Die Krankenhausreform ist beschlossen. Für Dahme-Spreewald bedeutet dies zunächst, dass alle Standorte gesichert sind, wenn auch unklar ist, in welcher Form. Wie bereitet sich ein Krankenhaus im ländlichen Raum wie das in Luckau darauf vor? Ein Interview.
Von Dörthe Ziemer
Die Reform wird erst im Jahr 2027 vollumfänglich umgesetzt, für das nächste Jahr werden Ausführungsvorschriften erwartet, teilte Dahme-Spreewalds Gesundheitsdezernent Stefan Wichary kürzlich im Sozialausschuss mit. Der Insolvenzgefahr von Kliniken und Krankenhausstandorten könne damit erst ab 2027 wirklich begegnet werden, sagte er. Was das für die Krankenhäuser bedeutet, haben wir Dr. Ulrike Jäkel, Ärztliche Direktorin am Evangelischen Krankenhaus Luckau, gefragt.
Die Reform ist beschlossen: Wie bewerten Sie das Ergebnis und wie ist die Stimmung bei Ihnen im Haus?
Dr. Ulrike Jäkel: Das Ergebnis ist ein Kompromiss, immerhin. Die Stimmung unter den Mitarbeitern im Krankenhaus ist am ehesten mit vorsichtigem Zweckoptimismus umschrieben. Die Verunsicherung bei den Patienten ist jedoch gewaltig. Sie und viele Besucher fragen uns, wie es weitergeht. Aber wir können noch keine validen Aussagen treffen.
Die Reform ist erst wenige Wochen alt, bis dahin befanden wir uns im Blindflug. Keiner wusste, in welche Richtung es gehen würde. Hinzu kommt, dass der Dissens im Gesetzgebungsverfahren nach außen getragen wurde: die Flächenländer gegen die Stadtstaaten und alle gemeinsam gegen Gesundheitsminister Karl Lauterbach…
Ist denn aus Ihrer Sicht bei der Reform etwas Gutes herausgekommen?
Ich glaube, es ist gut, dass die Reform überhaupt gekommen ist. Wir wissen nicht, was sonst gedroht hätte: Die Verhandlungen wären von vorn losgegangen, wir hätten über Jahre eine Hängepartie erlebt. Was wir jedenfalls nicht brauchen: noch mehr Unsicherheit.
Die Querelen konnten wir auch bei uns in Brandenburg beobachten: Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher wurde entlassen, weil es mit Ministerpräsident Dietmar Woidke unterschiedliche Auffassungen darüber gab, wie viel durch die Reform erreicht wurde. Für Nonnemacher war das Erreichte besser als nichts, für Woidke war es viel zu wenig.
Dr. Ulrike Jäkel, Ärztliche Direktorin am Evangelischen Krankenhaus Luckau, auf der Intensivstation. Foto: Dörthe Ziemer
Wie geht es den Krankenhäusern in der Region?
Die Krankenhäuser befinden sich in einer ungeregelten Situation. 24 Krankenhäuser deutschlandweit sind insolvent. Krankenhäuser mit schwarzen Zahlen muss man mit der Lupe suchen: Das sind dann solche, die auf planbare Eingriffe spezialisiert sind oder wenig personellen Aufwand haben.
Wer an der Notfallversorgung teilnimmt, befindet sich wirtschaftlich in Schieflage. Diese Entwicklung hat unabhängig von der Krankenhausreform stattgefunden und sie wird sich fortsetzen, wenn der Transformationsfonds ausbleibt oder nicht über ausreichend Mittel verfügt. Nun haben wir ab 2027 die Vorhaltefinanzierung in Aussicht.
Wie geht es weiter?
Was jetzt beschlossen ist, greift ab 2027. Nun müssen erstmal Durchführungsverordnungen erlassen werden. Die Zeit bis dahin ist entscheidend. Es liegt im Ermessen der Krankenhausträger, wie lange und wie intensiv sie ihre Krankenhäuser quersubventionieren. Wie kritisch es ist, ist bei öffentlichen Krankenhäusern sichtbar. Das Städtische Krankenhaus St. Georg in Leipzig erwirtschaftet zum Beispiel ein Minus von über 60 Millionen Euro pro Jahr. Private und gemeinnützige Träger müssen das nicht offenlegen. Aber die wirtschaftliche Lage ist überall ernst.
Alle Krankenhausstandorte in Brandenburg haben laut Koalitionsvertrag Bestandsgarantie, nur in welcher Form, ist nicht klar. Es besteht die Möglichkeit, den eigentlichen Krankenhausbetrieb durch ein ambulant-stationäres Zentrum zu ersetzen.
Werden vor diesem Hintergrund denn alle Krankenhäuser in Brandenburg erhalten?
