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Schätze aus Stein - mit Identifikationsfaktor

Kaum ist Schloss Lieberose, trotz langer Diskussionen im Kreistag, verkauft, steht ein weiteres Kleinod auf der Tagesordnung der Abgeordneten: Der Landkreis möge das Herrenhaus Neuhaus in Lübben kaufen. Was bedeuten solche Orte für die Öffentlichkeit?

 

Von Ingrid Hoberg und Dörthe Ziemer

 

Schloss Lieberose, Schloss Golßen, Eisenhammer Schlepzig, Herrenhaus Neuhaus… Die Liste der Immobilien, für die es viele Ideen, aber selten Geld gibt, ist lang. Jedes davon ist ein kleines Drama in zahlreichen Akten. Aber in der Zusammenschau ihrer jüngsten Historien offenbaren sich einige Gelingensfaktoren. Denn die Schlösser sind ja nicht nur Immobilien mit einem gewissen Wert, sie sind das (oder könnten sein), was man in der Wissenschaft Soziale Orte nennt.

 


Letzter Tag Rohkunstbau 2021 im Schloss Lieberose, 3. Oktober 2021

 

Ein Sozialer Ort ist mehr als ein „Dritter Ort“ (Ort neben Zuhause und Arbeitsplatz wie Bibliothek, Museum o.ä.): Es ist ein „gemeinschaftlich nutzbarer Raum mit niedriger Zugangsschwelle“. So beschreibt es eine Publikation des Verbundvorhabens „Das Soziale Orte Konzept. Neue Infrastrukturen für gesellschaftlichen Zusammenhalt“.

 

Soziale Orte bringen Menschen zusammen und sind sind Kommunikationsorte, an denen man sich über Milieugrenzen hinweg kennenlernen und soziale Bindungen verstärken kann. Sie können Orte der Verhandlung und Konfliktaushandlung sein und antworten so auf konkrete Bedarfe der Gemeinschaft. Sie zeigen sich als innovative, hybride Institutionen, in denen Akteure aus lokaler Zivilgesellschaft, kommunaler Verwaltung und regionaler Wirtschaft zusammenfinden und sie machen damit gemeinschaftliches Wirken sichtbar. Sie festigen die lokale Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sie binden bürgerschaftliches Engagement und sind in der heutigen, technologiezentrierten Welt analoge Anker des persönlichen Kontaktes.

Kennzeichen für Soziale Orte ist also ein Akteursdreieck aus Verwaltung, regionaler Wirtschaft und Zivilgesellschaft – all diese Akteure finden sich, mehr oder weniger intensiv, in den vier Schloss- und Hausgeschichten wieder. Die Publikation (S. 38) beschreibt die Akteure so:

  • Die Kommunalverwaltung übernimmt als regulierendes, ermöglichendes Organ meist die Rolle der Raum- und Ressourcengeberin.
  • Die Zivilgesellschaft – also Bürgern, Initiativen, Vereine, Verbände, Stiftungen oder Kirchen – liefert häufig die Idee, hält alle Beteiligten zusammen und ‚am Ball‘, übernimmt also die Aufgabe des Motivators oder Katalysators.
  • Im Bereich Kommunikation nach außen gibt es zum einen die Rolle des ‚Brückenbauers‘, der eine Vermittlungsfunktion zwischen den institutionellen Akteuren der öffentlichen Hand und der Regionalplanung einerseits, sowie den freiwillig Engagierten bzw. Bürgern andererseits, innehat.
  • Die Rolle des Promotors, der die Idee des Sozialen Ortes durch Öffentlichkeitsarbeit nach außen trägt und damit vervielfachen kann, übernimmt oft der Bürgermeister oder Ortsvorsteher, manchmal aber auch eine besonders profilierte Person aus der Zivilgesellschaft.
  • Private und öffentliche Unternehmen legen ihren Fokus immer mehr auf lokales Engagement und sehen sich durchaus auch in der Lage und in der Pflicht, Räume oder Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

So wirken Soziale Orte sowohl nach Innen als auch nach Außen, nämlich „durch die Wahrnehmung kollektiver Selbstwirksamkeit, also das Selbstverständnis beteiligter Akteur*innen, mit den eigenen Aktivitäten, Projekten und Aktionen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen zu können“. Wie entsteht vor Ort diese Selbstwirksamkeit? Wodurch wird der Prozess befeuert, gebremst oder gestoppt?“

