Zucker für den Ärzte-Nachwuchs

Dem Süden des Landkreises fehlen Hausärzte. Tausende Patienten müssen um ihre nächsten Rezepte bangen. Lösungen wurden in den vergangenen zwei Wochen rauf und runter diskutiert, und einstweilen ist klar: Was lange währte, wird so schnell nicht wieder gut.

 

Von Dörthe Ziemer

 

Einen ganzen Stollen, der bei der vorweihnachtlichen Impfaktion im Luckauer Rathaus übriggeblieben war, haben die Medizinstudenten für den Heimweg mitbekommen. Ein Zuckerbrot fürs Wiedersehen? Die Szene, die da aus Luckau berichtet wird, könnte symbolträchtiger nicht sein: Studenten aus Berlin oder größeren Brandenburger Städten unterstützen beim Impfen im Flächenland Brandenburg, kommen mit gestandenen Medizinern in Kontakt und können sich in ärztlichen Handgriffen und im Patientenkontakt üben. Sie entdecken die schönen Seiten des ländlichen Raums und kommen vielleicht bald wieder, um sich dort niederzulassen… Natürlich mit entsprechenden Perspektiven für ihre Familien: Job für den Partner, Kinderbetreuung, Wohnraum, Praxis. Das wäre zu schön, um wahr zu sein!

 

Tatsächlich geht die Zahl der niedergelassenen Ärzte im ländlichen Raum zurück – bei gleichzeitig Brandenburg-weit steigenden Ärztezahlen (in den vergangenen rund zehn Jahren um knapp 15%). In Luckau, Lübben und Schönwalde haben mehrere Mediziner aus Alters- oder anderen Gründen ihre Praxis aufgegeben bzw. auf Privatversorgung umgestellt oder werden dies in absehbarer Zeit tun. Die Patienten schlagen Alarm, weil sie nicht wissen, woher sie ihre nächsten Rezepte bekommen sollen. Ärzte schlagen Alarm, weil sie vor lauter Bürokratie immer weniger Zeit für Patienten haben, und die Notaufnahmen, weil sie den Mangel nicht ausgleichen können. Und mancher macht den ehrenamtlichen Bürgermeister oder den Landrat persönlich dafür verantwortlich. Die Ursachen sind jedoch vielfältig – und lange gewachsen. Folglich gibt es keine einfachen und schon gar keine schnellen Lösungen. Das haben das Dialogforum am Montag in Luckau sowie die Diskussion im Gesundheitsausschuss des Kreistages am 25. Januar deutlich gemacht. Aber es gibt sie: die kleinen und großen Lösungen, die nun auf allen Ebenen der Politik und auf allen Verwaltungsebenen angegangen werden müssen und – laut Bekenntnis der Diskutanten – angegangen werden sollen.

 

Ursache: Demografie

Eine der Hauptursachen für die derzeitige Situation liegt in der demografischen Entwicklung: Im ländlichen Raum leben immer mehr ältere Menschen, die wiederum im Durchschnitt mehr ärztliche Betreuung benötigen als junge Menschen. Aber auch die Ärzte selbst sind davon betroffen: Sie werden mit ihren Patienten älter. „1990 haben sich zahlreiche Ärzte niedergelassen, die nun nach und nach in den Ruhestand gehen“, sagte Dahme-Spreewalds Gesundheitsdezernent Stefan Wichary in Luckau. Nun erlebe man einen historisch entstandenen, geballten Verlust an geöffneten Arztpraxen. Kassensitze, quasi die „Planstellen“ der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), auf denen Ärzte gesetzlich versicherte Patienten behandeln, bleiben unbesetzt. Wo Ärzte fehlen, laufen die Notaufnahmen über.

