausschüsse vom Kreistag sehr schnell genehmigt, gefördert mit 60.000 Euro im Jahr und das gleich für einen längeren Zeitraum – für fünf Jahre. Bisher gab es nur lose Netzwerke, um mehr Ärzte und Ärztinnen, die ihre Facharztweiterbildung machen wollen, ins ländliche Gebiet, in den Landkreis zu locken. Meist hatten sich dazu niedergelassene Mediziner im eigenen Interesse zusammengeschlossen, um dem drohenden Fachärztemangel zu begegnen. Nun gibt es eine feste halbe Stelle, die sich hauptamtlich darum kümmert, dass junge Ärzte zur Ausbildung in den Landkreis kommen und möglichst hierbleiben.
Weiterbildungslotsin Beatrice Hertel kümmert sich hauptamtlich darum, dass junge Ärzte in den Landkreis kommen.
Der Inhalt des Begrüßungspakets: Broschüren, Gutscheine, Stullenbrettchen und Parkuhren. Fotos: Peter Mittwoch
Miriam Morgenstern ist eine der zukünftigen Fachärztinnen. Sie ist frisch approbiert, fünf Jahre Studium der Humanmedizin an der Charité hat sie schon geschafft, dazu noch ein Jahr Praxis an drei unterschiedlichen Kliniken. Die 27-Jährige hat sich für eine Facharztweiterbildung als Gynäkologin entschieden, sich dafür breitflächig an Brandenburger Krankenhäusern beworben, obwohl sie eigentlich in Berlin wohnt. Im Achenbach-Krankenhaus in Königs Wusterhausen hat es geklappt. Entscheidenden Anteil daran hat Weiterbildungslotsin Beatrice Hertel. Beide haben sich auf einer Karriere-Messe für Mediziner und Medizinerinnen getroffen. Das Gespräch mit der Koordinatorin hat sie als „locker und nahbar“ in Erinnerung, drei Tage später hatte sie die Zusage für die Facharzt-Weiterbildung in Königs Wusterhausen in der Tasche.
Miriam Morgenstern erwartet uns im Foyer des Achenbach-Klinikums. Die junge, schlanke Frau im weißen Arztkittel lost uns auf die Gynäkologische Station. Hier ist sie jetzt in die Stationsarbeit, die Therapiearbeit eingebunden: „Man lernt jeden Tag medizinische Dinge, der Klinikalltag ist einfach spannend. Er ist eng getaktet, man kann viele Erfahrungen sammeln, mit vielen unterschiedlichen Patientinnen“, zeigt sie sich von den ersten Wochen auf Station zufrieden. Sie bezeichnet sich selbst als „Ärztin mit Stützrädern“, ist noch auf die Erfahrungen, die Unterstützung der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen angewiesen. Offiziell heißt das Assistenzärztin.
Ans Achenbach-Krankenhaus konnten bereits drei Ärzte in Weiterbildung durch das Netzwerk vermittelt werden, in die Spreewaldklinik Lübben ist es einer. Beide Häuser gehören zum Klinikum Dahme-Spreewald. Insgesamt sind es im gesamten Landkreis 11 Ärzte und Ärztinnen in Weiterbildung, die Koordinatorin Beatrice Hertel mit Kliniken und Arztpraxen zusammenbringen konnte. „Eine gute Bilanz“ für gerade mal etwas mehr als ein Jahr Weiterbildungsnetzwerk, meint Klinikchef André Jasper zufrieden, dessen Klinikum von Anfang an zur sogenannten Steuerungsgruppe gehört. Andere Netzwerke wären schnell „eingeschlafen“: Oft privat von Ärzten und Ärztinnen finanziert, hätten diese neben dem eigentlichen Job, sozusagen ehrenamtlich, versucht, die wenigen Weiterbildungsärzte für sich zu gewinnen, so der Klinikchef. „Heute gehen wir das gemeinsam an“, ergänzt er.
André Jasper, Geschäftsführer des Klinikums Dahme-Spreewald. Foto: Peter Mittwoch
Die Koordinatorin Beatrice Hertel, Katja Klugewitz und Benjamin Möpert als niedergelassene Mediziner und Ulrike Jäkel und Eckhard Löwe als Klinikvertreter sind Mitglieder der Steuerungsgruppe. Ein vergleichbares Weiterbildungsnetzwerk, kommunal finanziert, gebe es bisher nur noch zweimal in der gesamten Bundesrepublik, in Leipzig und im Emsland, berichtet André Jasper. Das Klinikum Dahme-Spreewald sucht wie viele andere medizinischen Einrichtungen dringend Ärzte und Ärztinnen, die ihre Weiterbildung hier machen wollen – besonders in der Geburtshilfe, der Pädiatrie und der Chirurgie. „Aber, wir wollen nicht nur einen Sprint hinlegen, sondern eher einen Marathon“, betont André Jasper, wichtig sei es ja auch, die neuen Kollegen und Kolleginnen in Weiterbildung später hier zu halten.
