Egal, wie die Wahl ausgeht: Märkische Heide bekommt am Sonntag einen neuen alten Chef: Herausforderer Dieter Freihoff war vor Amtsinhaberin Annett Lehmann Bürgermeister. Das macht sich im Wahlkampf bemerkbar.
Von Andreas Staindl
Eine Frau und ein Mann wollen Bürgermeister der Gemeinde Märkische Heide werden. Annett Lehmann (55, Pro Märkische Heide) ist die aktuelle Amtsinhaberin, Dieter Freihoff (58, SPD) der Herausforderer. Beide kennen die Gemeinde seit vielen Jahren, leben dort, sind integriert und gut vernetzt. Wer von ihnen die Verwaltung während der nächsten acht Jahre führen darf, das wird am 25.September entschieden.
Etwa 3.400 Wahlberechtigte sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Sie hatten nicht nur Flyer mit Zielen und Vorhaben der Kandidaten im Briefkasten, sondern auch die Möglichkeit, ihnen direkt gegenüberzusitzen und Fragen zu stellen. Speed-Dating nennt sich das Format – auch wenn nicht der Partner fürs Leben gefunden werden soll. Kandidaten-Test im Minutentakt. Das politische Speed-Dating fand neun Tage vor der Bürgermeisterwahl statt. Der Ortsverband Märkische Heide des Deutschen Roten Kreuz (DRK) Kreisverband Fläming-Spreewald e.V. hatte das Format organisiert und veranstaltet. Etwa 50 Bürger sind der Einladung gefolgt. Und wurden gleich zu Beginn überrascht: Wer den Kandidaten Fragen stellen wollte, musste sich zuvor dazu bekennen.
Warten unterm Zelt im Freien: Um ihre Fragen loszuwerden, wurden Bürger einzeln oder in Familie zum Speed-Dating in die Turnhalle gebeten. Foto: Andreas Staindl
17 Bürger suchten schließlich das direkte Gespräch mit den Kandidaten. Sie saßen ihnen in der Turnhalle am Sportplatz in Groß Leuthen direkt gegenüber. Alle anderen Gäste mussten im Freien bleiben – für viele eine Herausforderung angesichts der rasch sinkenden Temperaturen und des einsetzenden Regens. Nicht alle haben durchgehalten. Sie bekamen jedoch zumindest die Kurzvorstellung der Kandidaten zu Beginn mit: Annett Lehmann führt die Gemeinde Märkische Heide seit 2014. Sie setzte sich damals in der Stichwahl gegen Dieter Freihoff durch – ihren Vorgänger im Amt. Beide haben also Erfahrung auf dem Chefsessel. Während Annett Lehmann ihre begonnene Arbeit und angeschobenen Projekte unbedingt fortsetzen möchte, will ihr Dieter Freihoff diese Verantwortung gerne abnehmen. Er ist dabei durchaus selbstkritisch: „Ich habe Demut vor dem Amt des Bürgermeisters und während meiner ersten Amtszeit sicherlich nicht alles richtig gemacht.“ Jetzt strebt er wieder nach dem Chefsessel. Ob ihn seine Antworten während des Speed-Dating diesem Sessel näher gebracht haben oder ob Annett Lehmann punkten konnte, entscheidet sich am 25.September an der Wahlurne.
