Lieberoser Heide: Aus I.N.A. wird Naturwelt

Ein neuer Name, zwei neue Gesellschafter, dauerhaft statt temporär, regional statt international: Die Internationale Naturausstellung Lieberoser Heide (I.N.A.) erfindet sich gerade neu. Bestes Symbol dafür war der Tag der Lieberoser Heide am Samstag im neuen Format.

 

Von Dörthe Ziemer

 

Naturwelt Lieberoser Heide GmbH – das soll der neue Name des Unternehmens sein, wenn alle Gesellschafter dem neuen Gesellschaftsvertrag zustimmen. Im Landkreis Dahme-Spreewald liegt er dem Kreistag am 8. September zur Beschlussfassung und zuvor den Fachausschüssen zur Beratung vor. Zu den bisherigen Trägern kommen mit der Stadt Friedland und dem Landkreis Oder-Spree zwei neue dazu, und die Befristung der Gesellschaft bis zum 31. Dezember 2021 soll aufgehoben werden.

 

Schloss Lieberose. Foto: Dörthe Ziemer

 

Zuletzt hatte es weniger gute Nachrichten um die Gesellschaft und das Projekt I.N.A. gegeben: Die beiden Geschäftsführer wurden freigestellt und lange gehegte Projekte, wie etwa der Aussichtsturm in der Lieberoser Heide, wurden bislang nicht oder verzögert umgesetzt. Was nun hinter den geplanten Änderungen steckt, darüber geben die Beschlussvorlage und der neue Gesellschaftsvertrag detailliert Auskunft: Die 2017 gegründete Gesellschaft hatte ursprüngliche eine begrenzte Laufzeit als Trägergesellschaft für eine temporäre Naturausstellung im Jahr 2020 auf dem Gelände des ehemaligen Truppenübungsplatzes Lieberose. „Während der vergangenen Jahre wurde (…) der Fokus auf eine langfristige Aufwertung des Gebietes durch nachhaltige, naturnahe Regionalentwicklung gerichtet“, heißt es nun in der Vorlage. Denn die Gesellschafter sehen „einmalige Voraussetzungen, um Projektideen im Zuge des Strukturwandels in der Lausitz zu verwirklichen“. Eine temporäre Gesellschaft sei zudem in Bezug auf die Fördermittelakquise eingeschränkt, vielmehr bedürfe es dazu einer „stabilen und nachhaltigen Struktur“.

 

Regional statt international

Neben der neuen Sichtweise in Bezug auf die Befristung der Gesellschaft gibt es auch einen wichtigen inhaltlichen Punkt, der zur Namensänderung führte: „Insbesondere der Aspekt der Internationalität hat an Identifikationspotenzial verloren und konnte in der Vergangenheit nicht deutlich genug untersetzt werden“, heißt es in der Vorlage. Stattdessen wurden die „Förderung von modellhafter Partizipation der Bevölkerung an der Verbindung von Wildnis, Naturschutz und Regionalentwicklung sowie die Umsetzung von modellhaften Projekten der Regional- und Strukturentwicklung“ an die erste Stelle im Gesellschaftszweck gerückt. Hinzu kommt ein ganz praktischer Grund, warum die Gesellschaft einen anderen Namen erhalten soll: Auf der Insel Vilm gibt es – mit derselben Namensabkürzung – eine Internationale Naturschutzakademie als Einrichtung des Bundes.

 

Im Sukzessionspark Lieberoser Heide. Foto: Karen Ascher

Im Sukzessionspark.

Im Sukzessionspark Lieberoser Heide. Foto: Karen Ascher

Fotos:

Im Sukzessionspark Lieberoser Heide. Foto: Karen Ascher

Karen Ascher

 

Die Namensfindung erfolgte im Rahmen eines Workshops mit verschiedenen Akteuren und den Gesellschaftern im Frühjahr 2021: Naturwelt Lieberoser Heide GmbH mit dem Zusatz „Das wilde Herz der Lausitz“. Naturwelt – das ist so plausibel wie eingängig. Und es lässt Assoziationen zu: Es geht um Natur und es geht darum, die Welt einzubeziehen. Die das Areal umgebende Gesellschaft mit all ihren Akteuren und die Menschen, die in die Region kommen, um so eine einmalige Naturwelt zu erleben. Es geht um ein verträgliches Neben- und Miteinander von Wildnis und regionaler Entwicklung. Wie das gelingen soll, dafür gab der Tag der Lieberoser Heide ein gutes Beispiel. Der Tag ist 2016 vom Förderverein Nationalpark Lieberoser Heide e.V. initiiert worden. Sie freue sich, sagte die Vereinsvorsitzende Isabell Hiekel, „dass wir eine immer größer werdende Familie werden, die diesen Tag begeht“.


