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Dichtes Netz für junge Ärzte

Der Ärztemangel in Dahme-Spreewald ist zuallererst dies: ein Mangel an Ärzten, die sich niederlassen wollen. Ein Weiterbildungsnetzwerk für Ärzte gibt es in Dahme-Spreewald – als einer von wenigen Regionen in Brandenburg – noch nicht. Das soll sich jetzt ändern.

 

Von Dörthe Ziemer

 

Dr. Katja Klugewitz ist eine Frau, die gern loslegt. Als niedergelassene Ärztin hat sie schon vor zehn Jahren ein eigenes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) gegründet, die „MVZ Die Internistinnen im Zentrum GmbH“ in Königs Wusterhausen. Damit bietet sie ihren angestellten Ärztinnen das, was heutzutage immer häufiger nachgefragt wird: eine Festanstellung statt Selbstständigkeit, geregelte Arbeitszeiten, die Möglichkeit in Teilzeit zu arbeiten, mehr Zeit für die Patienten, weil sich einer um das Geschäftliche kümmert. Dass dies ein „Mega-Trend“ sei, bestätigte Dr. Peter Noack von der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KV BB) im Januar im Gesundheitsausschuss des Kreistages. Dr. Torsten Braunsdorf, der in Calau praktiziert, klagte beim Hausärzte-Forum im Februar in Luckau über die wachsende Bürokratie, die inzwischen rund 30 Prozent der Arbeitszeit einnehme.

 

Ein MVZ zu gründen, scheint daher dringend geboten. Landrat Stephan Loge hatte im Gesundheitsausschuss im Januar angekündigt, „ganz massiv an der Konstruktion MVZ arbeiten“ zu wollen. Die Stadtverordneten von Lübben haben Ende März einen Grundsatzbeschluss gefasst, ebenfalls ein MVZ zu gründen. Aber Ärzte könne man sich eben nicht backen, stellte Dr. Jouleen Gruhn vom Brandenburger Gesundheitsministerium beim Forum in Luckau fest. Und auch die KV BB sagt, dass sie keine Warteliste habe von Ärzten, die sich niederlassen wollen. Attraktive ländliche Lebensräume und Unterstützung für Niederlassungen sahen viele Diskutanten beim Forum als Voraussetzung, damit sich Ärzte überhaupt für die Region interessieren. „Rundum-Sorglos-Pakete“ nennt es der Luckauer Bürgermeister Gerald Lehmann.

 

„Klebe-Effekt“ braucht Zeit

 

Katja Klugewitz sieht aber noch einen weiteren wesentlichen Punkt: „Viele Ärzte bleiben über die Weiterbildungen hängen“, hat sie im Gespräch mit Kollegen festgestellt. Wer Facharzt werden möchte, muss mehrere Weiterbildungen in verschiedenen Bereichen absolvieren. Je länger die angehenden Ärzte in einer Region bleiben, desto stärker wirke der „Klebe-Effekt“, so die Erfahrung. „Wir brauchen deshalb ein Weiterbildungsangebot aus einer Hand, mit dem die gesamte Zeit der Weiterbildung im Landkreis absolviert werden kann“, fordert die Internistin. Sie hat deshalb bereits mit Kliniken, dem Landkreis, der KV und zahlreichen Kollegen Gespräche geführt. „Wir wollen ein Weiterbildungsnetzwerk gründen. So etwas gibt es überall in Brandenburg, nur in der Prignitz und in Dahme-Spreewald nicht“, sagt sie verwundert. Der Blick auf die Info-Seite der KV zum Thema Weiterbildungsnetzwerke bestätigt das.

 

Etwas weiter südlich, im Raum Elbe-Elster bis hin nach Lauchhammer, hat sich das Weiterbildungsnetzwerk Südbrandenburg gegründet. Andrea Trunev ist dafür zuständig, obgleich sie auch Aufgaben beim Ärztenetz Südbrandenburg wahrnimmt. Das Netzwerk ist 2016 beim Elbe-Elster-Klinikum als Kooperation ohne eigene Rechtsform entstanden. „Ziel war es, ein Weiterbildungsangebot für junge Ärzte und eine Facharztausbildung im ambulanten und stationären Bereich zu organisieren“, sagt Andrea Trunev. Ein Ansprechpartner für die gesamte Weiterbildung, ein Netzwerk zu ambulanten und stationären Ausbildungsstellen, die Kontaktpflege zu Studenten sowie Unterstützung bei der Kita- und Schulsuche – das soll das Netzwerk gewährleisten. So seien bislang bereits Ärzte unterstützt worden, die angehende Fachärzte ausbilden wollen, aber auch Ärzte, die Weiterbildungsmöglichkeiten suchen. „Da versuchen wir, die Leute auf dem kleinen Dienstweg zusammenzubringen“, erklärt die Koordinatorin. „Im Kern geht es darum, eine Übersicht zu den Weiterbildungsstätten zu haben, Kontakte zur KV und zum Land bezüglich der Fördermöglichkeiten herzustellen, aber auch zu wissen: Wer studiert wo, wer kommt wann aus dem Studium zurück, wer möchte in welche Fachrichtung gehen?“ Auch der Austausch mit Rückkehrer-Initiativen gehöre dazu. Die ersten Ärzte, die 2011 über ein Stipendienprogramm in Elbe-Elster angefangen hätten, ließen sich nun dort nieder, berichtet sie.