Nicht verkauft und genutzt: Herrenhaus Neuhaus

Vor einiger Zeit schon schwebte das Damoklesschwert des Verkaufes über dem Herrenhaus Neuhaus im Lübbener Ortsteil Steinkirchen. Einst residierte hier Freiherr Ernst von Houwald und lud seine Zeitgenossen zum gemeinsamen Debattieren in den Salon, darunter Bettina und Achim von Arnim, Adelbert von Chamisso, Friedrich de la Motte Fouqué, Franz Grillparzer und die Gebrüder Christian Jakob und Karl Wilhelm Salice-Contessa. 2015/16 gab es die letzten Ambitionen der Stadt, das Haus zu verkaufen. Die Stadtverordnetenversammlung hatte die Ausschreibung beschlossen, das Gebäude unterlag damals noch wegen einer Förderung einer Zweckbindung im Bereich Kultur. Kaum ein Jahr später – es waren Angebote und Nutzungskonzepte eingegangen – gab es einen neuen Beschluss, nämlich den alten aufzuheben. Die einbringende, damalige Fraktion CDU/Grüne hielt „die vorliegenden Nutzungsüberlegungen, die mit den Geboten eingegangen sind, für wenig überzeugend“. Vielmehr sollte nochmals überlegt werden, „wie durch die Stadt Lübben eine zukünftige Nutzung erfolgen und wie der Sanierungsstau behoben werden kann.“

 

Herrenhaus Neuhaus. Foto: Karen Ascher

Herrenhaus Neuhaus.

Herrenhaus Neuhaus. Foto: Karen Ascher

 

Herrenhaus Neuhaus. Foto: Karen Ascher

Fotos: Karen Ascher


In einem Bürgerworkshop ist 2019 eine Vision für das Haus erarbeitet worden: Das Neuhaus solle, anknüpfend an seine reiche Geschichte, ein Ort der Muse, des gesellschaftlichen Miteinanders und des kulturellen Austausches bleiben, heißt es auf der Homepage der Stadt. „Es soll als Offenes Haus für Kreativität und – ganz im Houwaldschen Sinne – als Salon zum Debattieren und Denken entwickelt werden und dabei alle Generationen ebenso wie Einheimische und Gäste der Stadt sowie möglichst viele Sparten von Kunst, Kultur und Kreativität miteinander verbinden.“ Zahlreiche Veranstaltungen der Stadt, des Museums Schloss Lübben sowie Einmietungen kultureller und privater Veranstalter hat es in der Zwischenzeit gegeben. Auch die Kreismusikschule ist Mieter im Neuhaus und nutzt die repräsentativen Salons in Orange und Blau sowie den Kuppelsaal für Konzerte und Vorspiele. Nun allerdings schwebt das Damoklesschwert wieder: Die Fraktion Unabhängige Bürgerliste (UBL) im Kreistag will den Landrat beauftragen, mit dem Lübbener Bürgermeister Gespräche zum Kauf des Neuhauses zu führen. Begründung: Es werde „seit Jahr(Zehnt)en nach einer möglichen Nutzung gesucht. Eine dauerhafte Nutzungskonzeption, trotz intensiver Bemühungen, ist bisher nicht gefunden worden“.


Ähnliche Anträge gab es bereits in Bezug auf Schloss Lieberose, mal von der UBL, mal von den Grünen. Der Kreisausschuss hatte zuletzt im August 2020 einen Antrag der Grünen-Fraktion abgelehnt, eine Kauf-Option für das Schlosse offen zu halten. Die Kreisverwaltung hatte damals auf den § 78, Absatz 1 der Brandenburgischen Kommunalverfassung verwiesen, wonach Landkreise oder Kommunen nur dann Vermögensgegenstände erwerben dürfen, wenn diese zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind – was wiederum ein Nutzungskonzept und eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung erforderlich gemacht hätte. Diese Frage dürfte sich auch beim Neuhaus stellen. Vonseiten der Lübbener Stadtverwaltung ist indes kein Verkauf geplant, teilt Pressesprecherin Bettina Möbes mit.

