Künftige Siebtklässler bewerben sich mit den Halbjahreszeugnissen an einer Schule ihrer Wahl. Immer wieder kommt es wegen Übernachfrage zu Ablehnungen und Klagen. Das Problem könnte sich mit Blick auf die geplanten Standorte Wildau und Schulzendorf verschärfen.
Von Birgit Mittwoch
Täglich strömen hunderte Schülerinnen und Schüler vom Schulgelände der Grund- und Gesamtschule Schenkenland in Richtung Bahnhof Groß Köris und Schulbus. Immer das gleiche Bild kurz nach Schulschluss: In kleinen Gruppen laufen die Jugendlichen zügig zum Bahnsteig, die meisten fahren mit dem Regionalzug RE7 in Richtung Königs Wusterhausen, viele steigen in Bestensee und Zeesen aus. Andere fahren in die südliche Richtung nach Halbe und umliegende Dörfer. Am Fußgängerüberweg halten PKW und andere Fahrzeuge manchmal minutenlang, bis alle Schülerinnen und Schüler die Straße sicher überquert haben. Es sind Lernende der Klassen 7 bis 10, die in Groß Köris die weiterführende Schule besuchen – denn in Bestensee, in Zeesen, in Mittenwalde gibt es keine solchen Schulen, keine Gesamtschulen, keine Gymnasien, keine Oberschulen. Deshalb müssen viele Schülerinnen und Schüler pendeln.
Ü7-Verfahren
Als Ü7-Verfahren wird der Übergang in die 7. Klasse bezeichnet.
Für die Aufnahme in eine weiterführende allgemeinbildende Schule sind neben dem Wunsch der Eltern die Feststellung der Fähigkeiten, Leistungen und Neigungen maßgebend, dazu gehören das Grundschulgutachten und das Halbjahreszeugnis der Jahrgangsstufe 6. Nähere Infos gibt es beim Bildungsministerium.
Porträts aller Schulen in Dahme-Spreewald finden sich auf der Seite Schulporträts Brandenburg – dort werden insgesamt 20 Einrichtungen aufgelistet.
„Seit Anfang der 2000 Jahre gibt es steigende Schülerzahlen und eigentlich hätte man mindestens 2010 beginnen müssen, neue weiterführende Schulen zu bauen,“ sagt Claudia Mollenschott. Die Linke-Politikerin hat langjährige Erfahrungen mit Schulpolitik, ist Mitglied im Bildungsausschuss des Kreistages Dahme Spreewald und ärgert sich über die derzeitigen Zustände. Besonders im nördlichen Teil von Dahme-Spreewald gebe es zu wenige Schulplätze, so die Schulzendorferin.
Nach den Winterferien wird die Suche nach einem Platz in einer siebten Klasse wieder starten. So wie jedes Jahr bewerben sich alle Sechstklässler mit ihrem Halbjahreszeugnis und einem Grundschulgutachten in der Tasche an einer für sie passenden weiterführenden Schule – Gymnasium, Gesamtschule oder Oberschule. Die Wahl ist schwer, die Auswahl einer geeigneten Schule in der Nähe auch. Zu den weiterführenden Schulen in öffentlicher Trägerschaft gehören sechs Oberschulen, sechs Gymnasien (darunter zwei Gymnasien mit Leistungs- und Begabtenklassen ab Klasse 5), zwei Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe, sechs Förderschulen und das Oberstufenzentrum mit vier Standorten (Berufsschule, Berufsfachschule, Fachoberschule, Fachschule). Fünf Schulen verschiedener Schultypen befinden sich in freier Trägerschaft. Träger der Ober- und Gesamtschulen sind die Gemeinden, alle anderen Schulen werden vom Landkreis getragen.
Am klarsten sind die Regelungen für Gymnasien. Hier entscheiden die Leistungen: Es braucht mindestens die Notensumme sieben in den drei Hauptfächern Mathe, Deutsch und Englisch sowie die Empfehlung im Grundschulgutachten oder eine bestandene Eignungsprüfung.
