Wald und WLan - was die Jugend will

Wie beteiligt man Kinder und Jugendliche? – Zum Beispiel zu einer Pizza einladen und reden! Das ist im Amt Schenkenländchen kürzlich passiert, nun sind die politischen Vertreter an der Reihe, einen Austauschprozess auf den Weg zu bringen.

 

Von Dörthe Ziemer

 

Bänke und Busse, Imbiss und Internet, Mülleimer und Marktplatz, Sicherheit und Sauberkeit, Wald und WLan und natürlich Jugendclubs, Einkaufsmöglichkeiten und Schulausstattung – das sind die Themen, die Jugendliche im Schenkenländchen bewegen. Herausgearbeitet wurden diese in zwei dreistündigen Workshops in und nach den Herbstferien, um sowohl die Zeitpläne von Azubis als auch die Belange von Schülern berücksichtigen zu können. Damit ist das Amt Schenkenländchen eher Schlusslicht unter den Kommunen in Dahme-Spreewald und womöglich auch im Land Brandenburg. Denn bereits seit 2018 müssen sich alle Kommunen im Land Brandenburg mit dieser Frage auseinandersetzen. So schreibt es der neue Paragraf 18a der Kommunalverfassung vor. Kinder und Jugendliche müssen demnach an Entscheidungen, die sie berühren, beteiligt werden. Die Frage ist: Welche Entscheidungen sind das? Welche Themen sprechen junge Menschen an? Wo wollen sie mitreden? Die Wege, eine Antwort zu finden, sind recht unterschiedlich – manche Kommunen sind schon viel länger auf diesem Gebiet aktiv und haben einen Jugendbeirat, manche fangen gerade erst an und haben zu ersten Gesprächsrunden eingeladen, wie eine Umfrage des Wokreisel im August ergab.

 

Flyer zur Kinder- und Jugendkonferenz. Foto: Dörthe Ziemer

 

Im Amt Schenkenländchen ist das Thema kurz vor den Oktoberferien erstmals sicht- und fühlbar geworden: Allen Kindern und Jugendlichen zwischen 11 und 18 Jahren flatterte ein Brief des Amtsdirektors ins Haus mit einer Einladung zur Kinder- und Jugendkonferenz unter dem Titel „1 Teil des Ganzen“. Beigelegt war ein bunter Flyer, der sich in alle Richtungen falten lässt und so immer wieder neue Informationen freigibt. „Das war unser Ziel: dass sich jeder Jugendliche zumindest eine Zeit lang damit auseinandersetzt“, sagt Madlen Langer, Jugendkoordinatorin im Amtsbereich, zu dem Teupitz, Groß Köris, Märkisch Buchholz, Münchehofe und Schwerin mit den jeweiligen Ortsteilen gehören. Die Texte auf dem Flyer haben Jugendliche des Jugendclubs Märkisch Buchholz mitgestaltet. Ein kurzer Chat-Dialog, ein paar Emojis, Aufrufe und ein Hinweis auf die „Beteiligungspizza“.

 

„Das war unser Ziel: dass sich jeder Jugendliche zumindest eine Zeit lang auseinandersetzt“.
Madlen Langer, Jugendkoordinatorin

 

Das hat den Veranstaltern zwar keine Scharen Jugendlicher beschert, aber immerhin 20 Teilnehmende konnten sie zu den zwei Konferenzen begrüßen. An ihrer Seite hatten sie den Organisationsberater und Beteiligungsspezialisten Steffen Adam, der viele Brandenburger Kommunen auf dem Weg zu einer möglichst breit aufgestellten Kinder- und Jugendbeteiligung berät und in seinem Heimatort selbst Gemeindevertreter ist. „Das Ziel für heute ist es, Eure Sichtweisen, Ideen und Fragen in einem Papier zusammenzufassen“, spornte er die Jugendlichen des Ferienworkshops an. „Es geht nicht darum, sich Geschenke zu wünschen, sondern einen praktikablen Weg zu finden, wie Ihr mitreden könnt. Dazu gehört auch mal zu verstehen, warum die eigene Meinung nicht berücksichtigt wurde.“ Wo es überhaupt sinnvoll ist mitzureden, also wofür die eigene Kommune zuständig ist, das konnten die Teilnehmenden zunächst bei Speed-Datings mit Ralf Irmscher und Arno Winkelmann, Bürgermeister von Münchehofe und Märkisch Buchholz, herausfinden. Von der Amtsverwaltung gaben Bauamtsleiter Thomas Kralisch und Sachgebietsleiterin Isabell Weber Auskunft.