Ein Markt voller Ideen

Diesmal gab es nicht nur Fachdiskussionen, sondern einen Markt der Möglichkeiten, auf dem Akteure wie der Förderverein Lieberose, der Förderverein Nationalpark Lieberoser Heide, der Jamlitzer Künstlerverein Brandung, der Förderverein der Aquamediale, der Spreewaldverein u.a. über ihre Arbeit informierten. Initiativen aus Lieberose, Byhleguhre und Straupitz versorgten die Gäste u.a. mit Plinsen und Wildbratwürsten und Kinder konnten auf Ponys reiten, rätseln und spielen. Außerdem gab es Live-Musik und Führungen durch die Rohkunstbau-Ausstellung im Schloss, nach Jamlitz und durch die Lieberoser Heide.

 

Gute Gespräche und mehr zum Tag der Lieberoser Heide 2021. Foto: Dörthe Ziemer

 

Somit waren zahlreiche Akteure aus der Region vertreten, die ein großes Interesse an der Entwicklung der Region haben und ihre Ideen bereits vielfach einbrachen. Darauf verwies Heike Zettwitz, zuständige Dezernentin beim Landkreis Dahme-Spreewald und Vorsitzende der Gesellschafterversammlung der I.N.A., als sie während der ersten Fachdiskussion die Zukunft der Naturwelt skizzierte: „Über die Lieberoser Heide wird seit Jahren gesprochen, und die Ideen dazu stammen alle aus der Region“, sagte sie. Daher laute die Aufgabe nun: gemeinsam mit der Region neue Wege zu gehen. „Die Menschen von hier und aus dem Spreewald, aus dem Schlaubetal haben es verdient, dass sie nicht vergessen werden, daher ist es unsere Idee die Regionalentwicklung und den Tourismus mit dem Naturschutz und der Wildnis zu verknüpfen.“ Sie verwies zudem darauf, dass der benachbarte Tagebau Jänschwalde der nächste sei, der vom Netz gehe – hier würden also in nächster Zeit Arbeitsplätze wegfallen. Der Strukturwandel betreffe somit auch diese Region.

 

Wie die Naturwelt an Strukturwandelgelder gelangen könnte, führte Oliver Bothe von der Wirtschaftsregion Lausitz aus, also jener Gesellschaft, die im Auftrag des Landes Brandenburg die Strukturmittel aus dem Landestopf im Rahmen von Werkstattprozessen koordiniert. „Der hiesige kommunale Ansatz, also dass die Menschen das auch wollen, ist ein wichtiger Punkt, der mit einzahlt“, sagte er und gab den Gesellschaftern – quasi als Hausaufgabe – weitere Infos mit auf den Weg: Die Naturwelt lasse sich in die Werkstätten 4 – ländliche Entwicklung – und 5 – Kultur, Kreativwirtschaft und Tourismus – einordnen. Gute Chancen hätten Projekte, die Infrasktruktur schaffen, die eine räumliche Verzahnung herstellen und von denen die Menschen vor Ort profitieren. Als Herausforderungen in dieser Hinsicht nannte Heike Zettwitz etwa die Schaffung neuer Übernachtungsmöglichkeiten, und zwar eher in Form von Ferienhäusern aus Holz statt großer Hotelbauten, die verkehrliche Anbindung und Querungshilfen über die Bundesstraße.

 

Politische Ebenen sind eingebunden

Wie sehr das Anliegen, in Sachen I.N.A. endlich sichtbar wirksam zu werden, auf allen politischen Ebenen angekommen ist, zeigen nicht nur die Tatsachen, dass der Gesellschaftsvertrag geändert werden soll und als vorübergehender Geschäftsführer der Chef der kreis-eigenen Wirtschaftsfördergesellschaft Gerhard Janßen eingesetzt wurde, sondern auch der Fakt, dass die Entwicklung der Lieberoser Heide im Koalitionsvertrag der Landesregierung steht. Darauf verwies Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel vor Ort und zitierte aus dem Papier: „Die I.N.A. erhält den Status eines Landesmodellprojekts zur integrierten Entwicklung des ländlichen Raumes und wird im Rahmen der Projektförderung durch LEADER und des Strukturwandels in der Lausitz als Projekt mit Landesbedeutung gewertet.“ Dafür erhalte sie einen eigenen Haushaltstitel zur Kofinanzierung von Bundesmitteln. Mit der Aufnahme zweier weiterer Gesellschafter wird die künftige Naturwelt auch regional auf mehreren Schultern verteilt und mit mehr Kapital ausgestattet.

