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Champagner für den Strukturwandel

Zu lange Entscheidungswege, zu früher Kohle-Ausstieg, zu wenig Augenmerk auf der Kernbetroffenheit… Die Kritik am Strukturwandelprozess in der Lausitz hält an. Aber erste Ergebnisse sind in Sichtweite, zum Beispiel in Luckau.

 

Von Dörthe Ziemer

 

Christian Beloch ist Pragmatiker. Von seinem Vater hat er die Firma EAB Gebäudetechnik Luckau übernommen, und es sind ganz praktische Fragen, die ihn bei der Weiterentwicklung seines Geschäfts antreiben: Wer beispielsweise ein Smart-Home-System installieren möchte, also ein System, das verschiedene technische Geräte (Lichtquellen, Unterhaltungselektronik, Wärmeversorgung) sinnvoll miteinander vernetzt, der sollte auch die Energieerzeugung mitdenken. „Es geht ja nicht nur darum, dass man alles mit dem Handy steuern kann, sondern auch darum, es sinnvoll zu steuern“, beschriebt Christian Beloch den Ausgangspunkt seiner Überlegungen. Und: Solaranlagen allein schaffen es nicht, den Bedarf eines smarten Zuhauses zu decken. Deshalb braucht es verschiedene Energiequellen. Neben Solarzellen kommt Windkraft in Betracht – aber doch nicht in den windarmen, wenig besiedelten Gegenden der Lausitz mit den gängigen Rotorblättern...?

 

„Es geht ja nicht nur darum, dass man alles mit dem Handy steuern kann, sondern auch darum, es sinnvoll zu steuern.“
Christian Beloch, Geschäftsführer EAB Gebäudetechnik Luckau

 

Die erste Idee von Christian Beloch war geboren: Warum nicht kleinere Rotorblätter herstellen, die mehr Energie aus dem Wind ziehen? Diese Frage stellte er Forschern des Fraunhofer Instituts – und in Teamarbeit entstand der Prototyp eines um 35 bis 40 Prozent leichteren und mit 45 Prozent mehr Wirkfläche ausgestatteten Rotorblattes. „Damit kommt mehr Energie beim Generator an“, erklärt Marcello Ambrosio vom Fraunhofer Institut für Angewandte Polymerforschung IAP. Die Werkzeuge für die Herstellung des Rotorblattes entstehen im 3D-Drucker, was die Herstellungskosten erheblich senkt. Auch das eine Innovation.

 

Erklären, Tüfteln, Staunen: Christian Beloch (l.) und Marcello Ambrosiu (M.). Foto: Dörthe Ziemer

 

„Als mittelständisches Unternehmen haben wir mit unseren Partnern eine Produktionskette erzeugt wie sonst nur Großunternehmen. Wir als kleiner Handwerksbetrieb haben einen Markt entdeckt, den die großen Hersteller nur am Rande sehen“, sagt Christian Beloch nicht ohne Stolz. Und auch Marcello Ambrosio bestätigt den Erfolg: Es habe bereits fast 100, zum Teil internationale Presseanfragen zu diesem Projekt gegeben. „So eine Dynamik habe ich in meiner wissenschaftlichen Laufbahn noch nicht erlebt“, sagt er. Im dritten Quartal 2023 soll das Rotorblatt in Serie gehen – und die Produktion möglichst in der Region bleiben, ergänzt Christian Beloch.

 

Doch das Rotorblatt ist offenbar nur der Schritt hin zu einer weiteren Innovation: dem „Wasserstoffkraftwerk für den Garten“. Es gehe darum, sagt der junge Firmenchef, eine Speichermöglichkeit zu finden, wenn gerade mal nicht so viel Energie benötigt wird. „Der Mix macht es aus“, ist er überzeugt. Die vom Windrad erzeugte Energie könnte also auch Wasserstoff produzieren. Damit könnte jeder Haushalt seinen eigenen Wasserstoff emissionsfrei herstellen und eine autarke Energieversorgung aufbauen.

 

Wasserstoff – der „Champagner der Energiewende“! So nennt es Heiko Jahn, Geschäftsführer der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH (WRL), die das Projekt über die bei ihr angesiedelte Förderlinie „Unternehmen Revier“ begleitet – eine bislang noch relativ unbekannte Form der Strukturwandel-Förderung, die es jedoch bereits seit 2017 gibt, also noch lange bevor das Kohleausstiegsgesetz beschlossen war. Die vier Braunkohleregionen Lausitzer Revier, Mitteldeutsches Revier, Rheinisches Revier und Helmstedter Revie erhalten daraus jährlich acht Millionen Euro. „Mit dem Vorhaben sollen die Betroffenen vor Ort und ihre Ideen direkt einbezogen werden, um gemeinsam den Strukturwandel zu gestalten“, heißt es auf den Seiten des Bundeswirtschaftsministeriums. Menschen, Unternehmen und Initiativen aus der Region können sich mit ihren Vorschlägen daran beteiligen. Das Programm wurde bis Ende 2027 verlängert. Künftig werde ein noch stärkerer Schwerpunkt auf die Förderung von Projekten von Unternehmen gesetzt.

