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"Es zeigt sich, dass in den Köpfen etwas passiert"

Während der Kreistag die Unterzeichnung der „Europäischen Charta für Gleichstellung“ beschlossen hat, stimmte die Gemeindevertretung Bestensee gegen geschlechtergerechte Sprache in ihrer Geschäftsordnung. Wie präsent ist Gleichstellung in Dahme-Spreewald?

 

Von Dörthe Ziemer

 

Der Kreistag hat auf Antrag der SPD-Fraktion in seiner Sitzung am 23. Juni die Unterzeichnung der „Europäischen Charta für die Gleichstellung von Mann und Frau auf Kreisebene“ beschlossen. Dahme-Spreewald ist damit der siebte Landkreis in Deutschland, der dieses Dokument unterzeichnet. „Für die Gleichstellung von Frauen und Männern ist dieser Beschluss ein herausragendes, zukunftsweisendes öffentliches Bekenntnis zum Grundsatz der Gleichstellung“, sagte die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Elke Voigt vor den Abgeordneten. Wie konkret wirkt dieses Bekenntnis in die Gesellschaft hinein – und wie offen und bereit ist diese für die Umsetzung?

 

Diese Frage stellt sich grundsätzlich, bekam aber eine neue Aktualität durch einen Beschluss der Gemeindevertretung von Bestensee einen Tag zuvor. Sie hatte mehrheitlich einem Antrag der AfD-Fraktion zugestimmt, wonach die Geschäftsordnung der Gemeindevertretung nicht gegendert werden solle. Dieser Beschluss wurde zwei Tage später gar vom AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner im Bundestag als beispielhaft gelobt – wo zwei ähnliche Anträge derselben Partei zur Debatte standen und abgelehnt wurden.

 

Wir sprachen darüber mit Elke Voigt, seit über 20 Jahren Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Dahme-Spreewald.

 

Warum ist es wichtig, dass der Kreistag die Unterzeichnung der Charta beschlossen hat? Staatliches Handeln muss doch schon durch das Grundgesetz auf die Gleichstellung hinwirken.


Der Beschluss steht uns gut zu Gesicht: Er ist ein öffentliches politisches Bekenntnis unseres Landkreises für eine strategische Gleichstellungspolitik auf kommunaler und regionaler Ebene. Gleichberechtigung beginnt vor Ort, und unser Landkreis hat großen Einfluss auf das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger. Indem wir alle Gleichstellungsaspekte in den verschiedenen Politikfeldern systematisch mitdenken, handeln wir für die Zukunft.


Es gibt nach wie vor strukturelles einseitiges Denken, es gibt Stereotype bei der Berufswahl, die nach wie vor kaum aufgebrochen werden. Wissenschaftlich ist beispielsweise erwiesen, dass geschlechtergemischte Teams erfolgreicher sind – das gilt für beide Geschlechter, deswegen wirkt die Charta in beide Richtungen.

 

Wie wird sich die Anwendung der Charta im Landkreis auswirken? Was passiert jetzt konkret?


Jetzt geht die Arbeit so richtig los. Zunächst wollen wir die Unterschrift unter die Charta in einer öffentlichen Veranstaltung vollziehen – die Bürgerschaft soll mitbekommen, dass das Thema in Dahme-Spreewald wichtig ist.


Die Charta gibt 30 Handlungsfelder vor, aus denen wir Aktionspläne entwickeln. Zunächst werden wir uns auf zwei bis drei Felder konzentrieren, zum Beispiel Politik/Demokratische Verantwortung/Mitwirkung als ein Feld, Gewalt gegen Geschlechter als ein weiteres. Spannend ist auch das Feld Internationale Kooperationen, denn wir haben mit unserem Partnerlandkreis Wolsztyn in Polen viele Berührungspunkte. Wir hatten ja im letzten Kreistag Gäste aus Polen zugeschaltet – auf polnischer Seite waren viel mehr Frauen zu sehen als bei uns hier im Kreistag.

Im Kreistag gab es acht Gegenstimmen gegen den Antrag der SPD-Fraktion und sechs Enthaltungen. Was denken Sie, warum es nur positive Plädoyers gab?


Man muss nur in manche Fraktionen schauen, wie hoch der Anteil der Frauen dort ist. Eine paritätische Besetzung ist längst nicht überall üblich. Ich hätte mir auch gewünscht, dass nicht nur Frauen zu dem Antrag sprechen. Allerdings war es ja geplant, dass Thomas Irmer als Co-Fraktionsvorsitzender der SPD einführende Worte spricht. (Das war aus technischen Gründen nicht möglich, da er Probleme mit der digitalen Teilnahme an der Sitzung hatte. – Anm.d.Red.)

 

Sie sprachen von einem öffentlichen Zeichen, das gesetzt wurde. Wenn man nach Bestensee schaut, dann sieht man, dass das Thema Gleichstellung nicht überall in der Gesellschaft angekommen ist. Hilft es da, öffentliche Zeichen zu setzen?


Die Diskussion in Bestensee ist mir unbegreiflich. Wenn man es sprachlich vernünftig umsetzt, ist es doch kein Problem zu gendern. Dass manche Menschen Sternchen, Schrägstriche und Sprechpausen schwierig finden, kann ich nachvollziehen, aber wir haben nun mal den Verfassungsauftrag der Gleichstellung von Mann und Frau. Da muss man doch Lösungen finden, sei es das Binnen-I oder bestimmte Formulierungen, die das Geschlecht nicht näher bezeichnen wie „Beschäftigte“.


