Nicht mehr auf Rosen gebettet

Heute entscheidet der Kreistag über den Doppelhaushalt 2023/24. Schon im nächsten Sitzungszyklus könnte dieser überholt sein. Dann wird über das Thema Oberschulen debattiert, was erhebliche Auswirkungen auf die Kreisfinanzen haben könnte.

 

Von Dörthe Ziemer

 

Die rosigen Zeiten sind vorbei. So sieht es der Kreistagsabgeordnete Benjamin Kaiser (Fraktion CDU/FDP/Bauern): Der Kreis sei in den vergangenen 30 Jahren „immer auf Rosen gebettet“ gewesen, sagte er im Finanzausschuss. „Aufgrund dieser erfolgreichen Entwicklung haben wir viel an Bevölkerung zugelegt, dazu kam die Eröffnung des BER, kam Tesla“, zählte er auf. „Jetzt haben wir finanzielle Sorgen und Nöte. Lassen Sie uns eng zusammenstehen und nicht gegeneinander ausspielen. Dann werden wir die finanziell schwachen Jahre durchstehen.“ Das waren emotionale Worte zu nüchternen Haushaltszahlen – und zu zwei Debatten, die den Kreishaushalt künftig bestimmen könnten: die um die Oberschulen und die um die Klage der Gemeinde Eichwalde gegen den Kreisumlagebescheid 2019. Auch die Frage, wer Kitaplätze im Landkreis schafft, wird zurzeit diskutiert.

 

Ohne Kreditaufnahmen würden die Zahlungsmittelbestände bis 2027 in Richtung -160 Millionen Euro gehen.

 

In Zahlen drückt sich die Finanzlage für die kommenden zwei Jahre so aus: Für 2023 rechnet Kämmerer Stefan Klein mit einem Minus im Gesamtergebnis von gut 18 Millionen Euro, für 2024 sogar mit über 48 Millionen Euro. Der gesetzlich geforderte Haushaltsausgleich sei durch Rücklagen darstellbar, sagte er im Finanzausschuss. Immerhin 148 Millionen Rücklagen liegen aus dem Ergebnishaushalt 2021 vor. Der Zahlungsmittelbestand geht 2023 um 22,2 Millionen Euro zurück, 2024 um 30,2 Millionen Euro.

 

Mithilfe von Kreditaufnahmen in Höhe von 30 Millionen Euro im Jahr 2023 und 55 Millionen Euro im Folgejahr wird der Zahlungsmittelbestand Ende 2023 bei etwa 20,5 Millionen Euro liegen, und 2024 bei 0,3 Millionen Euro. Ab 2024 bleibt dieser bei der Null-Marke, wenn entsprechend Kredite aufgenommen werden. Ohne Kreditaufnahmen, so ist im Vorbericht zum Haushaltsplan zu lesen, würden die Zahlungsmittelbestände bis 2027 in Richtung -160 Millionen Euro gehen.

 

Der Doppelhaushalt in knapp zwei Minuten erklärt:

Video: Karen Ascher

 

Eines der wesentlichen Instrumente der kreislichen Haushaltsplanung ist die Festsetzung der Kreisumlage. Diese wird von den Ämtern und Gemeinden erhoben, um Leistungen des Landkreises mitzufinanzieren. Der Kreisumlage-Satz betrug im Jahr 2009 noch 40,5 Prozent, d.h., 40,5 Prozent der Umlagegrundlage (Steuerkraft und Schlüsselzuweisungen) mussten die Kommunen an den Kreis abführen. Bis 2023 wurde dieser auf 34 Prozent abgesenkt – eben wegen der guten finanziellen Lage im Landkreis und weil die Kommunen entsprechenden Bedarf anmeldeten. Der Durchschnitt der Kreisumlage in Brandenburg liegt bei 39 Prozent, im Nachbarlandkreis Teltow-Fläming, der ähnlich vom Speckgürtel profitiert wie Dahme-Spreewald (aber keinen Flughafen im Kreisgebiet hat), liegt sie derzeit bei 40 Prozent.

 

Die Kreisumlage soll im Jahr 2023 trotzdem nicht steigen. „unter Berücksichtigung des aktuell hohen Finanzbedarfes der kreisangehörigen Kommunen“, heißt es im Vorbericht mit Verweis auf den Punkt 6.1, in dem die Erhebung der Kreisumlage ausführlich erläutert wird. Hinzu kommen die ungeplanten Überschüsse des Landkreises im Jahr 2021, in dem die Steuerkraft der Städte und Gemeinden angesichts der Pandemie wider Erwarten um 107 Millionen Euro gestiegen ist (davon trug die Gemeinde Schönefeld einen Anteil von ca.95 Millionen Euro).