An Oberschulen und Gesamtschulen müssen im Rahmen der vorhandenen Schulplätze alle Schülerinnen und Schüler aufgenommen werden. Bei Schülern mit Gymnasialempfehlung erfolgt die Auswahl nach dem Leistungsprinzip, bei allen anderen nach der Nähe zum Wohnort. Zur Entfernungsmessung nehmen die Schulleitungen Routenplaner zu Hilfe – und es zählt die Länge des Fußweges, nicht des Straßenweges zwischen Wohnort und Schule. Mitunter ist dann der Fußweg mitten durch einen Wald kürzer, als der per Straße – gerecht scheint das nicht immer zu sein.
Ist die bevorzugte Schule dann zu weit entfernt, die vorhandenen Plätze bereits besetzt, kann dieser Platz in der 7. Klasse versagt werden. Dann greifen die Zweitwünsche der Eltern und Kinder bzw. Zuweisungen an weitere Schulen. Mitunter liegen die aber weit entfernt vom Wohnort.
Auf Wokreisel-Anfrage hinsichtlich der Schulplätze an weiterführenden Schulen im Schulamtsbereich Cottbus antwortet der stellvertretende Pressesprecher des Ministeriums für Bildung, Jugend und Soziales, Alexander Engels: „Das Angebot an Schulplätzen im Schulamtsbezirk Cottbus ist auskömmlich.“ –Auskömmlich schon, so Claudia Mollenschott, aber wie weit entfernt vom Wohnort?

Claudia Mollenschott. Foto: Peter Mittwoch
Sie hat sich das genauer angeschaut – z.B. an der Ludwig-Witthoefft-Oberschule in Wildau: Dort wurden im vergangenen Jahr 100 Schüler in die siebten Klassen eingeschult, dem standen 181 Anträge gegenüber. Nun, so Mollenschott, sei es an der Schulleitung gewesen, in einem mühseligen Verfahren, die jeweiligen Entfernungen der Wohnorte zur Schule festzustellen: je näher, umso aussichtsreicher. Am Ende hatten alle, die maximal 4,46 km entfernt von der Schule wohnten, Glück und konnten angenommen werden. Der- oder diejenige, die nur wenige Meter weiter entfernt wohnte, wurde aus Kapazitätsgründen jedoch abgelehnt. Insgesamt waren das 81 Kinder.
Aus Elternsicht, so Anett Kehling, Vorsitzende des Kreisschulbeirates und stellvertretende Sprecherin im Landeselternrat, sei das mitunter fatal: Oft bekämen die Kinder dann Schulplätze in nicht so beliebten Schulen bzw. in weiter entfernten Orten zugewiesen – dort, wo eben noch was frei ist. „Am Ende werden alle neuen Siebtklässler untergebracht, aber eben nicht so wie gewünscht.“
Einige Eltern nutzen auch die Möglichkeit, sich auf den gewünschten Schulplatz einzuklagen – ein aufwändiges Prozedere, für Eltern und vor allem für die Schulen. Die Bildungseinrichtungen müssen dann abwarten, bis solch eine Klage beschieden ist. Das blockiert bereits vergebene Plätze, kostet Zeit und Nerven in den Schulleitungen. Aus Sicht des Bildungsministerium ist das allerdings kein großes Problem. Für das Schuljahr 2024/25 seien nach Angaben des Schulamtes Cottbus lediglich insgesamt 37 Widersprüche diesbezüglich eingegangen: „Bei mehr als 4.500 Schülerinnen und Schüler im Ü7-Verfahren macht dies einen Anteil von 0,2 Prozent aus.“
Eigentlich fehlten in allen Schulformen Plätze und das liege, so Elternvertreterin Anett Kehling, auch am starken Zuzug besonders in die nördlichen Gebiete wie nach Schönefeld. Wer in Schulzendorf wohnt, habe die weitesten Schulwege, schätzt Claudia Mollenschott ein. Die Schülerinnen und Schüler müssten entweder nach Schönefeld oder nach Königs Wusterhausen pendeln und somit weite Wege auf sich nehmen.