„Wir haben mehr Zuzug als es die öffentliche Wahrnehmung vermuten lässt.“
Annett Lehmann, Bürgermeisterin und Kandidatin
Jeweils drei Minuten Zeit hatten Bürger für Fragen, und die Kandidaten für Antworten. Das ist sehr wenig für Politiker, die es gewohnt sind, Sachverhalte ausschweifend zu erklären. So manches Problem wurde deshalb nur angerissen. Das Angebot, auch anschließend gesprächsbereit zu sein, gab es von beiden Kandidaten. Das Speed-Dating machte deutlich, wo den Bürgern der Schuh drückt und was auf den Nägeln brennt: Da ist die Integration von Zuzüglern, von Menschen, die ihren Wohnsitz in die Gemeinde Märkische Heide verlegt haben – oft aus Berlin. Wie kann es gelingen, sie in die ländliche Gemeinschaft aufzunehmen? Was wird von ihnen erwartet, und was bietet die Gemeinde? Das neue Gemeindeoberhaupt muss sich damit auseinandersetzen, denn: „Wir haben mehr Zuzug als es die öffentliche Wahrnehmung vermuten lässt“, sagt Annett Lehmann. „Die Märkische Heide ist offenbar ein attraktiver Wohn- und Lebensstandort.“
Speed-Dating: Auge um Auge mit der Bürgermeisterin Annett Lehmann (li.), die den Chefsessel verteidigen möchte. Foto: Andreas Staindl
Diesem ist allerdings während der vergangenen Jahre die Infrastruktur weggebrochen: Ein Einkaufsmarkt fehlt, ist jedoch seit 2017 in der öffentlichen Diskussion. Kommt er nun oder nicht? Warum dauert die Umsetzung so lange? Auch das hat Bürger am Freitagabend interessiert. Beide Kandidaten verstehen deren Ungeduld, verweisen jedoch darauf, dass die Gemeinde während mancher bürokratischer Prozesse nur Zuschauer ist. Dennoch: Die Erwartungshaltung an den neuen Bürgermeister ist hoch. Auch, was den Ausbau von Radwegen betrifft. Gleich mehrere Bürger hatten das Thema angeschnitten während des Speed-Datings. Konkrete Zusagen haben sie keine erhalten. Die Kommune ist beim Radwegebau oftmals abhängig vom Bund und vom Land, von deren Prioritätensetzung – und von Fördermitteln sowieso. Einen Hoffnungsschimmer gibt es allerdings: Die alte Bahntrasse beim Ortsteil Wittmannsdorf soll als Radtrasse umgebaut werden.
„Wir müssen über Einsparpotential der Gemeinde reden, denn die Preissteigerungen betreffen uns alle.“
Dieter Freihoff, Kandidat und früherer Bürgermeister
Schritt für Schritt werde sich die Gemeinde Märkische Heide weiterentwickeln. Da sind sich beide Kandidaten einig. Sie trennt ohnehin scheinbar nicht viel. Dieter Freihoff kennt die Arbeit als Verwaltungschef und Gemeindevertreter. Annett Lehmann arbeitet seit 22 Jahren in der Verwaltung in Groß Leuthen, war viele Jahre dort Bauamtsleiterin, hat also auch unter ihrem Herausforderer gearbeitet. Jetzt sind beide Kandidaten gefordert, ihre Gemeinde mit den 17 Ortsteilen durch die aktuell und wohl auch perspektivisch unsicheren Zeiten zu führen. Die Amtsinhaberin steht im Stoff, kennt Zahlen, Fakten und Mitarbeiter aus ihrer täglichen Arbeit. Freihoff will einen Neuanfang für sich und die Verwaltung. Der 58-Jährige will, wenn er gewählt wird, „die Mitarbeiter stärker einbeziehen. Und den Bürgern Visionen anbieten. Wir brauchen eine Diskussionsgrundlage, um uns weiterzuentwickeln.“ Dazu gehört für ihn auch die Modernisierung der Feuerwehr in der Gemeinde, „auch wenn manche meiner Ideen heute noch utopisch klingt. Und wir müssen über Einsparpotential der Gemeinde reden, denn die Preissteigerungen betreffen uns alle.“
Auch der Herausforderer Dieter Freihoff (re.) hat sich den Fragen der Bürger gestellt. Foto: Andreas Staindl
Annett Lehmann möchte sich „an das Gemeindeentwicklungskonzept halten“. Radwege, Feuerwehr und etwa der Kita-Neubau in Groß Leuthen sind ihr wichtig. Auch die Mobilität gerade der älteren Einwohner hat sie im Blick: „Wir planen eine Studie zum Thema, wollen Erfahrungen anderer Kommunen nutzen. Und wir wollen Voraussetzungen schaffen, die es ermöglichen, dass unsere Bürger soziale Kontakte auch vor Ort haben.“ So wie sie will auch Dieter Freihoff „alle 17 Ortsteile im Blick haben und diese gleich behandeln. Ich denke, dass wir zwei Kandidaten in vielen Punkten nicht weit auseinander liegen.“ Er hätte sich gerne „mehr Leute gewünscht, die Bürgermeister der Gemeinde Märkische Heide werden wollen. Dass es jetzt nur zwei Kandidaten sind, entspricht nicht meinem Verständnis von Demokratie.“
Laut Wahlleiterin Ilka Paulick gab es tatsächlich eine weitere Interessentin. Sie habe jedoch ihre Wahlunterlagen nicht vollständig vorgelegt, weshalb der Wahlausschuss erst gar nicht über ihre Zulassung als Wahlvorschlag entscheiden konnte. Die beiden zugelassenen Kandidaten Dieter Freihoff und auch Annett Lehmann hoffen, „dass möglichst viele Bürger am kommenden Sonntag wählen gehen“.