 

Themenaufsteller zur Kinder- und Jugendkonferenz. Foto: Dörthe Ziemer

Am Anfang waren die Aufsteller...

Weißes Blatt zur Kinder- und Jugendkonferenz. Foto: Dörthe Ziemer

... und Blätter noch ganz leer.

 

In zwei Gruppen wurde erläutert und diskutiert, worüber die ehrenamtlichen Politiker in den Gemeindevertretungen und Stadtverordnetenversammlungen entscheiden und wie das Amt Schenkenländchen die Beschlüsse anschließend umsetzt. Kitas, Schulen, Wege, Straßen, Entsorgung – für all diese Aufgaben sind die Kommunen zuständig. Ob irgendwo eine Bank steht, die Bushaltestelle oder der Strand sauber sind oder die Schule einen Anbau kommt – diese Entscheidungen eignen sich also bestens dafür, Kinder und Jugendliche einzubeziehen. Wie eng dabei die Möglichkeiten sind, wurde ebenfalls deutlich. „Märkisch-Buchholz hat einen Haushalt von rund 2 Millionen Euro“, erläuterte Arno Winkelmann, davon gingen rund 700.000 Euro an das Amt für die Verwaltungsarbeit. „Hier wirken die Gemeindevertreter und der Bürgermeister als Bindeglied zwischen Amt und Bürgern“, sagte er und verwies darauf, dass er regelmäßig zur Bürgersprechstunde einlade. Doch nicht alles, was gewünscht werde, sei umsetzbar, denn das Amt ist für mehrere Gemeinden und somit für mehrere Haushalte zuständig, da fehlten häufig die Ressourcen. Und beinahe schlitterten die Bürgermeister und Amtsvertreter in eine Diskussion um die Vorteile einer Amtsgemeinde, in der es nämlich nur einen Haushalt gibt, und ob nicht Verwaltungsstrukturen generell überarbeitet werden müssten, weil vieles überreguliert sei. Doch an diesem Ferienvormittag in der Schule ging es um die Jugendlichen und ihre Vorstellungen.

 

„Die Gemeindevertreter und der Bürgermeister wirken als Bindeglied zwischen Amt und Bürgern.“
Arno Winkelmann, Bürgermeister von Märkisch-Buchholz

 

„Was fehlt Euch?“, lautete denn auch die ernst gemeinte Frage von Thomas Kralisch. „Wir brauchen manchmal nur einen Anschub, um etwas zu entwickeln, aber das ist wichtig.“ Ralf Irmscher pflichtete ihm bei und erzählte, dass er ein- bis zweimal pro Wahlperiode per Zettel die Einwohner fragt, was ihnen wichtig ist. Die Zettel werden ausgewertet, dann entscheiden die Gemeindevertreter darüber, was wie gemacht werden kann. Einmal sei dabei beispielsweise eine neue Straßenbeleuchtung herausgekommen. Manche Sachen, erzählt Ralf Irmscher, ließen sich auch durch Nachfragen und Hinweise an das zuständige Amt – entweder in Teupitz oder beim Landkreis – klären. Auch hier vermitteln die Bürgermeister Anfragen etwa aus den Bürgersprechstunden. „Wir müssen zum Beispiel wissen, wenn etwas mit den Busverbindungen nicht funktioniert“, sagt der Münchehofer Bürgermeister. Nun dann könne man etwas ändern, dazu sei er auf Hinweise von Bürgern angewiesen.