Ursache: Vergabe von Kassensitzen

Hin und wieder finden sich trotz aller negativer Tendenzen Ärzte, die gern einen Kassensitz übernehmen möchten, auch im ländlichen Raum. So war es vor zwei Jahren in der Gemeinde Heideblick, schilderte Bürgermeister Frank Deutschmann beim Forum in Luckau. Ein Orthopäde habe sich niederlassen wollen, beantragte dies bei der KV und wurde von der Gemeinde nach Kräften bei seinem Vorhaben unterstützt. Trotzdem ging der Kassensitz in den Norden des Landkreises – trotz Stellungnahme und Bitte des Landkreises, doch den Süden zu versorgen. Roland Kiesche von der KV erläuterte beim Forum in Luckau, warum: Wie Kassensitze vergeben werden, ist in der bundeseinheitlichen Bedarfsplanungsrichtlinie festgelegt. In jedem Bundesland gibt es einen Vergabeausschuss, der sich aus Vertretern von Ärzten und Krankenkassen zusammensetzt. Dieser entscheidet darüber, welche Ärzte sich wo niederlassen dürfen. Wie viele Kassensitze es gibt, wird nach einem bestimmten Schlüssel (u.a. nach Einwohnerzahlen pro Arzt, Krankheitshäufigkeit usw.) festgelegt. Bei den Fachärzten entspricht die Planungsregion dem Landkreis, bei den Hausärzten sind die Planungsregionen kleiner gefasst.

 

Bei der Vergabe, so Roland Kiesche, sei nicht der Standort das alleinige Kriterium, sondern auch die fachlichen Fähigkeiten, das Praxiskonzept und das berufliche Standing des Bewerbers. Ist nun in einem Landkreis für eine Facharztstelle noch ein Sitz frei, wird nicht für einen Standort entschieden, sondern für einen bestimmten Bewerber – der sich dann in der Planungsregion (Landkreis) niederlassen kann, wo er möchte. Eine Reform der Bedarfsplanung hatte 2020 sogar 326,5 Arztstellen mehr hervorgebracht.

 

Ähnlich wie Frank Deutschmann in Heideblick erging es Bürgermeister Gerald Lehmann in Luckau. Auch er hatte für einen Facharzt ein „Rundum-Sorglos“-Paket geschnürt, aber die Niederlassung kam nicht zustande. Es sei, schätzt er ein, nicht berücksichtigt worden, dass Luckau seit 2019 Mittelzentrum ist. Hinzu komme, sagte der Luckauer Arzt Dr. Silvio Kaiser, dass zu lange „über Zulassungen und Kriterien lamentiert“ werde, während „das System sehenden Auges krachen geht“. Der Orthopäde, schätzte er ein, hätte in der Gemeinde Heideblick auch hausärztliche Leistungen erbracht: „Auch wir Hausärzte machen das – fachärztliche Leistungen erbringen, wo es notwendig ist.“

Lösung: Planungsregion fokussieren

Dass die Kassensitze für Fachärzte pro Landkreis vergeben werden, stelle in Kreisen wie Dahme-Spreewald ein großes Problem dar. Das betonten zahlreiche Diskutanten in Luckau und Lübben. Viele Ärzte siedelten sich lieber in Hauptstadtnähe an, was dazu führe, dass rein rechnerisch keine Unterversorgung im Landkreis vorliegt, im ländlichen Süden aber schon. „Bei der Platzvergabe der KV muss deshalb bei den Planungsregionen fokussiert werden“, forderte die Bundestagsabgeordnete Jana Schimke (CDU) in Luckau.

 

Genau dies sei auch im Gesundheitsausschuss diskutiert worden, ergänzte Gesundheitsdezernent Stefan Wichary. „Wir müssen den Speckgürtel-Effekt aushebeln“, sagte er, „das würde aber einen grundsätzlichen Systemwechsel bedeuten.“ Diese Frage stelle sich in allen Landkreisen, die an Berlin grenzen – „und Dr. Peter Noack von der KV Brandenburg hat diese Idee mitgenommen“, so Stefan Wicharys Bericht aus dem Ausschuss.

 

Eine Abweichung von der Bedarfsplanungsrichtlinie müsse gut begründet sein, schließlich handele es sich um eine Richtlinie des Bundes, wandte Roland Kiesche in Luckau ein. „Am Ende hängt es am politischen Willen“, schlussfolgerte Jana Schimke. „Und wenn wir einen geschlossenen politischen Willen haben, dass uns der ländliche Raum wichtig ist, dann muss man verbindliche Antworten bekommen, ob so eine Idee weiterverfolgt wird.“ Darüber hinaus, sagte Roland Kiesche, gebe es das Instrument der Sonderbedarfsplanung, mit dem Defizite in bestimmten Regionen behoben werden könnten. „Wichtig ist, vorab mit uns zu sprechen, ob das jeweilige Vorhaben umsetzbar ist.“