Es gibt aktuell 66 Krankenhäuser, von denen einige in Planinsolvenz sind, aber noch arbeiten. 28 Krankenhäuser, die einen Sicherstellungsauftrag der Landesregierung haben, befinden sich in berlinfernen Regionen. Diese bekommen jetzt schon einen Sicherstellungszuschlag, und zwar pro notfallrelevanter Fachrichtung 200.000 Euro im Jahr. Dazu gehören wir. Es ist eine Geste der Landesregierung mit dem Ziel, die Versorgung in der Fläche aufrechtzuerhalten.
Alle Krankenhausstandorte in Brandenburg haben laut Koalitionsvertrag Bestandsgarantie, nur in welcher Form, ist nicht klar. Es besteht die Möglichkeit, den eigentlichen Krankenhausbetrieb durch ein ambulant-stationäres Zentrum zu ersetzen.
Was kann nun durch die Reform erreicht werden?
Durch die Reform sind mehr Ausnahmeregelungen möglich, um regionalen Besonderheiten gerecht zu werden. Aber es gibt noch keine Klarheit zu den Zwischenschritten. Wie der Transformationsfonds zugeteilt wird, ist unklar. Und auch, was man angesichts der neuen Regelung zu den Mindestmengen noch erbringen darf.
Mindestmengen – was ist das?
Dahinter steht die Überlegung, dass eine hohe Anzahl einer komplexeren Leistung mit einer höheren Qualität einhergeht. Die Mindestmengen wurden unabhängig von der Reform eingeführt und werden jährlich auf weitere Prozeduren ausgeweitet. Erst ab Erreichen dieser Menge wird die Leistung vergütet.
Doch beei geringer Bevölkerungsdichte sind die Mindestmengen oft nicht erreichbar. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an die Diskussion um den Standort Cottbus als Perinatalzentrum für Frühgeborene der Stufe I. Die Mindestmengen werden in der Lausitz nicht erreicht. Aus meiner Sicht handelt es sich um ein hinterfragbares Qualitätskriterium, aber wir müssen es akzeptieren.
Wie soll es konkret mit Luckau weitergehen? Sie sagten, das Krankenhaus bleibe bestehen…
Luckau gehört zu den Sicherstellungskrankenhäusern, der Standort ist sicher. Was die Mindestmengenregelung bedeutet oder welche Strukturqualitätsanforderungen für die Leistungsgruppen wir am Ende erfüllen können, das ist jedoch noch nicht klar. Es ist darüber hinaus noch nichts über Ausnahmeregelungen bekannt.
Wenn auf dem Land Rettungsstellen erhalten werden sollen, ist es eine Ausnahmeregelung zu den Strukturanforderungen zwingend notwendig. Daher dürfen wir gespannt sein, wie die neue Regierung in Brandenburg damit umgeht. Zwar hat die Koalition gesagt, dass alle Krankenhäuser erhalten bleiben müssen, aber ob und welches Geld dafür bereitsteht, ist offen.
Es bleibt abzuwarten, ob die neue Regierung ihren Verpflichtungen auf dem Gebiet der Fördermittel nachkommt. Das sind also alles Gleichungen mit vielen Unbekannten.
Die Botschaft ist also: Luckau bleibt – aber unklar, in welchem Umfang?
Ja. Das hängt auch von der Personalausstattung ab – wie bekommt man das hier im berlinfernen Raum gut hin? Da müssen wir mit vielen Strategien aufwarten. Die Pflege ist derzeit gut unterwegs, bei der Besetzung der offenen Ärztestellen wird es besser. Das war ein langer Weg. Wir haben zum Beispiel gerade einen neuen Chefarzt in der Viszeralchirugie – da hoffen wir auf eine höhere Zahl an Operationen und dass wir die Mindestmengen beispielsweise bei Darmeingriffen erfüllen können.
Wir gehen ein großes unternehmerisches Risiko ein, etwa beim Erwerb von neuen Großgeräten. Das sind teils Millioneninvestitionen, aber es ist jetzt noch nicht sicher, wie sie sich amortisieren werden. Komplexe Leistungsgruppen, beispielsweise in der Urologie, lassen sich ohne diese Investitionen nicht erbringen. Wenn man sich jetzt nicht gut aufstellt, gehen diese schwergewichtigen Eingriffe verloren.
Es bleibt in diesem Zusammenhang abzuwarten, ob die neue Regierung ihren Verpflichtungen auf dem Gebiet der Fördermittel nachkommt. Das sind also alles Gleichungen mit vielen Unbekannten.
Mit der Spreewaldklinik in Lübben bestehen bereits erste Kooperationen. Foto: Ziemer
Wie läuft es mit der Abstimmung in der Region? Es hieß, die Reform würde die Häuser zu mehr Zusammenarbeit zwingen.
Viele Krankenhäuser tun sich – unabhängig von ihrer Trägerschaft – schwer, vom Konkurrenzmodus auf den Kooperationsmodus umzuschalten. Manche überleben gerade so, wie etwa das Klinikum Elbe-Elster, das derzeit nur mit Transferleistungen des Kreises funktioniert. In diesem Modus ist es schwer miteinander zu reden.