 

Rundgang beim Markt der Möglichkeiten, mit Minister Axel Vogel (M.) und Isabell Hiekel (l.) am Stand des Fördervereins Lieberose. Foto: Dörthe Ziemer

 

Nach all den verheißungsvollen Worten und Erklärungen holten die Zuhörer die Referenten der Fachdiskussionen recht schnell auf die ganz praktische Ebene herunter. Wie mit den wachsenden Wolfsrudeln umgegangen werden solle, wollte etwa Klaus Richter wissen. Vor dem Hintergrund, dass Wölfe zunehmend Pferde und Rinder rissen, stehe die Frage im Raum, ob Nutztierhaltung überhaupt noch möglich sei – dort, wo Wölfe wohnen. Minister Axel Vogel erläuterte, dass die Risszahlen vor allem dort in die Höhe schnellten, wo Wölfe neu ankommen. Wölfe, die übergriffig werden, müssten entnommen werden, was jedoch keine generellen Bestandsverkleinerung gleichkommen dürfe. Edelbert Jakubik forderte bessere Radwege zwischen Lieberoser Heide und Spreewald. Dann könnten vielmehr Urlaubsgäste von dort einen Tagesausflug nach Lieberose machen und umgekehrt. Heike Zettwitz nannte das einen wunden Punkt und dass die bessere Verzahnung von Tourismusgebieten zum neuen Konzept gehöre. Unter anderem deshalb kommen der Landkreis Oder-Spree und die Stadt Friedland an der östlichen Grenze der Region als neue Gesellschafter hinzu: um eine Vernetzung der touristischen Regionen auch in Richtung Schlaubetal sicherzustellen.

 

'Das wilde Herz der Lausitz' ist in aller Munde

Hartmut Linke schließlich hatte in der Diskussion Informationen dazu vermisst, wie der Wald an die jetzigen und künftigen Klimabedingungen angepasst werden solle. Damit leitete er direkt zur nächsten Fachdiskussion über, die sich der Wald- und Wildnisentwicklung in der Lieberoser Heide widmete und schließlich auch der Ausgangspunkt für diesen Tag und die erste Fachdiskussion zur Zukunft der I.N.A. war: Wie lassen sich Naturschutz und Wildnis so entwickeln, dass sie im Einklang mit nachhaltiger Regionalentwicklung stehen?

 

Dies treibt schließlich alle an, die sich an diesem Tag eingebracht haben: regionale Akteure ebenso wie Verwalter und Politiker vom Landkreis und vom Land Brandenburg. Sie alle dürfte der Ausblick, den die Diskutanten der ersten Runde gegeben haben, hoffnungsfroh stimmen: In zehn Jahren sei „das wilde Herz der Lausitz“ in aller Munde, sagte Heike Zettwitz. Axel Vogel führte fort: „Das ‚wilde Herz‘ ist in zehn Jahren nicht nur Anspruch, sondern Wirklichkeit.“ Und – ganz praktisch – schloss Oliver Bothe: „In zehn Jahren komme ich mit dem Fahrrad auf perfekten Wegen hierher und genieße die Region.“

 

 

INFO:

Zu den laufenden Projekten der I.N.A. gehören:

  • Sukzessionspark:  Aussichtspunkt mit Erlebnisstationen, die die natürliche Sukzession der Wildnis anschaulich darstellen
  • Weite Wege in die Wildnis: Wanderwegesystems auf entmunitionierten Flächen
  • App Lieberoser Heide 4.0: Interaktive Begleitung der Besucher (in Arbeit)
  • Heideradweg: Auf einer alten Bahntrasse geht es vom Naturpark Schlaubetal bis vor die Tore des künftigen Cottbusser Ostsees in Peitz (in Arbeit)
  • Wildnispfad: Der 8 km lange Wildnispfad auf der Wildnisfläche der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg ist Teil des Ludwig-Leichhard-Trails und bietet puren Naturgenuss.
  • Naturlehrpfad Ludwig Leichhardt: 54 km langer asphaltierter Rad- und Wanderweg durch die unberührte Natur Lieberoser Heide.

(Quelle: I.N.A.)

 

Geschichte der I.N.A. Lieberoser Heide:

1992:         Ende der militärischen Nutzung des Truppenübungsplatzes
2008:        Teilnahme am Bundeswettbewerb "Idee Natur"
2009-2010:    Erarbeitung und Beschluss des Masterplans Region Lieberose
2010:        Gründung der kommunalen Arbeitsgemeinschaft
2011:        Beschlussfassung der Landkreise zur Umsetzung der I.N.A.
2012-2014:    Vorstudie zum Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben
2010-2015:    Umsetzung erster Projekte (z.B. Sukzessionspark Lieberose)
2015-2017:    Projektentwicklung, Gewinnung weiterer Unterstützer
2017:        Gründung der I.N.A. Lieberoser Heide GmbH
(Quelle: I.N.A.)

 

GmbH:

Derzeitige Gesellschafter der I.N.A. Lieberoser Heide GmbH:
Landkreis Dahme-Spreewald, Landkreis Spree-Neiße, Amt Lieberose/Oberspreewald, Amt Peitz, Gemeinde Schenkendöbern, Stiftung Naturlandschaften Brandenburg.

 

Künftige zusätzliche Gesellschafter der Naturwelt Lieberoser Heide GmbH:
Stadt Friedland, Landkreis Oder-Spree.

Derzeitiges Stammkapital der Gesellschaft: 75.000 Euro
Künftiges Stammkapital der Gesellschaft: 100.000 Euro

 

Weitere Informationen

Veröffentlichung

So, 15. August 2021

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