Ursache: Spezialisierung und Zentralisierung

Bei den bundespolitischen Rahmenbedingungen zeige sich ein Trend zur Zentralisierung – weniger Krankenhäuser mit größerem Angebot, erläuterte Michael Zaske, Referatsleiter im Gesundheitsministerium, im Gesundheitsausschuss des Kreistages. In der Fläche eines Landes wie Brandenburg gehe es jedoch darum, einen Spagat zwischen Qualität und Erreichbarkeit zu vollführen. Wie bekommt man diesen hin? Alternativen könnten weder sein, eine Zentralisierung auf wenige spezialisierte Kliniken zu verfolgen, noch einfach so weiterzumachen wie bisher.

 

Auch bei den Ärzten selbst sei ein Trend zur Spezialisierung zu beobachten, erläuterte Stefan Wichary: Weil sich die Medizin weiterentwickele, arbeiten sich junge Ärzte zunehmend in Spezialgebiete ein, in denen sie dann auch tätig sein möchten. „Das führt dazu, dass Anfahrtswege zu diesen Spezialisten größer und auch in Kauf genommen werden“, sagte er. Hingegen hätten Hausärzte auch eine soziale Funktion, da falle es umso schmerzlicher auf, wenn eine Praxis in der Nähe schließt. „Das Land wollte jedes Krankenhaus erhalten, die KV wollte mehr zentralisieren“, bilanzierte die Bundestagsabgeordnete Sylvia Lehmann (SPD) beim Forum in Luckau. „Nun sollte die Politik dafür sorgen, dass kleinere Krankenhäuser auch die ärztliche Versorgung mit übernehmen können.“

Lösung: Kooperationen

Ausgerechnet in der Pandemie sei „manches möglich geworden, was unmöglich schien“, schätzte Michael Zaske vom Ministerium im Gesundheitsausschuss ein: Es habe gute Kooperationen zwischen Kliniken gegeben, die Belegungen abstimmten, Fachkräfte austauschten und sich gegenseitig regelmäßig unterstützten. „Das funktionierte aufgrund von Rettungsschirmen (Belegungspauschalen, Erstattungen für Geräte)“, erläuterte er – und das wünsche er sich für die Zukunft verstärkt. „Die stationäre und ambulante Versorgung gehören untrennbar zusammen.“ Es müsse ambulant-stationäre Gesundheitszentren „idealerweise bis hin zur Reha“ geben. Das biete schließlich auch eine höhere Attraktivität für Fachkräfte durch flexible Arbeitsmodelle. Zur Strategie des Landes Brandenburg in dieser Frage verwies Michael Zaske u.a. auf das Landesgremium zur Beratung sektorenübergreifender Versorgungsfragen sowie auf den Innovationsfonds und den Krankenhaussstrukturfonds des Bundes.

 

Zudem würden derzeit in Brandenburg Insellösungen wie etwa in Templin erprobt, berichtete Michael Zaske, „aber wir brauchen weitere Bundesinstrumente“. Forderungen an den Bund seien beispielsweise die Zusammenführung ambulanter und stationärer Bedarfsplanung und die Möglichkeit für Krankenhäuser, ambulantisierte Leistungen selbst zu erbringen.

 

Peter Noack von der KV verwies im Gesundheitsausschuss auf die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) als Lösungsmodell, an dem sich Kommunen aktiv beteiligen können. „Wir haben eine Niederlassungsberatung, mit der wir auch die Einrichtung in Baruth beraten haben“, erläuterte er. Dort habe die Kommune bereitwillige Ärzte akquiriert und ein kommunales Gesundheitszentrum gegründet. Landrat Stephan Loge kündigte im Ausschuss an „ganz massiv am Konstrukt MVZ zu arbeiten“. Das MVZ in Dahme-Spreewald wird vom Klinikum Dahme-Spreewald getragen und ist 2019 gestartet.

 

Die Königs Wusterhausener Ärztin Dr. Katja Klugewitz ist diesen Weg als Unternehmerin gegangen. Sie hat eine Praxis gegründet, in der mehrere Ärztinnen angestellt arbeiten. „Ich sehe das als Vorteil, wenn es mehrere Köpfe in einer Praxis gibt“, sagt sie. Nur brauche es eben jemanden, der die unternehmerische Arbeit schultern muss (s.u.). Sie habe sich dafür entschieden, als sie an einem beruflichen Scheidweg stand.

