Analoge Wege zu Ateliers und Werkstätten

Der neue Atelier- und Werkstättenführer des Landkreises ist da. Mit der Aufnahme zahlreicher Künstler bringt er manche Diskussion zu Ende, macht aber auch neue auf: um Digitalisierung etwa. Derweil könnte die künftige Kulturförderung in den Fokus geraten.

Von Ingrid Hoberg

Nun ist er da – der schon seit einiger Zeit angekündigte neue Atelier- und Werkstättenführer für den Landkreis Dahme-Spreewald. Vor mehr als zehn Jahren gab es die erste Ausgabe, die längst nicht mehr dem tatsächlichen künstlerischen Schaffen entsprach. Damals waren 64 Künstlerinnen und Künstler aufgenommen worden, inzwischen sind es 130. Im letzten Jahrzehnt hat es nicht nur Berliner und Menschen aus anderen Regionen Deutschlands in den Landkreis gezogen, auch Künstler und Kulturschaffende entdeckten den Reiz der Region zum Leben und Arbeiten.

Beim Tag des offenen Ateliers machen sich alljährlich Kunstinteressierte auf den Weg, doch der Atelier- und Werkstättenführer gehe weit darüber hinaus, stellte Stefan Wichary, Beigeordneter und Dezernent für Soziales, Jugend, Gesundheit und Kultur, bei der Vorstellung der handlichen Broschüre am 14. Dezember im Landratsamt fest. Netzwerke zwischen den Künstlerinnen und Künstlern bilden sich heraus, neue Standorte werden entdeckt – darüber gibt es nun eine umfassende Übersicht. Es ist eine Einladung, dem zu folgen. „Wir werden beim nächsten Tag des offenen Ateliers sehen, ob er an die Leute herankommt“, so Wichary. Er hatte bei seinem Amtsantritt vor knapp zwei Jahren das schon konzipierte Projekt für einen Atelier- und Werkstattführer übernommen.

„Kunstschaffende haben die erstaunliche Begabung, Ortschaften mit besonderer Atmosphäre für sich zu entdecken, an denen es sich wunderbar leben und arbeiten lässt.“
Stefan Wichary, Kulturdezernent

Von A wie Apitz (Bruno F.) bis Z wie Zuschneid-Bertram (Hendrikje), von Schauspiel/Malerei bis Keramik/Aquarellmalerei wie beispielsweise diese beiden Künstler, reicht das Spektrum der Akteure, die ihren Wohn- und/oder Arbeitssitz von Schönefeld bis Heideblick haben. Auf den Weg zu den 130 Künstlerinnen und Künstlern hatte sich Kunstwissenschaftler Herbert Schirmer gemacht. Als Kurator der beiden Ausstellungen Aquamediale und Spektrale, als Laudator bei zahlreichen Ausstellungseröffnungen in der Vertikale- und Horizontale-Galerie in den Lübbener Landratsgebäuden ist er über das Kunstgeschehen im Landkreis gut informiert. Und dennoch bringt eine solche Reise übers Land neue Eindrücke und Erkenntnisse mit sich. „Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass im Landkreis Dahme-Spreewald eine breit aufgestellte, überaus lebendige und vielfältige Kunstszene existiert“, sagt er.

Dezernent Stefan Wichary (l.) und Autor Herbert Schirmer. Foto: Ingrid Hoberg

Dezernent Stefan Wichary (l.) und Autor Herbert Schirmer. Foto: Ingrid Hoberg

 

Für Fotografin Katrin Kamrau (Jg. 1981) war die Mitarbeit an der Publikation wie ein „Antrittsbesuch“, sagt sie. Sie ist nicht nur mit den Werkreproduktionen und Künstlerporträts als Teil des Projekts beschäftigt gewesen, sondern wird  auch als Fotokünstlerin vorgestellt. „Durch die Fahrten in die Ateliers und Werkstätten konnte ich Kollegen kennenlernen“, sagt sie und erinnert sich besonders gut an den Besuch bei Hannes Forster in Jamlitz – Anknüpfungspunkt war das Labirynt-Festival Neuer Kunst in Słubice und Frankfurt (Oder. Auch die Zusammenarbeit mit Caroline Jank, Sachgebietsleiterin Kultur, Ausbildung- und Sportförderung beim Landkreis, sei anregend gewesen. Katrin Kamrau, geboren in Lübben, ist nach Studium und Arbeit im In- und Ausland nun wieder nach Lübben zurückgekehrt. 