Nicht verkauft und genutzt: Künstlerhaus Eisenhammer

Ein Verkauf war auch in Schlepzig im Gespräch: Es ging um die Mühle. Dann hatte der Förderverein Aquamediale, der in diesem Jahr das gleichnamige Kunstfestival in Schlepzig durchführte, die Idee, eine Künstlerresidenz im alten Eisenhammer einzurichten. Der Gebäudeteil stand bereits leer. „Wir wollten es eigentlich ausschreiben, um eine vernünftige Nutzung hineinzubekommen“, sagt Bürgermeister Werner Hämmerling. Dann sei der Förderverein auf ihn mit der Idee der Residenz zugekommen, und man habe sich entschlossen, doch nicht zu verkaufen, so der Bürgermeister. Inzwischen hatte der Verein Fördermittel aus dem Wettbewerb „Kulturelle Heimat Lausitz“ in Höhe von 135.300 Euro eingeworben, um das Haus zur Künstlerresidenz umzugestalten. Es ist ein „freier Denk- und Arbeitsraum für unkonventionelle Ansätze und experimentelle Zusammenarbeit“ geworden, wie es auf der Homepage heißt: „Hier leben und arbeiten internationale Stipendiat*innen an einem Ort zusammen. Sie sind thematisch und atmosphärisch in das kulturelle Leben der Spreewälder eingebunden und treten in den Diskurs mit Bürgerinnen & Bürgern und den Spreewaldgästen.“

 

Eisenhammer Schlepzig. Foto: Dörthe Ziemer

Eisenhammer Schlepzig. Foto: Dörthe Ziemer

Eisenhammer Schlepzig. Foto: Dörthe Ziemer

 

An der Ausschreibung des Künstlerhauses Anfang des Jahres hatten sich 236 Bewerber*innen aus 22 Nationen beteiligt. Insgesamt sechs bekamen ein Stipendium. Sie arbeiten vor Ort in einem „Analog-Digital-Atelier“. Analog und digital ergibt sich zum einen Pandemie-bedingt: Beim Start des Programmes zu Jahresbeginn machte der Lockdown nahezu jede Begegnung unmöglich. Zum anderen unterliegen die Räumlichkeiten derzeit der Wohnnutzung. Für eine öffentliche Nutzung müsste eine Umnutzung zu Atelierräumen und Galerie erfolgen, wie aus den Protokollen der Gemeindevertretung hervorgeht. Die Planungsleistungen wurden im Februar via Beschluss als außerplanmäßige Ausgabe ermöglicht. Die ersten Künstler-Projekte wurden daher zunächst digital auf der Homepage sowie im Instagram-Kanal des Eisenhammers gezeigt. Im Sommer gab es im Rahmen einer analog-digitalen Ausstellung auf dem Künstlerhof die Gelegenheit, die Künstlerinnen live zu erleben.

 

Nun hoffe die Gemeinde, sagt Werner Hämmerling, dass der Verein das Objekt weiter nutzen wird. Mit einer Sanierung sei die Gemeinde jedoch finanziell überfordert, stellt er fest. „An so einem Haus ist immer etwas zu tun, man muss etwas für den Werterhalt unternehmen.“ Die Gemeinde könne „nicht wirklich etwas reinstecken“, aber inzwischen sei man bereit, selbst in die Fördermittel-Akquise für Investitionskosten zu gehen. Eventuell ergebe die neue Leader-Förderperiode neue Wege, blickt er voraus. Auch der Förderverein sei weiterhin auf Fördermittelakquise. „Die Idee für das Künstlerhaus ist da. Wir stecken in den Kinderschuhen und schauen, wohin die Reise geht“, so der Bürgermeister. „Am Ende muss eine schwarze Null herauskommen.“ Ohne die Inspiration des Fördervereins und des ersten Jahres als Künstlerhaus hätten die Gemeindevertreter aber offenbar wenig Chancen für das Objekt gesehen, der Verkauf wäre womöglich längst besiegelt worden.