 

Heiko Jahn, Gerald Lehmann und Stephan Loge (v.l.). Foto Dörthe Ziemer

 

Das gilt nun auch für die EAB Gebäudetechnik Luckau und ihre Partner. Sie wollen Wasserstofftanks aus Faser-Kunststoff-Verbund (gewickelte Wasserstoffdruckbehälter) für die private Anwendung zur Marktreife bringen. Damit stellen sie dem steigenden Wasserstoffbedarf in der Region und den Herausforderungen bei der Herstellung, Speicherung und dem Transport von Wasserstoff eine Lösung gegenüber. Ein weiteres, entscheidendes Plus der Idee: Dank eines Sensor-Systems soll der Tank ständig überwacht sein, Fehler sofort erkannt und behoben werden. Das Smart-Home-System kann dabei die Energieverteilung entsprechend dem aktuellen Bedarf intelligent steuern. Auch Wetterdaten sollen integriert werden, um vorausschauend agieren zu können. „Das Haus kann sich auf Regen vorbereiten, und der Bewohner merkt es gar nicht“, erklärt Christian Beloch.

 

Für die Altstadt von Luckau, deren denkmalgeschützte Häuser von Solarzellen auf dem Dach verschont bleiben sollen, böten sich hier echte Alternativen, schätzt Bürgermeister Gerald Lehmann ein. Landrat Stephan Loge hat den Regionalverkehr, der soeben einen Fördermittelbescheid über die Förderung von wasserstoffbetriebenen Bussen erhalten hat, im Blick: Wasserstoff als Kraftstoff ist nichts Neues. Neu wäre es hingegen, wenn man den Tank einfach austauschen könnte statt im Fall von E-Mobilität lange an einer Ladesäule stehen zu müssen. Die von EAB Gebäudetechnik und Fraunhofer Institut entwickelten Tanks sollen besonders leicht sein, was den nachgefragten Bedarfen entspricht.

 

„Viele Prozesse kommen zusammen, es gibt gute Entwicklungsmöglichkeiten in bestimmten Technologiefragen – solche Projekte werden gefördert.“
Norman Müller, Bereichsleiter „Unternehmen Revier“

 

„Das Alleinstellungsmerkmal dieser Technologie sind die eingebaute Sensorik für die ständige Überwachung des Geräts sowie die Gewichtsreduktion und die daraus folgende Erhöhung der Tankkapazität“, erklärt Norman Müller, Bereichsleiter des Bundesmodellvorhabens „Unternehmen Revier“. Genau darum gehe es bei der Strukturwandelförderung: um die Herstellung der Marktfähigkeit von Innovationen und um den Aufbau einer Wertschöpfungskette in der Region, sagt er. Der Wasserstofftank sei dafür geradezu prototypisch: „Viele Prozesse kommen zusammen, es gibt gute Entwicklungsmöglichkeiten in bestimmten Technologiefragen – solche Projekte werden gefördert.“ Der EAB Gebäudetechnik kommen dabei die Rolle des Initiators, aber auch die des Trägers des Wissenstransfers und des Übermittlers der Erfahrungen aus der Markeinführung zu.

 

„Versenkt!“, würde der Golfer an dieser Stelle vielleicht rufen. Ein Golfball ist im Durchmesser 4,5 Zentimeter groß – das Loch, in das er fallen soll, 10 Zentimeter. „Das muss doch gehen“, sagt Frank Käßner, Präsident des Lausitzer Golfclubs. Auf dem Golfplatz in Neuhausen hatte er im Juni Unternehmer und Verantwortliche des Lausitzer Strukturwandels sowie anderer Reviere zu Gast. Denn mit dem Strukturwandel schien es ihm und den anderen Initiatoren der Tagung wohl doch nicht so zu klappen wie mit dem Golfball: Das muss doch gehen?! – Die Tücken stecken aus Sicht der Unternehmen offenbar im Detail: Welche Projektideen bringen die notwendige Strukturstärkung? Wer entscheidet, was innovativ ist? Wer darf überhaupt Projekte einbringen? Und was bleibt für die Unternehmen?