Dr. Torsten Braunsdorf, Chirurg in Calau, verwies auf die bereits bestehende sehr gute Zusammenarbeit zwischen und mit den Krankenhäusern in Luckau, Lübben und Cottbus. „Die fußt darauf, dass man sich kennt“, sagte er beim Forum in Luckau. Dazu brauche es kein großes Management, das laufe auf dem Land geräuschlos. „Eines schweißt uns zusammen: der Mangel“, sagte Dr. med. Karsten Bittigau, Geschäftsführer des Evangelischen Krankenhauses in Luckau. Brandenburg habe die niedrigste Ärzte-Dichte, es fehlten nicht nur im ambulanten, sondern auch im stationären Bereich Ärzte. Es gebe inzwischen Modelle, in denen Ärzte sowohl im Krankenhaus als auch in einer Praxis arbeiten.

 

Am Königs Wusterhausener Achenbach-Krankenhaus des Klinikums Dahme-Spreewald gibt es inzwischen eine ärztliche Bereitschaftsdienstpraxis im Bereich der Notfallambulanz. Sie hat zu Zeiten geöffnet, in denen die Praxen niedergelassener Ärzte geschlossen sind, und soll die Notfallambulanz durch die Fälle entlasten, die akut, aber nicht lebensbedrohlich sind. Wie Dr. Peter Noack von der KV erläuterte, seien aufgrund statistischer Erhebungen mehrere solcher Bereitschaftsdienstpraxen im Land entstanden: „Wir haben geschaut, welche Notaufnahmen ambulante Fälle abrechnen und wo Notaufnahmen in Brennpunkten entlastet werden müssen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass das funktioniert.“

 

Dr. Jouleen Gruhn, Referatsleiterin im Gesundheitsministerium, sagte, sie sei begeistert, wie gut die Zusammenarbeit in der Fläche funktioniere. „Wir können uns keine Ärzte backen, es wird in Richtung Poliklinik gehen.“ Das Ministerium könne dafür sorgen, das Vernetzung, Austausch und Brainstormings stattfinden, um weitere Ideen für Brandenburg umzusetzen.

Ursache: Fachkräftemangel

Das größte Problem seien nicht die Zulassungen, sondern die fehlenden Fachkräfte, sagte Michael Zaske vom Ministerium im Gesundheitsausschuss. Die Ärzteschaft fordere seit Jahren mehr Medizinstudienplätze, ergänzte Dr. Peter Noack von der KV. Das Problem dürfte mit der neuen Uniklinik in Cottbus, die im Zuge des Strukturwandels entstehen soll, entschärft werden – allerdings erst in ein paar Jahren Ergebnisse hervorbringen. „Die Politik hat zu spät begonnen darüber nachzudenken, wie der Beruf des Arztes attraktiv werden kann“, sagte Jana Schimke beim Dialogforum in Luckau. „Die Frage ist auch: Wie erhalten wir diese Region am Leben? – Das reicht vom Arzt bis zum Handwerker.“

Lösung: Ausbildung, Stipendien

Wo Fachkräfte fehlen, müssen sie ausgebildet werden. – Handel und Handwerk ringen seit Jahren um gute – oder überhaupt – willige Azubis, um sie anschließend als Fachkräfte übernehmen zu können. In Brandenburg gab es bislang keine staatliche Medizinier-Ausbildung. Auf einen Klebe-Effekt konnte man so kaum hoffen. „Für Bürgermeister wie Herrn Lehmann aus Luckau oder Herrn Deutschmann aus Heideblick ist es ungleich schwieriger, Ärzte herzuholen – es sei denn, sie kommen von hier“, stellte Jana Schimke in Luckau fest. Mit der neuen Uniklinik in Cottbus könnte sich diese Situation verbessern.

 

Aber schon heute versuchen die Kommunen und Ausbildungsstätten einiges, um Studenten zu binden. So brachte der Landkreis Dahme-Spreewald 2018 eine Studienbeihilfe auf den Weg, durch die bis zu fünf Studierende der Humanmedizin für die Dauer von gut vier Jahren eine monatliche Beihilfe in Höhe von 500 Euro erhalten. Dafür verpflichten sie sich, nach erfolgreichem Studienabschluss für die Dauer von vier Jahren eine ärztliche Tätigkeit im Landkreis als Arzt in einer Klinik, einer Vertragspraxis, einem MVZ oder im Gesundheitsamt des Landkreises aufzunehmen. Im Jahr des Programmstarts hatten von vier Interessierten zwei Studenten die notwendigen Antragsunterlagen eingereicht. Inzwischen bekommen vier Studierende die Beihilfe des Landkreises.