Verkauft, Nutzung offen: Schloss Lieberose

Am 3. Oktober schlossen sich die Tore des Schlosses Lieberose auf unbestimmte Zeit. Das letzte Wochenende der Kunstausstellung Rohkunstbau war vorbei, und zahlreiche Menschen hatten das riesige Haus aufgesucht: Fotografen, Kunstfreunde, Wegbegleiter – alle die, die es noch schnell zu Rohkunstbau schaffen wollten, und alle die, die noch schnell das Schloss von innen sehen wollten. Denn es hat seit 9. September einen neuen Eigentümer. Der Berliner Augenarzt Dr. Thomas Pahlitzsch hat zwar angekündigt, eine öffentliche Nutzung zu ermöglichen, aber nicht während der Sanierungsarbeiten. Damit ist unklar, wann das Haus wieder öffentlich zugänglich sein wird.

 

Doch das Interesse daran ist groß, wie sich bei einer Info-Veranstaltung des Arbeitskreises Schloss Lieberose Ende September zeigte. Er hatte sich ebenso wie Pahlitzsch um den Erwerb des Schlosses bemüht – und ist leer ausgegangen. Nun wurden mit Einwohnern Nutzungsvorschläge diskutiert, die dem neuen Eigentümer vorgestellt werden sollen. Die Atmosphäre knisterte, als sich mehr als 90 Lieberoser in der Darre versammelten. Schnell wurden noch Stühle dazugestellt. Der Arbeitskreis Schloss Lieberose hatte zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Der neue Schlossherr war nicht in der Runde. Den vorab nicht abgestimmten Termin nannte Pahlitzsch als Grund für seine Abwesenheit – in einem Brief, den Bürgermeisterin Petra Dreißig erhalten hatte und vortrug. Für die gespannt zuhörenden Lieberoser war die Passage entscheidend, in der er in knappen Worten seine Pläne umriss: Der Schlosspark bleibt öffentlich, es werden Ärzte angesiedelt und ein kleines Hotel eingerichtet. Auch für Ausstellungen und Veranstaltungen sollen Räume erhalten bleiben. Schon bei seinem Empfang im Schlosshof hatte er erklärt, dass er mit allen Interessierten das Gespräch suchen würde. Aber erst einmal müsse saniert werden.

 

"Whiteboard Lieberose": Eine visuelle Tanzperformance während des Rohkunstbau-Festivals. Foto: Ingrid Hoberg

"Whiteboard Lieberose": Eine visuelle Tanzperformance zum Rohkunstbau-Festivals.

Bürgerversammlung zur weiteren Nutzung von Schloss Lieberose in der Darre. Foto: Ingrid Hoberg

Bürgerversammlung zur weiteren Nutzung von Schloss Lieberose im September in der Darre.

"Whiteboard Lieberose": Eine visuelle Tanzperformance. Foto: Ingrid Hoberg

"Whiteboard Lieberose": Eine visuelle Tanzperformance.         Fotos: Ingrid Hoberg

 

Eine Reihe von Angeboten hat der Arbeitskreis Schloss Lieberose nun mit der Präsentation in der Darre öffentlich gemacht. Es handelt sich um das Konzept, das mit einem Projektentwickler für die Teilnahme an der Ausschreibung aufgestellt worden war, um eine weitere öffentliche Nutzung des Schlosses zu ermöglichen. „Wir haben uns vor einem Jahr in dem Arbeitskreis zusammengefunden, als klar war, dass der Landkreis sich nicht der Verantwortung für das Schloss stellt“, erläuterte die Landtagsabgeordnete Isabell Hiekel (Bündnis 90/Grüne) auf die Anfrage, warum die Vorschläge nicht eher bekanntgemacht wurden. Während der Verkaufsverhandlungen habe man sich mit Veröffentlichungen zurückgehalten. Der Arbeitskreis war mit seinem Kaufangebot bei der Brandenburgischen Schlösser GmbH als Verkäufer aber nicht durchgedrungen. Mit einer Stiftung, die noch zu gründen gewesen wäre, sollte die öffentliche Nutzung umgesetzt werden, wie Andreas Hilliger vom Förderverein Nationalpark Lieberoser Heide erklärte. „Jetzt wollen wir nach vorn denken und überlegen, was wir mit dem neuen Eigentümer für die Region tun können“, sagte er. „Wir hoffen auf Reaktionen der Bürger, die mitreden wollen.“