 

Tagung beim Lausitzer Golfclub. Foto: Dörthe Ziemer

 

Die Fachtagung „Strukturwandel in den Kohlerevieren – Sachstand und Herausforderungen“ sollte Antworten auf diese Frage bringen. Es ging um eine vergleichende Perspektive zwischen den drei Kohlerevieren (Lausitzer, Mitteldeutsches und Rheinisches Revier). Und ums Golfspielen – nach getaner Arbeit. Frank Käßners Vision ist es, daraus ein jährliches Format werden zu lassen, „das den Strukturwandel wissenschaftlich, politisch, gesellschaftlich, aber auch kulturell begleitet“. Als ein solcher Begleiter war vor zwölf Jahren die Energieregion Lausitz geboren worden, aus der schließlich die Wirtschaftsregion Lausitz GmbH (WRL) entstand. Gesellschafter sind die Südbrandenburger Landkreise, die Stadt Cottbus und neuerdings auch das Land Brandenburg.

 

Die WRL ist dafür verantwortlich, dass aus Lausitzer Ideen Projekte werden, die durch die Strukturmittel gefördert werden können. 3,6 Milliarden Euro stehen für diese Art der Förderung bereit – also die Förderung von kommunalen oder kommunal relevanten Projekten, die in einem Werkstattprozess der WRL qualifiziert werden, um sie anschließend der Landesregierung vorzulegen und schließlich in einen Fördermittelantrag an die Investitionsbank des Landes Brandenburg zu gießen. Fünf Werkstätten mit zahlreichen regionalen Experten und Multiplikatoren kümmern sich darum, dass aus Projektideen, die auf wenigen Seiten Papier Platz finden, förderfähige Projekte werden.

 

„Bei uns hat man vor etwa zehn Jahren gesagt, das sei halt irgendwann zu Ende mit der Kohle – und ging nur halbherzige Schritte in Richtung Innovationsregion.“
Bodo Middeldorf, Geschäftsführer Zukunftsagentur Rheinisches Revier

 

Bodo Middeldorf, Geschäftsführer der Zukunftsagentur Rheinisches Revier, ließ einen gewissen Neid auf die 30 Jahre Strukturwandelerfahrung in der Lausitz erkennen. „Bei uns hat man vor etwa zehn Jahren gesagt, das sei halt irgendwann zu Ende mit der Kohle – und ging nur halbherzige Schritte in Richtung Innovationsregion“, erzählt er. Große Bewegung kam dann durch das Strukturstärkungsgesetz. Nun gehören neben den Landkreisen und der kreisfreien Stadt auch Regionalmanagements, Kammern und Gewerkschaften zu den Gesellschaftern der Zukunftsagentur. Es raunte durch die Reihen der Zuhörer, als Bodo Middeldorf von einem 31 Mitglieder starken Aufsichtsrat sprach. Ebenso wie in der Lausitz ist es Ziel, Ideen zu diskutieren und einen regionalen Konsens zu den Projektentwicklungen herzustellen. Das passiert in so genannten Anrainerkonferenzen, denn 20 Anrainerkommunen grenzen unmittelbar an die Tagebaue und Kraftwerksstandorte.

 

„Im Rahmen des Prozesses wurden politische, räumliche und strukturelle Interessen übereinandergelegt und zu Zukunftsfeldern entwickelt“, erklärt Bodo Middeldorf. Die Zukunftsagentur sei dabei der Mittler zwischen den Interessen der Region und dem Land als Fördermittelgeber. Eine innovationsorientierte Regionalstrategie funktioniere dabei am besten, sagt er. Das brauche zwar im Hinblick auf die Arbeitsplätze etwas mehr Zeit, wirke aber langfristig. Bei der Einbindung der Kommunen unterstützen Strukturwandelmanager. Denn es gebe „viele Impulse aus der kommunalen Ebene, allerdings ist diese personell nicht ausreichend aufgestellt“, sagt der Experte. „Wir müssen diesen Prozess aus der Region heraus begreifen.“

 

Aus der Region heraus begreifen – dazu gehört für Dahme-Spreewalds Landrat Stephan Loge, dass man für Regionalisierung und Vernetzung mehr Verständnis aufbringen möge. Er vernehme häufig die Kritik, dass sein Landkreis weitgehend nichts mit dem Strukturwandel in der Lausitz zu tun habe. Doch von den Ideen und Institutionen, die sich dort befinden, profitierten auch andere Regionen: Sei es vom Robert-Koch-Institut in Wildau oder dem Fraunhofer-Institut, so Stephan Loge. Das Luckauer Wasserstoffprojekt sei ein gutes Beispiel dafür, wie Wertschöpfungsketten entstehen, so der Landrat: „Das Projekt ist zwar hier angesiedelt, wirkt aber in die ganze Region hinein.“

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Veröffentlichung

Di, 02. August 2022

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