Auf ärztlicher Ebene sind wir seit langem kooperativ unterwegs, aber vertraglich war bisher wenig fixiert. Erste zarte Pflänzchen sind gesetzt. So haben wir in der Orthogeriatrie eine Kooperation mit der Spreewaldklinik Lübben aus der Taufe gehoben. Beide Seiten profitieren, die Patienten werden wohnortnah versorgt. Wir arbeiten daran, das auf andere Gebiete und andere Partner auszuweiten.
Interessant wird die neue Uni-Klinik in Cottbus: Sie spricht über Kooperation, aber wie die geplant ist, wissen wir noch nicht. Die Uni ist seit sechs Monaten am Start, bislang gibt es kaum Kontakte über ein erstes Kennenlernen hinaus. Die tägliche Zusammenarbeit in der Patientenversorgung gestaltet sich nicht einfacher als vor der Universitätsgründung.
Ihr Fazit zur großen Gesundheitsreform?
Ein Meilenstein geschafft, aber die Kuh ist noch nicht vom Eis.
Die Perspektive auf dem Land ist schwierig. Die Interessen zwischen den politischen Entscheidungsträgern in Berlin und den Krankenhäusern divergieren teilweise stark. Dem Ministerpräsidenten saßen vor der Abstimmung im Bundesrat die Bürgermeister und Landräte im Nacken, seine geschasste Gesundheitsministerin hat fachlich-sachlich nach medizinischen Gesichtspunkten geurteilt.
Was viel zu lange dauert, sind Entscheidungen zum Transformationsfonds. Es gibt noch keine Entscheidung über die Verteilung.
Es soll kein zusätzliches Geld ins System kommen. Ob das vorgesehene Geld so verteilt wird, dass am Ende jeder Bürger die notwendige und angemessene Behandlung in einer akzeptablen Entfernung von seinem Wohnort bekommen kann, wird den Erfolg oder Misserfolg der Reform bestimmen. Bis es soweit ist, könnte es passieren, dass noch mehr Krankenhäuser vom Netz gehen, obwohl sie dringend notwendig wären.
Also: Nach wie vor vieles in der Schwebe, nur in der nächsten Stufe.
INFO
Das sagt der Landkreis zur Reform:
Die Krankenhausplanung erfolgt durch das Land Brandenburg. Für die Region Süd arbeitet die Kreisverwaltung daran mit. Die dafür notwendigen Sachverhalte wurden im ersten Halbjahr 2024 ermittelt, so Gesundheitsdezernent Stefan Wichary. „Wir hoffen auf eine gemeinsame Planung mit Berlin.“ Gemeinsam mit anderen Landkreisen werde darauf geachtet, dass Gestaltungsspielräume genutzt werden und dass eine hohe Behandlungsqualität und eine gute Erreichbarkeit im ländlichen Raum bestehen. So genannte Sicherstellungsstandorte wie Luckau könnten von Fallzahlen befreit werden.
Die Reform ermögliche es, bisher stationäre Leistungen auch ambulant anzubieten und ambulante und stationäre Einrichtungen stärker zusammen arbeiten zu lassen. Als Vertreter im Innovations- und Netzwerkrat der Uni-Medizin Cottbus bringe sich der Landkreis in der Gesundheitsregion Lausitz ein, so der Gesundheitsdezernent.
Von der Landesregierung fordert der Gesundheitsdezernent, dass sie dranbleibe, wenn der Bund Entwürfe zur Umsetzungsverordnung vorlegt. Weitere Reformvorhaben wie die Entbudgetierung der Hausärzte (muss man quartalsweise hingehen) und das „Gesundheitsversorgungsverbesserungsgesetz“, was die Einrichtung von Gesundheitskiosken ermöglihcen soll, wurden nun nicht mehr beschlossen. Der Landkreis werde weiterhin über den Deutschen Landkreistag seine Sichtweise zu den Vorhaben einbringen.
Der Landkreis ist Mehrheitsgesellschafter (51%) des Klinikums Dahme-Spreewald mit den Standorten Spreewaldklinik Lübben und Achenbach-Krankenhaus Königs Wusterhausen. Es gehört zur Sana Kliniken AG München. Dabei ist das Gesundheitsdezernat von Stefan Wichary für die gesundheitliche Versorgung im gesamten Landkreis zuständig. Über das Beteiligungsmanagement ist das Klinikum Dahme-Spreewald in der direkten Zuständigkeit bei Landrat Sven Herzberger. „Das ist wichtig, um auch vertrauliche Gespräche führen zu können“, so Stefan Wichary, „nicht, dass der Verdacht besteht, das Klinikum Dahme-Spreewald sitze überall mit am Tisch.
Hinweis: Das Klinikum Dahme-Spreewald hat unsere Fragen nicht beantwortet