 

„Wichtig ist vor allem regionaler Kooperations- und Gestaltungswille. Wir freuen uns über das Engagement aus der Ärzteschaft.“
Christian Wehry, Pressesprecher der KV BB

 

Das alles aufzubauen, könnte nun also auch im Landkreis Dahme-Spreewald anstehen. Denn die Idee von Katja Klugewitz fällt auf fruchtbaren Boden. „Wichtig ist vor allem regionaler Kooperations- und Gestaltungswille. Wir freuen uns über das Engagement aus der Ärzteschaft“, sagt Christian Wehry, Pressesprecher der KV BB. Dabei stehe die KV BB beratend zur Seite. Das Klinikum Dahme-Spreewald, das als Teil der Sana-Krankenhausgruppe über ein eigenes Netzwerk verfügt, ist nach Aussage des Ärztlichen Direktors, Dr. Benno Bretag, bereit, für ein hiesiges Netzwerk zu kooperieren. „Da die Ausbildung zur Allgemeinmedizin vorrangig ambulant und nur zum geringen Teil verpflichtend stationär erfolgt, haben gerade die niedergelassenen Kollegen und ihre Standesvertretung den größeren Anteil an der Organisation, eine strukturierte und zielführende, also flächendeckende und ausreichende Ausbildung zu tragen“, erläutert er. „Das Klinikum Dahme-Spreewald hat schon langjährig Kontakte zu niedergelassenen Ärzten zur Intensivierung gemeinsamer Anstrengungen im Bereich Allgemeinmedizin. Wir haben gerade in den letzten Jahren mehrere Ärzte in ihrem stationären Curriculum ausgebildet.“ Darüber hinaus wolle das Klinikum die bestehenden Anstrengungen verstärken. Es sei gerade dabei, sich mit niedergelassenen Kollegen abzustimmen.

 

Sisyphusarbeit kann beginnen

 

Die Sisyphusarbeit der Gründung eines Weiterbildungsnetzwerks kann also beginnen: alle Beteiligten an einen Tisch holen, Weiterbildungsberechtigungen bei der Ärztekammer beantragen, Umfänge der Weiterbildungen festlegen, Netzwerker finden, die zugleich bei der Wohnungs- und Kitaplatzsuche für die angehenden Fachärzte unterstützen, eine Förderung für eine Koordinierungsstelle finden, mit anderen Netzwerken kooperieren und so weiter. Katja Klugewitz hat selbst noch keinen Überblick, was genau alles zu tun ist. Sie weiß nur, dass etwas getan werden muss.

 

„Die Übergabe sichert uns einen Teil unserer Rente. Man ist gut beraten, sich darum zu kümmern.“
Katja Klugewitz, Internistin

 

„Daran hat es bisher vielleicht gehapert“, überlegt sie, „dass wir uns nicht genügend Gedanken um unsere Zukunft gemacht haben“. Vielleicht hing das auch mit Unwissenheit oder Unsicherheit zusammen: Manche Ärzte wüssten womöglich nicht, dass die Weiterbildung von Ärzten inzwischen gefördert werde, sodass der ausbildende Arzt kaum zusätzlichen Aufwand, dafür aber eine unterstützende Arbeitskraft hat. Die Weitergabe der Praxen ist jedoch nicht nur für die Patienten wichtig: „Die Übergabe sichert uns einen Teil unserer Rente“, erklärt die Internistin. „Man ist gut beraten, sich darum zu kümmern.“

 

Bleibt die Frage, warum es nicht schon längst so eine Initiative gegeben hat. Das Klinikum sieht den Ball bei der KV BB: „Die angezeigten Weiterbildungsnetzwerke sind Strukturen der KV BB“, erklärt Benno Bretag. Dort gibt es eine Koordinierungsstelle für Weiterbildung, die u.a. für „die Erweiterung und Verbesserung des Weiterbildungsangebots, insbesondere von Weiterbildungsnetzwerken“ zuständig ist. „Es hat sich im Landkreis bisher schlichtweg kein Netzwerk gebildet“, antwortet Pressesprecher Christian Wehry auf die Frage, warum die Netzwerkstruktur in Dahme-Spreewald ein großes Loch hat. Katja Klugewitz vermutet: „Vielleicht ging es uns zu gut?“ Vor zwei Jahren habe es noch keine freie Zulassung gegeben, das heißt, Ärzte hätten sich gar nicht niederlassen können. Möglicherweise sei der Generationenwechsel bei den Ärzten, der jetzt im Landkreis im Gange ist, woanders früher passiert – und „andere haben es schneller kapiert“.