Samira Dabelow studiert an der Medizinischen Hochschule Brandenburg „Theodor Fontane“, einer Privatuni, und muss dafür Studienbeiträge zahlen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, an einem Stipendienprogramm teilzunehmen. Dabei beteiligen sich kooperierende Kliniken an den Studienbeiträgen. Im Gegenzug verpflichtet sich der Stipendiat, im Anschluss an das Studium und das Praktische Jahr bei der jeweiligen Klinik zu arbeiten. Er hat zudem die Möglichkeit, dort seine fünfjährige Facharztweiterbildung zu absolvieren. Eine der kooperierenden Kliniken ist das Evangelische Diakonissenhaus Berlin Teltow Lehnin, zu dem auch das Krankenhaus in Luckau gehört. „Doch gerade viele kleinere Kliniken kennen diese Kooperationsmöglichkeiten noch gar nicht“, sagt Samira Dabelow.

 

Darüber hinaus gibt es verschiedene Förderprogramme des Bundes und der Länder. In Brandenburg unterstützt die KV mit dem Investitionskostenzuschuss und dem Sicherstellungszuschlag Ärzte, die in bestimmten Regionen eine Praxis übernehmen oder neu gründen wollen. Die Förderregionen werden jährlich vom Landesausschuss für Ärzte und Krankenkassen festgelegt.

 

Unterstützt werden auch niedergelassene Ärzte, die dem Nachwuchs eine Facharzt-Ausbildung ermöglichen. Dr. Katja Klugewitz und ihr Team bilden beispielsweise Allgemeinmediziner, Hausärzte, Gastroenterologen und Internisten aus. Doch nicht viele tun es ihr gleich, manche künftige Fachärzte haben Schwierigkeiten, einen ausbildungswilligen Kollegen in der Region zu finden. „Die jungen Kollegen nehmen einem doch auch Arbeit ab und wir bekommen die Ausbildung vergütet“, erklärt Katja Klugewitz, weshalb sie sich wünscht, dass noch mehr Kollegen zu Ausbildern werden. „Wir müssen uns einen Kopf machen, der Mangel wird uns alle betreffen“, sagt sie.

Ursache: Arbeitsbedingungen

Wer einmal Arzt geworden ist, den halten möglicherweise die Rahmenbedingungen davon ab, sich im überhaupt oder gerade im ländlichen Raum niederzulassen. Laut Dr. Peter Noack von der KV gebe es gerade den Mega-Trend, vor allem bei Frauen, die sich mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf wünschten. Viele Ärzte würden geregelte Arbeitszeiten, etwa in einer Festanstellung, bevorzugen und viele wollten auch in ihren Spezialgebieten arbeiten. Dr. Torsten Braunsdorf, der in Calau praktiziert, klagt über wachsende Bürokratie. „Wir reden seit 30 Jahren von Abbau, aber es wurde von Jahr zu Jahr mehr“, berichtete er beim Forum in Luckau. Die Bürokratie nehme inzwischen 30 Prozent der Arbeitszeit ein – Zeit, die am Patienten fehlt. Jana Schimke kritisierte das nahezu „planwirtschaftliche System“, in dem niedergelassene Ärzte arbeiten würden.

 

Hinzu kommt: Wer eine Praxis führen will, ist nicht nur Medizinier, sondern auch Unternehmer. „Darauf wird man im Studium nicht vorbereitet“, sagt die Medizinstudentin Samira Dabelow, die u.a. bei einer Impfaktion im Tropical Islands mitgewirkt hat. Sie habe vor dem Medizinstudium einen Bachelor im Bereich Marketing absolviert. „Dank meiner Grundkenntnisse in Betriebswirtschaft könnte mir gut vorstellen, mich als Hausärztin niederzulassen“, sagt sie. „Wer im ländlichen Raum tätig sein will, lässt sich auf eine große Herausforderung ein.“ – Denn wegen der häufigen Unterversorgung mit Ärzten habe man eine extrem hohe Anzahl an Patienten zu bewältigen. Das sei in der Stadt nicht so der Fall.

