Wer schafft Platz für Schüler?

Die Schülerzahlen im Landkreis steigen rasant - um knapp ein Viertel bis 2027. Doch die Diskussion um die Trägerschaft von Oberschulen bremst Neubauten. Einige Kommunen wollen ihre Schulen auf jeden Fall behalten, andere sehen den Kreis in der Pflicht.

 

Von Andreas Staindl

 

Steigende Schülerzahlen zwingen Politiker und Verwaltung im Landkreis Dahme-Spreewald zum Handeln. Knapp 23 Prozent Zuwachs wird bis 2027 prognostiziert. Das sind rund 3600 Schülerinnen und Schüler mehr als derzeit. Und die brauchen Platz zum Lernen. Der aber ist ohnehin schon knapp. Die Schulentwicklungsplanung für den Zeitraum 2022 bis 2027 hat deutlich gemacht, worauf sich die Verantwortlichen im Landkreis einstellen müssen. An-, Um- und Neubauten sind im Gespräch.

 

Es wird geplant, teilweise auch schon umgesetzt. Die Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung wurde durch den Kreistag erst vor wenigen Wochen beschlossen. Es ist vor allem ein Arbeitspapier für die Schulträger. Susanne Rieckhof (SPD), Vize-Landrätin und zuständige Dezernentin im Landkreis, hatte kurz vor der Bestätigung der aktuellen Schulentwicklungsplanung von „einem Weckruf“ gesprochen. Ihr zufolge trifft der hohe Bedarf an Schulplätzen die Schulträger nicht überraschend. Es sei für diese „kein Neuland, dass Kapazitäten erhöht werden müssen. Die Kommunen müssen sich Gedanken machen, nach Lösungen suchen und diese finden. Wir als Verwaltung helfen gerne dabei“.

 

„Kommunen dürfen Schulträger sein. Warum der Landkreis nur Träger der Gymnasien ist, kann ich nicht mehr nachvollziehen. Es gibt dazu keine schriftlichen Absprachen.“
Claudia Mollenschott, Kreistagsabgeordnete (Linke)

 

Dieses Angebot ist erst wenige Wochen alt und wird schon einem ersten Stresstest unterzogen. In der Planungsregion Zeuthen, Eichwalde, Wildau und Schulzendorf (ZEWS) wird über eine neue Oberschule nachgedacht. Wo die weiterführende Schule entstehen könnte, wer sie baut und finanziert und vor allem, wer der Träger sein soll – das wird derzeit diskutiert. Bisher sind im Landkreis die Städte und Gemeinden Träger von Oberschulen. Das muss aber nicht so bleiben. „Es ist Aufgabe des Landkreises, auch Oberschulen in seine Trägerschaft zu übernehmen“, erklärt Claudia Mollenschott aus Schulzendorf, die für die Linke im Kreistag sitzt. „Kommunen dürfen Schulträger sein. Warum der Landkreis nur Träger der Gymnasien ist, kann ich nicht mehr nachvollziehen. Es gibt dazu keine schriftlichen Absprachen.“ Dafür eine Diskussion, die gerade erst eröffnet ist und auch während der Sitzung des Regionalausschusses der Planungsregion ZEWS kürzlich geführt wurde. „Wir sind gezwungen, mehr Kapazitäten für Schülerinnen und Schüler bereitzustellen“, sagt Claudia Mollenschott. „Und wir müssen schnell handeln, und zwar bis 2024.“