 

Diese Bürger gibt es, wie sich in der Diskussion zeigte – von kritisch bis zuversichtlich, dass mit dem neuen Schlosseigentümer auch eine Chance für die Zukunft verbunden ist. In welche Richtungen gedacht werden kann zeigte Michael Brombacher vom Stiftungsrat Stiftung Naturlandschaften Brandenburg mit der Präsentation „Ein Schloss für Wildnis, Region und Kultur“. Dieter Klaue, Vorsitzender des Fördervereins Lieberose, erinnerte daran, dass das Schloss ein offenes Haus war mit Kino, Speisezentrum für Lieberose, Schule, Berufsschule. „Ein offenes Haus sollte es bleiben und Schlossführungen weiterhin möglich sein“, sagte er.

 

Kino, Theater, Konzerte im und am Schloss sind ein weiterer Stichpunkt. Inka Thunecke von Rohkunstbau verwies darauf, dass eine große Galerie Interesse habe, im Schlosspark einen Skulpturenpark zu etablieren. „Es geht um Ideen, die in die Zukunft weisen“, sagte sie. Architektin Stefanie Reinke, bekannt für ihre fachlich fundierten Schlossführungen, stellte Beispiele von anderen Häusern vor, die während einer Sanierung für Publikum offengehalten wurden. „Das Schloss könnte sukzessive instandgesetzt werden“, sagte sie.

Nicht verkauft, noch nicht genutzt: Schloss Golßen

Es war das erste Landambulatorium auf dem Gebiet der DDR und beherbergte Berufsschule, Schule, Kinderkrippe, Wäschestützpunkt, Standesamt, Konzerte und Lesungen fanden statt, es gab eine Galerie. „Noch bis 1985 wurden die 40 Zimmer mit Briketts geheizt“, erzählt Dr. Michael Bock, der dort geboren ist, zur Schule ging und später als Zahnarzt praktizierte. „Jeder Bürger hatte irgendwie damit zu tun“, sagt er, „und zwar nicht nur aus Golßen, sondern einem Einzugsgebiet mit rund 7.500 Einwohnern. Daraus ergibt sich eine hohe Identifikation der Golßener mit ihrem Schloss“. Nach dem Ende des Landambulatoriums 1991 zogen auch die anderen Nutzer nach und nach aus. Dennoch hat sich die Stadt vor etwa sechs Jahren via Beschluss dazu bekannt, das Schloss im kommunalen Besitz zu belassen und sozialen Zwecken zuzuführen. Seitdem wurden das Dienerhaus (Wohnungen), der Marstall (Mehrgenerationenhaus) und der Park saniert. Nun wäre das Schloss endlich an der Reihe. „Früher haben wir gedacht, es könnte eine Seniorenresidenz einziehen“, berichtet Michael Bock, der auch Stadtverordneter in Golßen ist. „Doch dann sind uns die Kosten davongelaufen. Bei den heutigen Anforderungen an Hygiene und Barrierefreiheit wären wir schnell bei 14 Millionen angekommen, die wir hätten reinstecken müssen.“ Doch der Tenor, das Schloss in kommunaler Hand zu behalten, sei geblieben.

 

Schlosspark Golßen. Foto: GS

Schloss und Park Golßen.

Schloss Golßen. Foto: GS

 

Schlosspark Golßen. Foto: GS

Fotos: GS

 

Nun hat sich dank des Engagements zweier Nachbarn, Andrea Weigt und Prof. Cyrus Khazaeli aus Drahnsdorf, eine realistische Entwicklungsperspektive aufgetan – die überraschenderweise sehr viel mit der Historie gemein hat. Der Kommunikationsdesigner und die Architekten haben den „Projektraum-Drahnsdorf“ gegründet, in dem sie neben einem Ort für Projekte und Seminare auch Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen anbieten. Sie haben selbst Fördermittel eingeworben, um eine kleine Workshopreihe zum Schloss für Bürger und Verantwortliche durchzuführen. Dieser lag die Grundidee zugrunde, im Schloss einen Campus für ein Hochschulnetzwerk aus dem Gesundheitsbereich anzusiedeln. „Wir verstehen uns als Schnittstelle zwischen der European Health School als möglichem Mieter und den Entscheidern vor Ort“, erläutert sie. „Der Standort hat eine gute Bahnanbindung, die Räume eignen sich gut für einen Campus.“ Neben dem Campus könnten sich regionale Unternehmen mit Gesundheitsbezug ansiedeln, auch Start-ups seien denkbar – so könnte ein Kompetenzzentrum für Gesundheit entstehen. Darüber hinaus sollten die Räume für die Öffentlichkeit nutzbar bleiben, also fürs Beisammensein, für Konzerte und ähnliches.