 

Eigentlich sollte laut dem ersten Haushaltsentwurf der Satz auch 2024 nicht steigen, aber wegen der Unterstützung anstehender Investitionen für die zum Schuljahr 2023/24 startende Oberschule in Friedersdorf wird sie mit 35,32 Prozent angesetzt. Die Genehmigung für die Schule durch das Bildungsministerium flatterte kurz vor Jahresende ins Rathaus der Gemeinde Heidesee. Der Landkreis will entsprechende Investitionen mit ca. 4,6 Millionen Euro unterstützen und hat dies vollständig in den Kreisumlagehebesatz einbezogen, was zu einer Anhebung um 1,32 Prozentpunkte führte.

 

Trotzdem werden die Erträge aus der Kreisumlage 2024 wegen sinkender Steuereinnahmen der Gemeinde Schönefeld im Jahr 2022 um ca. 26,5 Millionen Euro geringer ausfallen als 2023. Insgesamt werden die Steuereinnahmen der Brandenburger Gemeinden nach der Steuerschätzung vom November2022 wieder steigen, aber erheblich geringer als bislang prognostiziert, heißt es im Vorbericht weiter. Die Kreisumlagebescheide werden im aktuellen Haushaltsjahr erlassen, informiert Kämmerer Stefan Klein. Bei der Erhebung sind die aktuellen Finanzbedarfe der Kommunen und des Kreises abzugleichen. Daher stehe der nun festgelegte Satz für 2024 noch nicht absolut fest, sondern könnte im Rahmen eines Nachtrags korrigiert werden.

 

„Es gibt keinen Zweifel, wer zuständig ist – das sind wir. Wenn wir das zur Kenntnis nehmen, ist der Haushaltsbeschluss schon überholt.“
Landrat Stephan Loge zum Thema Oberschulen

 

Dazu sind nicht nur weitere, dann tatsächliche Zahlen abzuwarten, sondern auch die Diskussion um den Bau einer Oberschule im Norden des Landkreises. Spätestens seit der Nachfrage von Stefan Ludwig (Linke) im Ausschuss, ob denn der Antrag von Linken und Grünen für den Bau einer Oberschule im Nordkreis schon in den Haushalt eingepreist sei – was er nicht ist, herrschte Klarheit: Sollte die Diskussion in die Richtung gehen, dass der Landkreis die Oberschule baut oder sich in Größenordnungen daran beteiligt, ist der nun schon korrigierte Kreisumlagesatz nicht zu halten.

 

Wie die Kreisverwaltung informiert, entspricht ein Prozent Kreisumlage einem Geldwert von ca. vier Millionen Euro. Dies zugrunde gelegt, würde der Bau einer Oberschule für 40 bis 60 Millionen Euro zu einer Erhöhung der Kreisumlage von insgesamt 10 bis 15 Prozent über einen gewissen Zeitraum führen. Vor diesem Hintergrund forderte Landrat Stephan Loge die Abgeordneten dazu auf, den Haushalt zügig zu beschließen. „Ich habe mit dem Bürgermeister von Schönefeld gesprochen. Die Gemeinden im Norden meinen es ernst“, sagte er mit Blick auf deren Forderungen, dass der Landkreis eine Oberschule bauen müsse. „Es gibt keinen Zweifel, wer zuständig ist – das sind wir. Wenn wir das zur Kenntnis nehmen, ist der Haushaltsbeschluss schon überholt.“ Das Thema müsse in diesem Jahr diskutiert werden, denn: „Wenn keine Trägerschaft – dann keine Finanzierung, kein Baumanagement“, so der Landrat. Eine neue Schule müsste zum Schuljahr 2028 starten.

 

Womöglich ist auch nicht nur über eine weiterführende Schule zu reden, sondern über alle: Das schwebt der Fraktion CDU/FDP/Bauern vor. In ihrer Stellungnahme zum Haushalt hat sie bereits angekündigt, dass sie keine „vom Landkreis finanzierte Einzellösung“ wolle. „Sofern von allen Kommunen gewünscht“, solle der Landkreis alle weiterführenden Schulen in seine Trägerschaft übernehmen. In dem Falle sollten die Kommunen dann auch kein Mitspracherecht in Schulangelegenheiten mehr haben. Alternativ könne sich die Fraktion eine Beteiligung des Landkreises an den Baukosten vorstellen – nach einem für alle Kommunen gleich geltenden Schema. Das Thema bedürfe einer Grundsatzentscheidung des Kreistages, heißt es in der Stellungnahme. Dann dürfte sich die Kreisumlage in gänzlich anderen Größenordnungen wiederfinden.

 

„Im Norden muss in Gebäude investiert werden: in Gymnasien und die Förderschule, im Süden in die bessere Vernetzung durch Kreisstraßen.“
Kämmerer Stefan Klein

 

Vor diesem Hintergrund waren die weiteren Wünsche, die die Fraktion in ihren Stellungnahmen zum Doppelhaushalt äußerten, schon beinahe Makulatur. „Alles, was wir an freiwilligen Aufgaben vorsehen und die Fraktionen wünschen – das muss auf den Prüfstand“, blickte Stephan Loge voraus. Freiwillige Aufgaben auf den Prüfstand zu stellen, sei in der Vergangenheit „doch das Schlimmste“ gewesen. Gleichwohl gab es diese Wünsche: Eine Aufstockung des Kreisstrukturfonds auf zehn Millionen Euro hätte die Unabhängige Bürgerliste (UBL) gern und begründete dies mit einem stärkeren Ausgleich zwischen Nord und Süd, eine Aufstockung des Kreisumlagesatzes wünscht die SPD, einen Dispositionsfonds für Klimaschutzmaßnahmen sowie den Ausbau des ÖPNV und der Radwege, wollen die Grünen. Geringere Kreditaufnahmen wünschen sich CDU/FDP/Bauern und Linke.

