Sie wirkt wie ein fettes Statement wider Vegetarismus und Nachhaltigkeit. Doch die Hall of Meat in Wildau ist genau das Gegenteil davon: Sie schafft neue Maßstäbe. Derweil setzt das Landgut Pretschen auf Bio noch eins drauf: Bio regional. Beide wurden auf der Grünen Woche ausgezeichnet.
Von Dörthe Ziemer
Man kann sich lange fragen, warum sie Hall of Meat heißt, die neue Fleischhalle in Wildau. Der Name klingt nach viel Fleisch, nach Barbecue, tropfendem Fleischsaft – und einem Angriff auf vegetarische und vegane Vorlieben, auf Nachhaltigkeit und Enthaltsamkeit. Doch die Naturfleischerei, wie die Hall of Meat im Nachsatz heißt, propagiert genau das Gegenteil: „Esst weniger, esst bewusster, esst Qualität aus der Nachbarschaft.“ So formuliert Olaf Mahr, worum es ihm geht. Der ehemalige Geschäftsführer einer Softwarefirma, aufgewachsen auf dem norddeutschen Land und seit 30 Jahren Jäger, hat sich zunächst mit einem Fleisch-Lieferdienst und nun mit der großflächigen Verkaufshalle selbstständig gemacht. Auslöser war, dass Olaf Mahr rund um Wildau zwar immer viele Tiere sah, aber deren Fleisch nicht kaufen konnte.
„Ich habe mich immer aufgeregt, dass es hier kein gutes Fleisch zu kaufen gibt“, erzählt er. Viele Fleischereien würden nicht mehr selbst schlachten und produzieren, sondern vieles beim Großhändler einkaufen. Viele gehen insolvent und geben auf. Dem wollte er etwas entgegensetzen: regional produziertes Fleisch von Tieren, die nach hohen Standards gehalten werden. „Wir haben die Bauern gefragt, welchen Preis wir zahlen müssen, damit die Tiere nach unseren Vorstellungen gehalten werden“, sagt er: in natürlicher Aufzucht mit genügend Auslauf in offener Stallhaltung – die Rinder ausschließlich mit Gras oder im Winter mit Heu ernährt, die Schweine mit Dämpfkartoffeln und Getreideschrot vom eigenen Hof. Aufgewachsen in der Region, geschlachtet in der Region, verkauft in der Region direkt an die Endkunden. Gastronomen und Händler gehören nicht dazu.
Von den Tieren wird alles verwendet – und so finden sich nicht nur verschiedenste Fleischsorten, deren Bezeichnung der Unkundige zum ersten Mal liest, sondern auch Herz und Nieren im Sortiment. Und notfalls auch mal Augen – wenn die im Biounterricht unter das Mikroskop gelegt werden sollen. Auch vom Geflügel werden alle Teile verwendet – vom feinen Filet bis zum Suppenfleisch: von Bruderhähnchen und Hennen, die sowohl für die Eier- als auch für die Suppenfleischproduktion infrage kommen. Zu den Standards gehört auch, dass es keine Frischetheke gibt, bei der regelmäßig ein Drittel der Waren weggeworfen würden, erzählt Olaf Mahr. Das Fleisch wird stattdessen eingeweckt oder eingefroren, um die Frische ohne jegliche Zusätze zu erhalten.
Die Produktion sichert Olaf Mahr durch ein Netzwerk von Bauern, Schlachtern und seinen eigenen Mitarbeitern ab, die sich gegenseitig unterstützen, Erfahrungen austauschen und Weiterbildungen besuchen. Das alles kostet seinen Preis: mehr als im Supermarkt, aber weniger als im Berliner Biomarkt, wo die Qualität zudem geringer sei, sagt der Chef. Worin die Qualität seiner Erzeugnisse besteht, das vermittelt er gern im Kundengespräch, in der gläsernen Produktion an Schüler aus den umliegenden Schulen oder jüngst auf der Grünen Woche. Auch Vegetarier, die aus ethischen Gründen kein Fleisch essen, überzeugt er hin und wieder, von seinen Produkten zu probieren.
Für den Unternehmer, der auch gern mal einen vegetarischen Burger mit natürlichen Zutaten isst, gibt es in der Diskussion um gute Ernährung viele Grautöne. Das Denken in Schwarz-Weiß und die „ideologischen Schlachten“, die häufig ausgetragen würden, hält er für überflüssig. „Weniger ist mehr“, ist sein Credo. Dann könne man auch vernünftige Preise zahlen. Deshalb gehören zur Hall of Meat auch Produkte, deren Herkunft sich ein bisschen wie das Who ist Who der regionalen Hersteller liest: Klosterfelder Senfmühle, Edelmond Schokolade, Eier und Kartoffeln vom Gut Kemlitz, Gutshof Kraatz, Stork Whiskey aus Schlepzig, Liköre aus Sellendorf, Marmelade aus dem Spreewald und vieles mehr.