Da kommt nun wieder Beatrice Hertel ins Spiel. „Das ist eine wichtige Motivation für die Weiterbildenden, dass es hier im Landkreis jemanden gibt, der ihnen dabei hilft“, meint die Lotsin. Dazu gehört nicht nur, die richtige Praxis oder Krankenhausstation zu finden, die nötigen Kontakte zu vermitteln, mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Brandenburg eng zusammenzuarbeiten, sondern auch zum Beispiel für den Kita-Platz und eine Wohnung zu sorgen. Und auch, mit all diesen Dingen in den Sozialen Medien präsent zu sein. „Aus Arbeitsmarktstudien wissen wir, dass junge Menschen über diese Medien den Kontakt zum Arbeitgeber suchen“, erklärte sie kürzlich im Sozialausschuss des Landkreises. Instagram sei das Medium für den Nachwuchs. „Wir wollen für die Menschen in ihren 20ern nahbar sein, das macht den ersten Kontakt leichter.“
Miriam Morgenstern, die Gynäkologin in Weiterbildung, will erst einmal ganz in Ruhe ihre Facharztweiterbildung machen. Nach der Arbeit auf der Station wird sie in der Geburtshilfe arbeiten, im Kreißsaal, irgendwann auch den ersten Kaiserschnitt verantwortlich betreuen – die Weiterbildungsverordnung sieht viele unterschiedliche Stationen vor. Es gibt sozusagen eine Checkliste, die innerhalb der fünfjährigen Facharztweiterbildung abgehakt werden muss.
Miriam Morgenstern ist junge angehende Fachärztin auf der gynäkologischen Station ...
... des Achenbach-Krankenhauses Königs Wusterhausen. Foto: Peter Mittwoch
Ein Weiterbildungsnetzwerk ist natürlich nur komplett, wenn auch die Partner, die weiterbilden wollen, zahlreich mit dabei sind. Dazu gehören niedergelassene Ärzte und Ärztinnen, Kliniken, auch Medizinische Versorgungszentren (MVZ). 23 sogenannte Verbundpartner sind dem Netzwerk bisher beigetreten: Praxen für Allgemeinmedizin, Kinderheilkunde, Innere Medizin, Hautkrankheiten, Orthopädie, Urologie, Neurologie, Chirurgie …. vier Kliniken, zwei MVZ, ein Reha-Zentrum. Alle benötigen eine Weiterbildungsbefugnis – das heißt, einen Facharzt oder eine Fachärztin, der oder die die zukünftigen Kollegen und Kolleginnen während der Weiterbildung betreuen. „Das ist nicht unbedingt eine Zusatzbelastung, wie ursprünglich einige Niedergelassenen meinten, sondern wer frisch vom Medizinstudium kommt, bringt auch Neues für den fachlicher Austausch in den Arbeitsalltag ein“, so die Erfahrungen der Koordinatorin. Das Weiterbildungsnetzwerk im Landkreis ist bei den Ärzten und Ärztinnen auf eine sehr gute Resonanz gestoßen – von den insgesamt 138 Weiterbildungsbefugnissen, ein Arzt oder eine Ärztin kann gleich mehrere davon haben, sind inzwischen 64 Prozent im Netzwerk vertreten.
Miriam Morgenstern möchte auch nach ihrer Facharztweiterbildung im ländlichen Bereich bleiben. Sie schätzt die gute verkehrsmäßige Anbindung der Klinik in Königs Wusterhausen, die gute Infrastruktur in der Stadt, den etwas ruhigeren Kleinstadtrhythmus. Sicher hängt das auch mit einem Stipendium zusammen, das sie von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Brandenburg erhält. Diese finanzielle Unterstützung ist an die Verpflichtung gebunden, dass sie nach ihrer Zeit als Assistenzärztin fünf Jahre in sogenannten unterversorgten Gebieten arbeitet.
Das Krankenhaus in Königs Wusterhausen profitiert von der Nähe zu Berlin. Je weiter von der Hauptstadt und von Universitäten entfernt, umso schwieriger wird es jedoch, Facharztanwärter zu finden – so zum Beispiel in Lübben oder Luckau. Klinikchef André Jasper hofft somit auch auf den geplanten Aufbau eines Universitätsklinikums in Cottbus und den späteren sogenannten „Klebeeffekt“ in die Umgebung.
Beim Sommerfest des Weiterbildungsnetzwerks Dahme-Spreewald 2023. Foto: Dörthe Ziemer
Nach der großartigen Resonanz im letzten Jahr lädt das Weiterbildungsnetzwerk auch in diesem wieder zum Sommerfest ein. Das ist, bei Häppchen und guten Getränken, vor allem ein wichtiges Vernetzungstreffen – Ärzte und Ärztinnen aus Praxen, Kliniken und MVZ werden dabei sein, die KV Brandenburg, Bürgermeister und andere kommunale Vertreter. Sie alle sind daran interessiert, eine gute Weiterbildungs-Struktur aufzubauen, um später auf kurzem Weg, mit einer mail oder einem Anruf die richtigen Partner zusammenzubringen. „Wir wollen die Ansiedlung von Ärztinnen und Ärzten in unserem schönen Landkreis fördern und so für künftige Generationen eine adäquate medizinische Versorgung sicherstellen“, so Koordinatorin Beatrice Hertel.
Das Begrüßungspaket ist inzwischen zusammengepackt – damit und mit vielen guten Argumenten ausgestattet, wird Beatrice Hertel nun die nächste angehende Fachärztin in Mittenwalde besuchen.