 

„Die Finanzierung wäre machbar“, ergänzt die Architektin, „denn die Nutzung erfordert keine großen Umbauten.“ Gute Nachrichten gab es auch in der letzten Stadtverordnetenversammlung zum Dachgeschoss: Von der Deckenschüttung geht offenbar keine akute Gefahr aus, wie zunächst befürchtet. Ob die beauftragten Restauratoren allerdings weiterarbeiten können, war dem Gutachten laut einer Information der Verwaltung nicht zu entnehmen. Das gesamtrestauratorische Gutachten sei jedoch sowohl für den Abschluss der Leistungsphase 3 als auch für das weitere Vorgehen Voraussetzung. Wie auch immer: Eine schrittweise Sanierung sei denkbar, sagt Andrea Weigt. „Es ist auch die Frage, wie man Sanierung betrachtet: Will man eine Luxussanierung oder kann das Haus seine Patina behalten?“ Zur Umsetzung schlagen sie eine Entwicklungsgesellschaft vor, die von der Stadt und dem Hauptmieter getragen wird. Das Personal könnte gefördert werden und wäre wiederum dafür zuständig, Fördermittel für das Gebäude einzuwerben.

 

„Wir informieren uns in alle Richtungen“, erläutert Golßens Bürgermeisterin Daniela Maurer den Stand der Dinge. Bevor eine Entscheidung in Form eines Grundsatzbeschlusses getroffen werde, wolle man alle Optionen gut abwägen. Dazu gehört auch, dass es die Anfrage eines Kaufinteressenten gegeben habe. „Es hat so lange mit dem Schloss gedauert, nun wollen wir auch nichts überstürzen“, so die Bürgermeisterin. Nutzungskonzepte, auch von möglichen Käufern, und Kosten sowie Einnahmen müssten abgewogen werden. Für die Golßener, sagt sie, wäre der Verkauf die letzte Option.

 

Das Schloss Golßen, sagt Cyrus Khazaeli vom Projektraum Drahnsdorf und könnte damit für alle Häuser sprechen, ist als Impulsort für die weitere Stadtentwicklung wichtig. „Es ist die einzige und große Chance für Golßen, Zeichen zu setzen und junge Menschen mit neuen Ideen in der Stadt anzusiedeln“, sagt er. Daraus könnten sich sogar Perspektiven für die Entwicklung von neuen Wohnflächen ergeben. Das Vorhaben stelle „uns vor die Frage, wie wir in Zukunft leben und arbeiten wollen“. Das Schloss stehe am Ende der Hauptstraße und sei das geistig-kulturelle Zentrum. Ein Verkauf, wie etwa in Lieberose, würde die Stadt von ihrem schönsten Ort entkoppeln. „Wenn ein Investor so ein Haus kauft, zeigt das die alte Wirtschaft, in der der Clevere siegt. Uns geht es um Gemeinwohlwirtschaft, wir wollen Gemeinwohl schaffen.“ Es gehe, sagt er nicht zuletzt auch mit Blick auf die Geschichte vom Schloss Lieberose, um das Selbstbewusstsein einer Stadt – oder um das Trauma, das sie erfährt, wenn sie ihren wichtigsten Ort aufgibt. „Wir stehen an einer Scheide, wo eine stärkere Regionalisierung und eine Dorfbewegung auf Globalisierung und Großinvestoren trifft. Da ist die Frage, ob sich die Kommunen selbst ermächtigen oder passiv bleiben wollen.“

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Veröffentlichung

Fr, 29. Oktober 2021

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