Susanne Rieckhof ist skeptisch, dass bis dahin eine Lösung gefunden wird: „Es wird uns nicht gelingen, eine neue weiterführende Schule bis zum Schuljahr 2024/25 zu eröffnen. Bis vergleichbare Schulen errichtet waren, hat es in der Vergangenheit bis zu zehn Jahre gedauert. Auch eine neue Oberschule im Norden wäre ein langfristiges Projekt – wohl eher zehn Jahr plus. Und wenn der Landkreis die Trägerschaft übernehmen soll, müssten mir die entsprechenden Bürgermeister sagen, wie das finanziell darstellbar ist.“ Die Vize-Landrätin geht von Investitionen für einen Schulneubau in Höhe von 40 bis 60 Millionen Euro aus: „Das würde zu einer Erhöhung der Kreisumlage in Größenordnungen führen. Wenn die Kommunen die Oberschulen nicht weiter betreiben möchten, müssen wir unseren Haushalt neu aufstellen. Eine Übernahme der Oberschulen durch den Landkreis ist derzeit nicht eingeplant. Sie muss sehr gut durchdacht sein“, sagt Rieckhof. „Und es wäre ein Paradigmen-Wechsel – ein Bruch zu dem, was seit 30 Jahren im Landkreis Dahme-Spreewald praktiziert wird. Dass die Gemeinden und Städte Träger von Oberschulen sind, ist doch historisch gewachsen. Aus meiner Sicht wollen viele Kommunen ihre Oberschulen auch weiterführen.“

 

 

Die Stadt Lübben möchte ihre Oberschule auch weiterhin selbst verwalten. Foto: Andreas Staindl

 

Die Stadt Lübben gehört zu jenen Kommunen, die ihre Oberschule behalten möchte. „Wir sehen derzeit keinen Bedarf eines Trägerwechsels“, informiert die Pressesprecherin Bettina Möbes. „Der derzeitige Ist-Zustand hat sich bewährt.“ Die Kreisstadt ist Träger der Spreewaldschule und will es auch bleiben. Das hat der Stadtsprecherin zufolge „den Vorteil, an der weiteren Schulentwicklungsplanung der Oberschule am Standort Lübben teilzuhaben und mitzuwirken. Die Kommunikation zwischen den in unserer Trägerschaft befindlichen Schulen (Grundschulen und Oberschule) sowie die Zusammenarbeit mit der Schulleitung der Oberschule klappen sehr gut. Auch baulich ist unsere Spreewaldschule gut aufgestellt.“ Bettina Möbes verweist darauf, dass das Gebäudemanagement in der Stadtverwaltung bei Mängeln in und an der Oberschule jederzeit zur Verfügung steht. Auch bei der Ausstattung der Schule werden gemeinsam Lösungen gesucht und gefunden. Zudem gibt es eigene Betreuer für die Informationstechnik an den Schulen in Trägerschaft der Stadt Lübben.

 

Die kommunale Trägerschaft hat laut der Pressesprecherin auch den Vorteil, dass „die Haushaltsplanung immer ergebnisorientiert und im Sinne der Schule erfolgt. Dass Personal wie etwa die Sekretärin und der Hausmeister bei der Stadt Lübben angestellt sind, hat den Vorteil, dass wir im Bedarfsfall flexibel reagieren und unsere Mitarbeiter an anderen Standorten einsetzen können.“ Mit Luckau will eine weitere Kommune im Süden des Landkreises ihre Oberschule in eigener Trägerschaft behalten. „Die Stadt möchte ihre weiterführende Schule gerne weiter selbst verwalten“, sagt Susanne Rieckhof. Druck, neue Oberschulen errichten zu müssen, gibt es ohnehin nicht in dieser Planungsregion Süd. Bei der Gesamtschülerzahl wird mit einem Anstieg von 0,4 Prozent bis 2026/27 gerechnet.

 

Das sieht in der Planungsregion ZEWS ganz anders aus. Dort wird ein Zuwachs von 16,3 Prozent während der nächsten fünf Jahre erwartet. Schon jetzt fehlen Kapazitäten in weiterführenden Schulen. „Wir brauchen eine Lösung“, sagt Claudia Mollenschott, „sonst stehen die Kinder demnächst auf der Straße. Oder sie fahren nach Lübben und dorthin, wo Plätze frei sind.“ Alf Hamann (Wähler Initiative Eichwalde/WIE) drängt ebenfalls zur Eile und sagt: „Wir hatten bisher viel weniger Entwicklungsdruck. Ob der Landkreis die Pflichtaufgabe ´Trägerschaft´ der Oberschulen schultern kann, muss man sehen. Wir zumindest sind verhandlungsbereit für eine Erhöhung der Kreisumlage.“ Aus seiner Sicht können die Kommunen im Norden den Bau einer neuen Oberschule „nicht stemmen“.