Für dieses Konzept haben Olaf Mahr und sein Team in dieser Woche den Pro-Agro-Marketingpreis in der Kategorie Direktvermarktung gewonnen. „Der Leitgedanke ist es, Fleisch nachhaltig zu produzieren und allen Partnern eine faire Bezahlung mit gesichertem Absatz zu bieten“, heißt es bei Pro Agro zur Begründung. „Arbeitsplätze bleiben erhalten und die ländlichen Strukturen werden gestärkt. Kurze Wertschöpfungsketten und Transportwege reduzieren die CO2-Bilanz. Beim Regional-Star Award, einem Preis der Fachzeitschrift Lebensmittelpraxis und der Grünen Woche, belegte Olaf Mahr den zweiten Platz in der Kategorie Kooperation - "für herausragendes Engagement, Kreativität und Innovationskraft in der
Vermarktung regionaler Produkte unter Berücksichtigung nachhaltiger
Aspekte", wie es in der Jury-Begründung hieß.
Regionalität noch besser vermarkten, das will auch das Landgut Pretschen. Der Demeter-Betrieb erfüllt zwar aus biologisch-nachhaltiger Sicht höchste Standards, aber wie regional die Produkte sind, wird damit längst nicht sichtbar. Das ist jedoch besonders für die Bewirtschaftung von Kantinen von Bedeutung: Dank eines neuen Siegels für regionale Bio-Qualität, das während der Grünen Woche erstmals vergeben wurde, wird es künftig möglich sein, bei Ausschreibungen neben Bio-Standards auch die regionale Herkunft einzufordern. Denn mit dem Siegel verpflichten sich Produzenten, dass sie Monoprodukte wie Kartoffeln, Kürbis und Fleisch zu 100 Prozent nach den Anforderungen des Qualitätszeichens, also regional, erzeugen. Verarbeitete oder zusammengesetzte Produkte müssen zu 90 Prozent regional sein.
„Die Ausweisung der beiden Qualitätsmerkmale ‚Bio‘ und ‚Regionalität‘ ist zudem ein wichtiger Meilenstein für den Aufbau einer regionalen Versorgungsstruktur für die Gemeinschaftsverpflegung in der Hauptstadtregion“, teilt die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau mit. „Neue Produktions- und Vorverarbeitungsstrukturen für die Belieferung der großen Nachfrage in Berlin und Brandenburg werden aber nur entstehen, wenn sich mit dem Kriterium der regionalen Herkunft gegen überregionale Anbieter behauptet werden kann.“ Auch für den Endkunden im Supermarkt wird es leichter, sich für Produkte aus Brandenburg zu entscheiden.
„Wir setzen uns schon lange dafür ein, die Regionalvermarktung zu stärken“, sagt Sascha Philipp vom Landgut Pretschen. Nun können Hersteller wie er die Regionalität ihrer Produkte sichtbarer machen und auch in Ausschreibungen ihre Position mit dem Kriterium der regionalen Herkunft stärken. Er hoffe, sagt Sascha Philipp, dass den drei mit dem Label ausgezeichneten Betrieben – neben dem Landgut auch die Brandenburger Bio-Ei GmbH und die Mosterei Ketzür – weitere folgen. Und auch für ihn bleibt das Siegel ein Ansporn: „Wir können noch längst nicht jedes Produkt labeln“, erklärt er. Bei Senf beispielsweise reiche die Senfsaat allein nicht aus, um ihn zu einem Brandenburger Produkt zu machen, weil beispielsweise der Essig woanders herkommt.
Achim Fießinger, Geschäftsführer der Mosterei Ketzür (Mostmanufaktur Havelland) formuliert seine Motivation, seinen Apfel- und Apfel-Johannisbeerensaft unter das Siegel zu stellen, so: „Wir erhoffen uns ein Ende des regionalen Greenwashings, weil wirklich nur Produkte das regionale Bio-Zeichen nutzen können, die hier in Brandenburg gewachsen und verarbeitet werden. Zudem wünschen wir uns mehr Wertschätzung seitens der Verbraucherinnen und Verbraucher für unsere regional erzeugten Produkte.“ Mit dem Siegel können also auch Wertschöpfungsketten in Brandenburg geschlossen werden: Denn nicht nur der Anbau, auch die Verarbeitung muss hier passieren: Kartoffelpulver, das in Kantine als Brei zubereitet werden soll, braucht also nicht nur Kartoffeln aus Brandenburg, sondern auch einen regionalen Herstellungsprozess.
Ein entsprechendes Siegel für regionale konventionelle Produkte gibt es auch. Damit hat es der Verbraucher tatsächlich in der Hand, sich für Biokartoffeln aus Ägypten oder konventionell angebaute aus Brandenburg zu entscheiden. Oder eben für regional produziertes Fleisch statt Biosteak aus Argentinien.
Mit der Dachmarke Spreewald, ausgereicht durch den Spreewaldverein, hat sich die Region in dieser Woche erneut auf der Grünen Woche präsentiert. Die Marke wird an Hersteller vergeben, die ihre Produkte im Wirtschaftsraum Spreewald herstellen. Zu den Produkten mit der Dachmarke Spreewald gehören Spreewälder Gurken und Spreewälder Meerrettich g.g.A., Spreewälder Leinöle, Senf-, Honig-, Käse- und Mostereiprodukte. Neu im Sortiment waren Eiskreationen des Café Schauwerk aus Altdöbern, Tee- und Kräutermischungen der Spreewald Kräuterey, Gurkengeist der Spreewood Distillers aus Schlepzig ebenso wie der bewährte Bukowina der Brennerei Sellendorf, Stullen mit Schmalz von der Vetschauer Wurstwaren GmbH aus Vetschau sowie Schinken und Salami aus dem Landwirtschaftsbetrieb Frank Trogisch.