 

Der Antrag der UBL wurde mit einer Rechnung beantwortet: Wenn im Norden 140 Millionen Euro und im Süden 48 Millionen Euro aus der Kreisumlage investiert werden, so entspricht das dem Anteil der Bevölkerung, die dort lebt: drei Viertel im Norden, ein Viertel im Süden. „Im Norden muss in Gebäude investiert werden: in Gymnasien und die Förderschule, im Süden in die bessere Vernetzung durch Kreisstraßen“, so Kämmerer Stefan Klein. Auf die Anträge der Fraktionen hat die Kreisverwaltung Stellung genommen – einigen Anliegen konnte gefolgt werden bzw. sie werden bereits umgesetzt, anderen wurde nicht entsprochen, darunter der Erhöhung des Kreisstrukturfonds, der Erhöhung der Kreisumlage, Einsparungen bei freiwilligen Aufgaben und Erhöhungen beim Radwegeausbau.

 

Eine höhere Kreisumlage, um all das künftig zu finanzieren, könnte einige Kommunen hart treffen. Die Kreisverwaltung hat in mehreren Schritten den Finanzbedarf der Kommunen analysiert. Viele Kommunen haben ihren Haushalt für 2023 noch nicht beschlossen, in zahlreichen Kommunen fehlen die Jahresabschlüsse mehrerer Jahre – ein Rückstand, der sich aus der Einführung einer neuen Haushaltsführung (Doppik) vor einigen Jahren ergab. Daher fehlen häufig die Grundlagen zur Beurteilung der Finanzsituation und der Landkreis schaut beispielsweise nach der Leistungsfähigkeit der Kommunen, also ob sie den Haushaltsausgleich erreichen oder nicht.

 

„Ich beneide den Kreistag nicht um die Entscheidungen, die nun zu treffen sind.“
Landrat Stephan Loge

 

Eine dauernde Leistungsfähigkeit auf der höchsten Stufe wird bei 3 Kommunen (Krausnick-Groß Wasserburg, Steinreich und Unterspreewald) gesehen, eine dauernde Leistungsfähigkeit auf der nächst tieferen Stufe (durch Nutzung von Rücklagen) bei 22 Kommunen. Eingeschränkt dauernd leistungsfähig werden zwei Kommunen beurteilt (Schwielochsee, Schwerin). Die dauernde Leistungsfähigkeit wird bei zehn Kommunen als nicht gegeben angesehen. Dies sind vor allem amtsangehörige Kommunen im ländlichen Raum. „Dies unterstreicht die Heterogenität der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommunen“, heißt es im Vorbericht. Zudem bestehe ein hoher Investitionsbedarf, der häufig gar nicht in der Haushaltsplanung dargestellt werden könne, wie einige Kommunen dem Landkreis mitteilten. Vor diesem Hintergrund wäre eine differenzierte Kreisumlage hilfreich, die jedoch nicht zulässig sei, wird im Vorbericht erläutert.

 

Diese Analysen ließen Frank Selbitz (UBL) die Frage stellen, ob Handlungsbedarf für Kreisverwaltung bestehe: „Können wir von den Gemeinden Kreisumlage einziehen, wenn diese gar nicht in der Lage dazu sind?“ Stefan Klein wies darauf hin, dass die Analysen eine Entscheidungshilfe für die Kämmerei zur Festlegung der Kreisumlage und kein Handlungsinstrument der Kommunalaufsicht seien. Den Landrat bewegte das Thema offenbar stärker emotional: „Jahrelang waren wir bestrebt, durch die niedrige Kreisumlage die Leistungsfähigkeit der Kommunen zu erhöhen. Ich nahm an, wenn man Zugeständnisse bekommt, ist das mit einem gewissen Ehrgeiz verbunden“, sagte er. Stattdessen müsse er sich nun fragen, wie die Städte und Gemeinden im Nachbarlandkreis das hinbekommen. „Jedenfalls ist der Landkreis ist nicht berechtigt, so tief hineinzublicken, das ist kommunale Selbstverwaltung.“ Die Kreisumlage müsse eingezogen werden, sie könne höchstens gestundet werden. Er sehe große Probleme, die kommunale Familie zusammenhalten, so der Landrat in der Jahrespressekonferenz des Kreises: „Ich beneide den Kreistag nicht um die Entscheidungen, die nun zu treffen sind.“

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Veröffentlichung

Mi, 18. Januar 2023

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