 

Die Oberschule in Luckau ist in Trägerschaft der Stadt, die es so gerne beibehalten möchte. Foto: Andreas Staindl

 

Susanne Rieckhof kritisiert, dass das Thema ´Trägerschaft der Oberschulen´ nicht schon während der diesjährigen Haushaltsdiskussion im Landkreis angesprochen wurde. Karl-Uwe Fuchs aus Zeuthen, der für die FDP im Kreistag sitzt, widerspricht ihr: „Die Bürgermeister hatten das Thema zwar nicht während der Haushaltsdiskussion angesprochen, eine Diskussion darüber jedoch schon länger angekündigt. Der Bedarf an Schülerplätzen ist unstrittig, der Siedlungsdruck enorm. Der Landkreis muss unterstützen. Die Kommunen im Norden sind alleine gar nicht in der Lage, Kapazitäten in Größenordnung zu schaffen. Die von Susanne Rieckhof genannten acht bis zehn Jahre für den Neubau einer Oberschule kann ich nicht nachvollziehen“, sagt Karl-Uwe Fuchs. Auch er bezweifelt, dass „die Kommunen in der Lage sind, einen Schulneubau zu stemmen. Ich erwarte vom Landkreis mehr lösungsorientierte Diskussionen.“ Claudia Mollenschott macht ebenfalls Druck: „Wir brauchen eine gemeinsame Lösung für die steigenden Schülerzahlen, denn der Zustrom in unsere Region ist riesig. Es ist allerdings nicht unsere Absicht, dass der Landkreis alle Oberschulen in seine Trägerschaft übernimmt.“

 

Oliver Theel, Amtsdirektor im Amt Schenkenländchen, will das auch gar nicht. Er sagt: „Wir wollen die Oberschule in Groß Köris nicht an den Landkreis abgeben. Gemeinde und Amt stehen zur Schule. Sie wollen selber alles für die Bildung der Kinder tun. Und als Träger kann die Kommune über Um- und Anbauten der Schule selbst bestimmen. Das soll auch so bleiben.“ Der eingeschlagene Weg mit der Grund- und Oberschule im Amt Schenkenländchen ist offenbar erfolgreich. „Die Schule wird erstmals vierzügig, ist also offenbar aus Elternsicht attraktiv“, sagt Oliver Theel. „Das macht uns schon stolz.“

 

„Sollte der Kreis tatsächlich Träger einer neuen Oberschule im Norden werden, wäre das für uns kein Problem. Die Finanzierung über die Kreisumlage müsste dann jedoch geklärt werden. Eine differenzierte Umlage wäre gerecht.“
Oliver Theel, Amtsdirektor Schenkenländchen

 

Und die Schülerzahlen in der Oberschule in Groß Köris steigen wegen Zuzugs weiter. Der Amtsdirektor erwartet, dass das Interesse noch stärker wächst, wenn der Oberschulteil ab dem Schuljahr 2023/24 in eine Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe (GOST) umgewandelt wird. Er sieht jedoch auch, dass „die Nordgemeinden große Probleme wegen steigender Schülerzahlen haben. Wir hatten das frühzeitig vorausgesagt. Wenn jetzt mehrere Gemeinden im Norden des Kreises gemeinsam eine Oberschule wollen, müsste sich eine Kommune den Hut aufsetzen, und das würde schwierig werden. Wer führt die Schule, wer nimmt den Kredit auf?“ Er sieht den Landkreis in der Verantwortung – „auch wenn andere Trägerschaften möglich sind. Sollte der Kreis tatsächlich Träger einer neuen Oberschule im Norden werden, wäre das für uns kein Problem. Die Finanzierung über die Kreisumlage müsste dann jedoch geklärt werden. Eine differenzierte Umlage wäre gerecht.“

 

Die Grund- und Oberschule Schenkenland in Groß Köris hat kürzlich einen Neubau in Modulbauweise erhalten. Sie wird künftig vierzügig. Foto: Dörthe Ziemer

 