Ich bin seit 20 Jahren Gleichstellungsbeauftragte, und an der geschlechtergerechten Sprache arbeiten wir nun schon so lange. Dass die Diskussion überhaupt wieder an Fahrt aufgenommen hat, zeigt aber doch, dass in den Köpfen etwas passiert.

 

Haben Sie Verständnis dafür, wenn selbst junge Frauen sagen, Emanzipation bedeute für sie, dass sie sich verwirklichen können, und deshalb brauchten sie keine geschlechtergerechte Sprache?


Das kommt immer auf die Situation an. Wenn man sich nicht benachteiligt fühlt, ist das ok. Aber es gibt nach wie vor genügend Frauen, die würden sich gern mehr einbringen. Denen muss man sagen: Du kannst das auch! Schauen Sie sich die Verteilung von Männern und Frauen im Journalismus, etwa in den Redaktionsleitungen, und in Rundfunkräten an – das ist krass, wie wenig Frauen da vertreten sind. Frauen sind an verschiedenen Stellen im Denken einfach nicht vorhanden.


Darum geht es ja auch in der Charta: dass man alle gesellschaftlichen Schichten zusammenbekommt: Parteien, Zivilgesellschaft, Stiftungen, Wirtschaft und so weiter. Es nützt nichts, wenn alle auf das Büro der Gleichstellungsbeauftragten schauen und sagen: nun mach‘ mal. Es müssen alle mitziehen.

 

Warum läuft die Umsetzung dennoch so zäh?


Wie gesagt, manchmal versteht man das Problem nicht: bei der geschlechtergerechten Sprache nicht und auch bei der paritätischen Besetzung von Gremien nicht. Wir haben doch fähige Frauen! Es liegt auch zum Teil am Selbstverständnis der Frauen und auch ihrer Familien. Da sind Frauen, die wollen gern mehr, haben aber eine 32-Stunden-Woche, weil sie die Kinder morgens in ihre Einrichtungen bringen, sie auch wieder abholen, einkaufen, kochen und putzen. Und die Männer sind den ganzen Tag im Büro.
Wenn die Frauen sich das genau so wünschen, dann ist es völlig in Ordnung. Aber viele sind doch in ihrer Rolle gefangen und ärgern sich, dass es nicht anders läuft. Dann ist das ein Problem.

 

Nun sehen wir, dass das Thema Gendern beispielsweise sehr polarisiert. Es ist ein sensibles Thema. Welche Strategie empfehlen Sie in der Gleichstellungspolitik: mehr Behutsamkeit oder mehr Offensive?


Das kommt auf das Thema und das Gegenüber an. Beispielsweise gehen die Bürgermeister in unserem Landkreis sehr unterschiedlich mit dem Thema um. Man muss eben immer gut überlegen, was zur jeweiligen Situation passt – beispielsweise beim Gendern: Wie können wir so formulieren, dass sich alle angesprochen fühlen, ohne die Sprache zu verbiegen?

 

Sie sind schon seit 20 Jahren Gleichstellungsbeauftragte: Welche Erfolge gibt es bereits im Landkreis?


Bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention hat sich der Landkreis ein echtes Bienchen verdient. Am 1. Februar 2018 ist in Deutschland das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, in Kraft getreten. Deren Ziel ist es, Frauen besser vor Gewalt zu schützen. Das Frauenhaus in Dahme-Spreewald ist in Trägerschaft des Landkreises und der finanziert auch den Eigenanteil von 40 Prozent zur Landesförderung. Das ist ein Riesen-Vorteil, dass da nicht ein freier Träger ist, der jedes Jahr erneut eine Finanzierung suchen muss.


Der Landkreis ist auch bei der paritätischen Besetzung von Führungskräften weit vorn. Derzeit haben wir ein Verhältnis von 3:2, vor der Verteilung / dem Wegfall eines Dezernats war es noch 3:3. Auch für die Amtsleitungen trifft ein ausgeglichenes Verhältnis zu. Im Bewerbungsprozess achten wir darauf, dass paritätisch eingeladen wird.


Außerdem ist das Büro der Gleichstellungsbeauftragten vernünftig ausgestattet. Wir bearbeiten ja auch Stellungnahmen für Baumaßnahmen in Bezug auf Barrierefreiheit, zuletzt beim Flughafen BER – da mussten wir uns viel Fachwissen aneignen. In anderen Landkreisen gibt es dafür eine Mitarbeiterin, wir sind hier zu Dritt.


Das alles trägt das Anliegen der Gleichstellung nach außen, und ich hoffe, dass da auch die Bürgerschaft mitzieht.

 

Apropos Bürgerschaft: Welche nach Außen sichtbaren Dinge haben sich in den vergangenen Jahren im Landkreis getan?


Erste Ergebnisse gibt es im Bereich Politik und Partizipation. Wir hatten vor einiger Zeit eine Politikmesse, die sich vor allem an junge Frauen richtete. Da gab es viele Gespräche und Kontakte und einige Frauen sind dann dabeigeblieben und mischen jetzt in der Politik mit. Bis zu den nächsten Kommunalwahlen ist es noch etwas Zeit. Wir wollen auf die Parteien einwirken, in dem wir z.B. Mentoringprogramme empfehlen, mit denen junge Frauen an die Politik herangeführt werden. Eine Kollegin aus Frankfurt / Main hat mal die Redezeit von Kommunalpolitikerinnen und -politikern aufgezeichnet und gezeigt, dass der Redeanteil von Frauen viel geringer ist. Das könnte man bei uns auch mal machen…

 

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Fr, 02. Juli 2021

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