Lösung: Kommunale Pakete schnüren

„Wir können uns keine Ärzte backen“, sagte Dr. Jouleen Gruhn vom Gesundheitsministerium in Luckau. Doch vielleicht ist das Bild mit dem Backen gerade das richtige – wenn man einmal auf die Stolle bei der vorweihnachtlichen Impfaktion schaut. Denn es ging, erzählt Dr. Katja Klugewitz, die die Studierenden zu verschiedenen Impfaktionen eingeladen hatte, nicht nur um personelle Unterstützung beim Impfen: „Sie hatten die Möglichkeit, mit niedergelassenen Ärzten in Kontakt zu kommen, sie waren vor Ort in den Kommunen und haben gemerkt, wie die Menschen da so drauf sind.“ Vielleicht lösen solche Aktionen ja auch etwas aus beim medizinischen Nachwuchs, so ihre Hoffnung.

 

Die Luckauer Stolle hat indes noch einen gewichtigen Hintergrund: Die Stadtverordneten haben im vergangenen Jahr ein Förderprogramm beschlossen, durch das Ärzte, die sich in der Stadt niederlassen, eine Starthilfe von bis zu 10.000 Euro erhalten können. Darüber hinaus unterstützt die Stadtverwaltung bei der Suche nach geeigneten Praxisräumen u.ä. Er sei jederzeit bereit, „ein Rundum-Sorglos-Paket“ zu schnüren, sagte Bürgermeister Gerald Lehmann beim Forum in Luckau. „Wir wünschen uns, dass alle an einem Strang ziehen. Als Kommunalpolitik stehen wir hinter jedem Lösungsvorschlag.“

Darüber hinaus ist gerade die Kommunalpolitik auch für das verantwortlich, was man attraktive ländliche Räume nennt. Das unterstrichen mehrere Diskutanten. Die Bundestagsabgeordnete Sylvia Lehmann (SPD) berichtete von einer Impfaktion in Märkische Heide, ihrer Heimatgemeinde, wo ebenfalls Studenten aus Berlin mithalfen. „Man kann diese jungen Menschen für die Region begeistern“, sagte sie beim Forum in Luckau. Diese Sogwirkung sei wichtig, wenn vielleicht die Stipendienprogramme nicht den gewünschten Erfolg bringen.

 

Auch für Samira Dabelow wären solche kommunalen Pakete interessant. „Für mich könnte das einer der Ausgangspunkte sein, mich im ländlichen Raum niederzulassen“, sagt die gebürtige Kleinmachnowerin. Doch ländlicher Raum sein nicht gleich ländlicher Raum: „Es ist ein Unterschied, ob es ein kleines Dorf ist oder der Vorort einer größeren Stadt.“ Und es gebe noch viel mehr Aspekte, die abgewogen werden müssen: Findet der Partner Arbeit? Wie sieht es mit Angeboten für die Kinder aus?

Problem & Lösung: Digitalisierung

Beim Thema Kooperationen fällt schnell das Stichwort Digitalisierung. Befunde, Patientendaten und Krankheitsgeschichten müssten problemlos ausgetauscht werden können, heißt es immer wieder. Er habe die Vorteile digitaler Kommunikation insbesondere während der Pandemie erlebt, sagte Landrat Stephan Loge im Gesundheitsausschuss. „Die Telemedizin wäre doch eine große Chance für den Landkreis – so zwischen der Metropole Berlin und dem künftigen Uni-Standort in Cottbus“, wandte er sich fragend an den Vertreter des Gesundheitsministeriums. „Digitale Zusammenarbeit geht nur über die Übermittlung von Information“, antwortete Michael Zaske. „Schon jetzt gibt es viel telemedizinische Zusammenarbeit zwischen Grund- und Schwerpunktversorgern. Die Digitalisierung ist zwar ein Schlüssel für die Zukunft, aber nicht der alleinige Heilsbringer.“

 