Auch wenn es zurzeit noch „auskömmlich Schulplätze“ gibt, werden perspektivisch nach Berechnungen des Landratsamtes in Lübben vor allem im nördlichen Teil des Landkreises Plätze an weiterführenden Schulen fehlen – und zwar die Kapazitäten für sechs bis zehn siebte Klassen. Im Schulentwicklungsplan ist das berücksichtigt, mehrere weiterführende Schulen sollen in den nächsten Jahren gebaut werden – in Schönefeld und Wildau je ein Gymnasium, in Bestensee eine Oberschule, in Schulzendorf war neben einer Grundschule auch eine weiterführende Schule im Gespräch (siehe Info-Kasten). Aber das wird dauern. Bis dahin sollen an bestehenden Schulen zusätzliche 7. Klassen eingerichtet werden.

Gedränge nach Schulschluss am Bahnhof Groß Köris. Mehrere hundert Kinder pendeln täglich in den Ort.
Foto: Peter Mittwoch
Der Übergang von der 6. in die 7. Klasse wird wohl erst einmal ein Problem bleiben – zumindest in Hinblick auf die weiterführenden Schulen, die aufgrund ihrer Größe, ihres Profils, ihrer außerschulischen Angebote und Wohnortnähe begehrt sind. Gibt es eine Lösung hinsichtlich des Wohnnähe-Problems? „Ich habe dafür auch kein Patentrezept“, sagt Claudia Mollenschott. Diese Regelung schien ihr anfangs praktikabel, solange es sinkende Schülerzahlen gab. Jetzt wären eigentlich mehr Gesamtschulen eine Lösung. Da müssten sich Schülerinnen und Schüler wenig Sorgen machen, wenn sie von der Grundschule in die weiterführenden Klassen wechseln.
Der RE7 fährt, zum Glück pünktlich, im Bahnhof Groß Köris ein. Fast 100 Schülerinnen und Schüler fluten die Abteile, der Zug ist gut gefüllt. Sie hatten Glück: Sie haben einen Schulplatz in einer der vier siebten Klassen bekommen, die Schule ist beliebt, der Schulweg aus Zeesen, Bestensee oder Halbe zumutbar.
INFO
Von 2018 bis 2022 wuchs die Zahl der Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen in Dahme-Spreewald von rund 5.500 auf rund 6.440 an. Das entspricht einem Zuwachs von 17 Prozent.
Bis zum Schuljahr 2028/2029 werden rund weitere 160 Schulplätze benötigt (rund sechs Klassen). Als zuständiger Schulträger ist der Landkreis Dahme-Spreewald gesetzlich verpflichtet, den Bedarf an Plätzen an weiterführenden Schulen zu decken.
Zur Deckung des Bedarfs wurden – neben der Aufstockung von bestehenden Schulen – in den vergangenen Jahren durch die jeweiligen Schulträger und politischen Gremien sowie den Kreistag beschlossen,
- die Gesamtschule Königs Wusterhausen samt gymnasialer Oberstufe zu erweitern
(vormals Herder- und Bredow-Schule, jetzt: "Otto Lilienthal") ,
- die Grund- und Oberschule Groß Köris zu einer Grund- und Gesamtschule umzuwandeln und künftig dort Abitur zu ermöglichen,
- eine Oberschule in Friedersdorf (Gemeinde Heidesee) einzurichten,
- ein Gymnasium in Schönefeld zu bauen,
- ein Gymnasium in Wildau oder eine Oberschule in Schulzendorf zu bauen.
Nach jüngsten Informationen im Bildungsausschuss des Kreises werden
- die Option, in Schulzendorf eine Oberschule von der Gemeinde Schönefeld bauen und vom Landkreis anmieten zu lassen, wegen zu hoher Risiken nicht weiterverfolgt, und
- die Planungen zum Gymnasium in Wildau und zu weiteren Schulzügen an der Witthöft-Oberschule letztmalig auf den Prüfstand gestellt.
Für den Kreistag im April 2025 hat die Kreisverwaltung eine neue Beschlussvorlage angekündigt.
Wo und wann neue Schulplätze entstehen, ist somit offener denn je – bei einer notwendigen Bauzeit von rund 3,5 Jahren bis zum Schuljahr 2028/29.