 

„Und was ist, wenn Einwohner nicht wollen, dass weiter gebaut wird?“, wollte ein Mädchen wissen. Da gebe es die Möglichkeit des Bürgerentscheids – oder, wenn man sich im Vorfeld von Entscheidungen zu Bebauungsplänen zu Wort meldet. Eine andere Teilnehmerin interessierte sich für die Ausstattung in den Kitas. Hier gebe es, erläuterte Isabell Weber, jedes Jahr die Abfrage, was benötigt werde. Das wird nach „unbedingt notwendig“ und „eher Luxus“ gewichtet. Damit stellt das Amt den Haushalt zusammen, und die Gemeindevertreter entscheiden, was gekauft werden kann. Auch der Haushalt für das ganze Amt muss am Ende stimmen. Darüber entscheidet der Amtsausschuss, ein Gremium aus allen Bürgermeistern des Amtes Schenkenländchen sowie – je nach Einwohnerzahl – weitere Vertreter. „Schließlich prüft die Kommunalaufsicht die beschlossenen Haushalte, und dann kann die Amtsverwaltung damit arbeiten“, so die Fachfrau.

 

Ideensammlung bei der Kinder- und Jugendkonferenz. Foto: Dörthe Ziemer

Ideen wurden gesammelt...

Ideensammlung bei der Kinder- und Jugendkonferenz. Foto: Dörthe Ziemer

...und fleißig aufgeschrieben.

 

Wenige Tage später saßen Schüler aus Halbe, Teupitz und Groß Köris mit den Gemeindevertretern Reinhard Geister (Groß Köris) und Ingo Ebel (Halbe), dem Stadtverordneten Thomas Kraus (Teupitz) sowie Jana Zerowski und Nadine Lorenz-Ehrentraut von der Amtsverwaltung zusammen. Auch Amtsdirektor Oliver Theel schaute kurz vorbei. Das Thema Müll und fehlende Mülleimer sowie Jugendtreffpunkte, insbesondere ein Skaterpark, waren dort Schwerpunkte, berichtet Josephine Seiger, die im Amt für Jugendarbeit sowie im Landkreis für historisch-politische Jugendbildung zuständig ist. Die Teilnehmenden hätten sich über den anregenden Austausch sehr gefreut. „Insbesondere die Schüler fanden es schön, so gehört zu werden“, so Josephine Seiger.

 

„Der Bedarf an so einem Austausch ist offenbar groß“, schlussfolgerte Steffen Adam nach dieser ersten Runde, die zeitlich sogar über das Limit hinausging. Er wollte anschließend wissen, ob es den Jugendlichen schwergefallen sei, Fragen zu stellen – und warum. „Es ist komplex und ziemlich viel auf einmal“, sagte eine Teilnehmerin. Steffen Adam zeigte Verständnis und gab zu: „Ich hätte als Jugendlicher auch nicht ständig dem Mund aufgemacht, schon gar nicht, wenn der Bürgermeister am Tisch sitzt.“ Am Ende sei es aber das Recht der Jugendlichen gehört zu werden – „und wenn Ihr das nicht wahrnehmt, werden Eure Interessen nicht berücksichtigt.“ Dabei liege die Rolle des Impulsgebers bei den Kommunen: Die Politik muss die Jugendlichen beteiligen, nicht andersherum. Deshalb müssten sich die gewählten Vertreter Gedanken machen, wie sie an die junge Generation herankommen.