Ähnlich gedämpft war die Einschätzung beim Forum in Luckau. Was Telemedizin betreffe, so seien digitale Sprechstunden mit Radiologen, Dermatologen oder Psychiatern denkbar – in allen anderen Fachgebieten komme es auf den persönlichen Kontakt zum Patienten an, sagte Dr. Torsten Braunsdorf. Dr. Silvio Kaiser, Arzt aus Luckau, schilderte plastisch den Aufwand, den niedergelassene Ärzte mit Digitalisierungsvorhaben hätten. Die Einführung der Telematikinfrastruktur (TI), quasi der „Datenautobahn“ des Gesundheitswesens, die eine schnelle und sichere Kommunikation zwischen Ärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und anderen ermöglichen soll, sei mit einer enormen Datenerfassung verbunden. Das und andere bürokratische Verfahren führten dazu, dass etwa 30 Prozent der Tätigkeit von Ärzten nicht bezahlt würden. Aufgaben wie der Abgleich der Versichertenstammdaten im Zusammenhang mit der TI sieht er jedoch bei den Krankenkassen angesiedelt. „Die Digitalisierung unter Gesundheitsminister Jens Spahn ist voll in die Hose gegangen“, kritisierte Dr. Torsten Braunsdorf.

Problem & Lösung: Patientenrufbus

Bei der ärztlichen Versorgung werde auch berücksichtigt, wieviel Zeit Patienten für die Fahrt zum Arzt benötigen, sagte Dr. Peter Noack von der KV im Gesundheitsausschuss. Hierbei gelte ein Ermessen von 30 Minuten bis zum Hausarzt und 60 Minuten bis zum Facharzt – mit dem Individualverkehr, also beispielsweise dem Auto. Doch ein Auto habe nicht jeder, wandte der Kreistagsabgeordnete Lothar Treder-Schmidt (Bündnis 90/Grüne) ein – und mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln daure die Anfahrt im ländlichen Raum länger, wen kein Bahnhof in der Nähe ist. „Wir hatten mal ein Modellprojekt mit einem Patientenbus“, antwortete Dr. Peter Noack. Patienten konnten einen Rufbus anfordern, um auf direktem Weg zum Arzt zu kommen. „Der wurde aber kaum genutzt, weil die Patienten doch mithilfe von Familienmitgliedern oder Bekannten zum Arzt gekommen sind.“

Problem: Wer stellt mein Rezept aus?

Bei aller Ursachenforschung und Lösungsfindung blieb eine – die wichtigste – Frage offen: Wer stellt Patienten, die plötzlich ohne Hausarzt dastehen, ein Rezept aus? In Schönwalde beispielsweise hat die langjährige Hausarztpraxis vor kurzem geschlossen. Roland Gefreiter, Ortsvorsteher von Schönwalde und Kreistagsabgeordneter, berichtete im Gesundheitsausschuss, dass er nun häufig gefragt werde, warum noch nichts passiert sei. „Die Leute rufen bis zu zehn Ärzte an – da sind die 30 Kilomater längst überschritten. Wo bekommen sie nun ihre Rezepte her? Derzeit geht das nur über Beziehungen“, sagte er. „Der Ton wird rauer.“

 

Jeder Arzt müsse Rezepte ausstellen, auch wenn er für neue Patienten keine Kapazitäten habe, stellte Dr. Peter Noack von der KV in Luckau fest. „Da müssen die Kollegen ran. Ich setze mich da gern mit den Luckauer Ärzten an einen Tisch. Auch an Brennpunkten haben wir festgestellt, dass es noch Kapazitäten in Arztpraxen gibt.“ Doch könne ein Arzt ein Rezept ausstellen für einen Patienten, den er weder kennt noch untersucht hat?, lautete ein Einwand. Weitere Lösungsvorschläge wie verlängerte Öffnungszeiten in mehreren Praxen gleichzeitig wurden mit Verweis auf die erschöpften Ressourcen in den Praxen für ungünstig befunden.

 

Viele Zuhörer der Diskussionen blieben teils ratlos zurück. Man sei nicht schlauer als vorher, raunte es in Luckau durchs Publikum. Oder: „Schwieriges Thema!“ Eine allererste Lösung gibt es dennoch, hatte Jana Schimke gleich zu Beginn festgestellt: „Das ist dieses Forum. Die Probleme offenlegen und analysieren – das ist der erste Schritt.“

 

Die Kampagne "Ich feier dich voll" soll jungen Medizinstudenten nicht nur Lust auf Brandenburg machen, sondern versorgt sie mit Informationen rund um eine Niederlassung und das Leben in Brandenburg.

 

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Veröffentlichung

Mi, 09. Februar 2022

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