Susanne Rieckhof regt an darüber nachzudenken, ob man nicht Investoren von Wohngebieten an der Schaffung von Schulplätzen und anderer Infrastruktur beteiligen sollte. Schließlich sei neu geschaffener Wohnraum ein Hauptgrund für den steigenden Zuzug. „Man kann Investoren ins Boot holen“, sagt Oliver Theel, „das machen wir auch. Man muss nur alles sauber regeln.“ Markus Mücke, Bürgermeister in Schulzendorf, sieht „die Zuständigkeit für weiterführende Schulen beim Landkreis. Der Kreis hat den Schulentwicklungsplan erarbeitet und damit die Erkenntnis gewonnen, dass absoluter Entwicklungs- und Platzbedarf für Schülerinnen und Schüler in Norden besteht. Er muss darüber nachdenken, wie dieser Bedarf gedeckt werden kann.“ Der Landkreis könnte, so seine Vorstellung, eine Oberschule selber bauen – aber auf welcher Fläche? Oder er könnte Kommunen ansprechen, ob diese eine neue Schule errichten und die Trägerschaft übernehmen würden. „Dann müsste man das bisherige System nicht aufgeben“, sagt er.

 

„Es passt nicht zusammen, dass der Landkreis alle Oberschulen übernimmt, nur um eine weiterführende Schule im Norden zu bauen.“
Alf Hamann, Gemeindevertreter Eichwalde (WIE)

 

Susanne Rieckhof allerdings kann sich durchaus „sehr gut vorstellen, alle Oberschulen in Trägerschaft des Landkreises zu übernehmen. Wir sollten diesen Gedanken vorantreiben, auch wenn eine Umsetzung nicht von heute auf morgen möglich ist.“ Für Alf Hamann „passt es nicht zusammen, dass der Landkreis alle Oberschulen übernimmt, nur um eine weiterführende Schule im Norden zu bauen“. Er wünscht sich „eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Landkreis“. Susanne Rieckhof will ihre Idee „nicht als Bedingung, sondern vielmehr als tollen Ausblick für die Kommunen“ verstanden wissen. Wenn der Kreis in eine neue Oberschule im Norden über die Kreisumlage investiert, rechnet Alf Hamann „mit Widerstand der Süd-Kommunen“.

 

Von der Gemeinde Schönefeld käme Zustimmung. „Wir würden eine in Trägerschaft des Landkreises errichtete Schule begrüßen“, informiert Pressesprecherin Solveig Schuster. „Die Gemeinde Schönefeld strebt zudem eine Lösung an, die eine Übernahme der Oberschule am Airport in die Trägerschaft des Kreises vorsieht. Für uns ist wichtig, Klarheit zu schaffen und die Hängepartie zu beenden.“ Ein Wechsel der Trägerschaft von der Kommune zum Landkreis wäre ihr zufolge „folgerichtig, denn im Schulgesetz ist verankert, dass Landkreise und kreisfreie Städte Träger von weiterführenden allgemeinbildenden Schulen sind. Aktuell ist die Situation unbefriedigend, da die Oberschule am Airport durch die ungeklärte Sachlage in ihrer Entwicklung gehemmt ist.“ Lösungen sind gefragt, denn die Planungsregion Schönefeld hat mit 66 Prozent den stärksten Zuwachs an Schülerinnen und Schülern während der nächsten fünf Jahre zu erwarten.

 

„Der Landkreis ist nicht in der Lage, alle weiterführenden Schulen einfach so zu übernehmen. Denn wir bräuchten dafür erhebliche finanzielle Mittel.“
Susanne Rieckhof (SPD), Dezernentin

 

Die Vize-Landrätin Susanne Rieckhof gibt dennoch zu bedenken: „Der Landkreis ist nicht in der Lage, alle weiterführenden Schulen einfach so zu übernehmen. Denn wir bräuchten dafür erhebliche finanzielle Mittel.“ Sie wehrt sich zudem gegen den Vorwurf, dass „der Landkreis beim Thema Schulen bürokratisch ist“, nimmt vielmehr die Schulträger in die Pflicht: „Die Bedarfe im Norden sind nicht erst mit der aktuellen Schulentwicklungsplanung bekannt.“ Für Karl-Uwe Fuchs kein Grund, die Diskussion über Trägerschaft der Oberschulen nicht zu beginnen: „Irgendwann muss ein Startschuss erfolgen.“

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Veröffentlichung

Do, 12. Mai 2022

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