 

Grundsatzbeschluss für MVZ in Lübben gefasst

 

Nun ist Eile geboten, denn wenn parallel weitere MVZ im Landkreis und in der Stadt Lübben auf den Weg gebracht werden, braucht es neben Räumen und Ausstattung eben auch: Ärzte. Dass die MVZ dringend benötigt werden, steht außer Frage: Der Grundsatzbeschluss in der Lübbener Stadtverordnetenversammlung ging ohne große Diskussion durch. Er beinhaltet, dass sich die Stadt zur Gründung eines kommunalen Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) bekennt. Mit der Aufgabe, erste Schritte dazu umzusetzen, wurde die Lübbener Wohnungsbaugesellschaft (LWG), eine Tochter der Stadt, beauftragt. Sie hatte Ende vergangenen Jahres eine Bedarfsanalyse erstellen lassen, die ergab, dass sechs Hausärzte im Mittelzentrum Lübben fehlen. „Ich wurde nicht nur darum gebeten, diese Aufgabe zu übernehmen, sondern ich sehe auch die dringende Notwendigkeit dafür“, sagt LWG-Geschäftsführer Frank Freyer. „Unsere Mieter werden immer älter und viele können nicht mehr so weit fahren bis zum nächsten Arzt.“ Nach dem Grundsatzbeschluss will er nun eine Anwaltskanzlei damit beauftragen, weitere Schritte einzuleiten, etwa Fragen zur Trägerschaft zu klären und das Gründungsverfahren vorzubereiten.

 

„Unsere Mieter werden immer älter und viele können nicht mehr so weit fahren bis zum nächsten Arzt.“
Frank Freyer, LWG-Geschäftsführer

 

Am Ende wolle aber nicht die LWG das MVZ betreiben, sondern nur Gebäude dafür bereitstellen und mittelfristig im eigenen Bestand herrichten. Träger des MVZ könne die Stadt Lübben sein. „Das MVZ muss sich selbst finanzieren“, sagt Freyer. Wenn mehrere Ärzte an einem Standort arbeiten, würden sich Synergien ergeben – u.a. daraus, dass der Anmeldetresen gemeinsam besetzt werden kann und ein Geschäftsführer die geschäftlichen Vorgänge verantwortet. Erfahrungsaustausche habe es bereits mit einer Einrichtung in Blankenfelde / Mahlow gegeben, berichtet Frank Freyer. „Nun muss Bewegung rein“, sagt er. „Mit den Allgemeinärzten fangen wir an, später können Fachärzte hinzukommen – sodass sich das Ganze in Richtung Poliklinik entwickelt.“

 

Bei allen Anstrengungen vor Ort geht der Blick von Andrea Trunev schon weiter: Vor dem Hintergrund des Strukturwandels in der Lausitz und der geplanten Universitätsmedizin in Cottbus sei die Erkenntnis gereift, sagt sie, dass man solche Netzwerke regional denken muss, also über die Grenzen von Gemeinden, Landkreisen und gar Bundesländern hinweg. „Wir wollen deshalb ein Weiterbildungsnetzwerk Lausitz gründen – mit regionalen Ansprechpartnern.“ Sinnvoll sei es, Regionen wie Lübben, Lübbenau, Luckau gemeinsam zu denken. Politisch sei es zwar nachvollziehbar, dass man in Landkreis-Strukturen denkt, aber es gehe eher darum, auf die Versorgungssituation zu schauen: Landkreise wie Dahme-Spreewald müssten aufgrund der demografischen Situation in Nord und Süd getrennt betrachtet werden – was übrigens auch Tenor beim Hausärzte-Forum in Luckau war.

 

„Wir brauchen engagierte Leute, die anpacken und nicht immer nur sagen, was der andere hätte machen müssen.“
Andrea Trunev, Weiterbildungsnetzwerk Südbrandenburg

 

Andrea Trunev hält es bei der Kommunikation zu diesem Thema für zielführend, sich nicht solcher Begriffe wie „Notstand“, „Kampf um Ärzte“ oder ähnlichem zu bedienen. Es könne nicht darum gehen, welche Stadt einen neuen Arzt bekommt, sondern wie man die „Ressource Arzt“ sinnvoll einsetzt. „Wir brauchen engagierte Leute, die anpacken und nicht immer nur sagen, was der andere hätte machen müssen“, sagt sie. Ein Anfang in puncto Kooperation sieht Katja Klugewitz durch gemeinsame Impfaktionen im Landkreis längst gemacht: „Die haben eine gute Vernetzung gebracht, diesen Schwung sollten wir jetzt nutzen“, sagt sie. Die Ärzte, aber auch die Vertreter von Kommunen und Verbänden wüssten, „wo der Schuh drückt“. Nun stehen zahlreiche Aufgaben an. Und sei es, dass eine Internet-Domain für das künftige Weiterbildungsnetzwerk Dahme-Spreewald existiert. Die Domain hat Katja Klugewitz jedenfalls schon mal reserviert.

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Veröffentlichung

Fr, 25. März 2022

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