 

„Ich hätte als Jugendlicher auch nicht ständig dem Mund aufgemacht, schon gar nicht, wenn der Bürgermeister am Tisch sitzt.“
Steffen Adam, Berater

 

In einer zweiten Runde wurden all die Dinge, die die Teilnehmenden wichtig finden und bei denen sie sich einbringen wollen, sortiert: Sollen die Jugendlichen lediglich informiert werden, wollen sie ihre Ideen einbringen, wollen sie ein Stück weit mitentscheiden? „Wenn es eine Liste mit Themen gibt, auf der steht, was Euch interessiert, dann muss sich die Gemeinde Gedanken machen, wie sie Eure Meinung einholt“, erläuterte Steffen Adam. „Und wenn es keine Meinung gibt, dann entscheiden Erwachsene.“ Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, sagte er später im Interview, könne sogar eingeklagt werden. Oder positiv formuliert: Die Beteiligung bei den entsprechenden Themen verschaffe Rechtssicherheit. Die Beratung der Amtsverwaltung und der gewählten Vertreter gehöre deshalb auch zu seinen Aufgaben. Am Ende müssten nämlich auch die Hauptsatzungen geändert und die Art und Weise der Beteiligung festgeschrieben werden. Die Gemeinde Münchehofe hat diese Aufgabe bereits 2019 erledigt: In die Hauptsatzung wurde dieser Paragraf eingefügt:

 

4. Beteiligung und Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen
Alle Kinder und Jugendliche, die Einwohner der Gemeinde sind, haben das Recht, sich in allen Angelegenheiten, die der Gemeinde obliegen, mit ihren Meinungen, Vorschlägen, Fragen und Bedenken an die Gemeindevertretung, deren Ausschüsse sowie an den/die Bürgermeister/in zu wenden. Sie haben bei entsprechender Fragestellung Anspruch auf eine Antwort.
Vor Durchführung von Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, sind diese in geeigneter Weise davon zu unterrichten und es ist ihnen die Möglichkeit zu geben, Stellung dazu zu beziehen.
Kinder und Jugendliche haben ebenso das Recht, sich in der Gemeindevertretung und deren Ausschüssen zu äußern. Dazu sollte mindestens 1 x im Jahr eine öffentliche Sitzung der Gremien zu Zeiten stattfinden, an denen Kinder und Jugendliche teilnehmen können.

 

Ergebnistafel der Kinder- und Jugendkonferenz. Foto: Dörthe Ziemer

 

Um die anderen Gemeindevertreter und Stadtverordneten auf dem Weg dorthin zu beraten, gibt es am 3. November eine Informationsveranstaltung mit Steffen Adam. Dass das Thema im Amt erst jetzt so intensiv angegangen wird, könnte ein Hinweis darauf sein, dass er womöglich dicke Bretter wird bohren müssen. „Wichtig ist: Nicht die Jugendlichen müssen in die Sprechstunden gehen, sondern die Bürgermeister und Gemeindevertreter müssen zu den Jugendlichen gehen“, sagt er. Damit das funktioniert, wurden am Ende der Workshops Vorschläge dafür gesammelt: Natürlich spielten dabei moderne Medien wie Soziale Netzwerke oder auch QR-Codes für Umfragen die Hauptrolle. Aber auch Klassiker wie Plakate (besonders im Bus), Zeitungen, Aushänge, Infos über die Schulen scheinen gangbare Wege zu sein. Auch weitere Vorschläge der Jugendlichen klangen recht praxisnah: „kurz, aber eindeutig“, „gleichberechtigt mit Erwachsenen“, „nicht vom Thema ablenken“. Und vermutlich ist auch die Beteiligungspizza ein immerwährender Türöffner…

 

Da die Kinder- und Jugendbeteiligung im Schenkenländchen gerade startet, wird Wokreisel.de die Entwicklung längerfristig begleiten: Was sagen die Gemeindevertreter und Stadtverordneten zu dem, was die Kinder und Jugendlichen erarbeitet haben? Wann fallen die ersten Beschlüsse, an denen Kinder und Jugendliche beteiligt waren? Welche Mittel wurden gewählt, um sie zu befragen und zu beteiligen?

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Veröffentlichung

Mo, 01. November 2021

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