Für einen kleinen fachlichen Austausch über Farben nutzen die drei Lübbener Künstler Malgorzata Suwalski, Stefan Bleyl und Petra Gwosch das Zusammentreffen im Landratsamt. „Es ist klasse, dass der Atelierführer jetzt veröffentlicht ist, auch wenn es lange gedauert hat“, sagt Malgorzata Suwalski und findet Zustimmung bei den anderen. Solch einen Katalog könnten andere Landkreise nicht aufweisen. Sie erinnert sich noch gut daran, wie viel Zeit sich Herbert Schirmer für das Künstlergespräch genommen hatte und wie gut er die Intentionen des Einzelnen erkennt und in seinem zusammenfassenden Text zum Ausdruck bringt. Die Drei sind sich auch einig, dass es positiv zu bewerten ist, dass Künstler unabhängig von einem akademischen Abschluss in den Katalog aufgenommen worden sind. „Das war ein langer Diskussionsprozess“, erinnert sich Malgorzata Suwalski. 

Nutzen die Präsentation für einen kleinen fachlichen Austausch: Petra Gwosch, Malgorzata Suwalski, Stefan Bleyl (v.l.). Foto: Ingrid Hoberg

Nutzen die Präsentation für einen kleinen fachlichen Austausch:
Petra Gwosch, Malgorzata Suwalski, Stefan Bleyl (v.l.). Foto: Ingrid Hoberg

 

Aus Steinreich ist Micha Brendel nach Lübben zur Übergabe der Broschüre  gekommen. Er beschäftigt sich als bildender Künstler mit dem Gestaltwandel der Schrift, wie Herbert Schirmer im Text des Atelier- und Werkstattführers erläutert. „Ich bin dankbar, dass er es geschafft hat durchzuhalten – von der Ankündigung bis zur Ausführung“, sagt Brendel anerkennend. Nicht wenig Zeit hatte am Ende die inhaltliche Abstimmung mit den Künstlerinnen und Künstlern gebraucht, wie Herbert Schirmer anmerkt. „Seit dem Erscheinen des ersten Führers durch Ateliers und Werkstätten hat die Anzahl der im Landkreis Dahme-Spreewald tätigen Künstler und Künstlerinnen deutlich zugenommen. Erfreulich ist die steigende Zahl von Hobbykünstlern“, sagt er. Sie sind gleichberechtigt in der Übersicht vertreten.

„Der Atelierführer hat in dieser Qualität kein Vorbild. Er hat bleibenden Wert“, stellt Lothar Treder-Schmidt fest. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen hat es sich nicht nehmen lassen, vor der Kreistagssitzung zur Übergabe der Publikation zu kommen. „Wenn wir die Künstlerförderung ernst nehmen, müssen wir die Mittel im Kulturbereich erhöhen“, sagt er. Dass das Kunstfestival Rohkunstbau nicht im Landkreis gehalten werden konnte, sieht er als einen großen Verlust an. Das als Kunsthalle prädestinierte Gebäude, das Schloss Lieberose, befindet sich inzwischen in Privatbesitz.

Dezernent Stefan Wichary ist zuversichtlich, dass die Kulturförderung auf dem bestehenden Niveau fortgesetzt werden kann. „Wir werden jetzt einen Doppelhaushalt beschließen. Für die Kultur- und Sportförderung liegen bisher keine Anträge zu Kürzungen vor“, sagt er und geht davon aus, dass die freiwilligen Leistungen durch den Landkreis wie bisher übernommen werden können. Für die Kulturentwicklungsplanung werde eine Ausschreibung erfolgen, so der Beschluss im Kultur- und Sportausschuss.

Wenige Stunden später, am Ende einer sehr langen Kreistagssitzung, ging Kämmerer Stefan Klein indes auf die mittelfristige finanzielle Situation des Landkreises ein. Durch eine wiederholte Absenkung der Kreisumlage habe sich die Finanzsituation der Städte und Gemeinden im Landkreis „erheblich verbessert“, wohingegen sich die Liquidität des Kreises um 30 Millionen Euro reduziert habe. Das führe dazu, dass selbst zur Erfüllung von Pflichtaufgaben wie dem Bau eines Gymnasiums künftig eine Kreditaufnahme erfolgen müsse. Damit kämen „erhebliche Konsolidierungsmaßnahmen“ auf den Kreis zu. Dazu müssten, das hatte Stefan Klein bereits zu Beginn der Sitzung beim Thema Oberschulbau durch den Landkreis festgestellt, freiwillige Aufgaben des Kreises durchleuchtet werden, zu denen neben etwa dem Radwegebau auch die Jugend- und Kulturförderung gehöre.

Kulturförderung im Fokus? Diese Diskussion könnte angesichts des Kreishaushaltes bald beginnen. Foto: Ingrid Hoberg

Kulturförderung im Fokus? Diese Diskussion könnte angesichts des Kreishaushaltes bald beginnen.
Foto: Ingrid Hoberg

 

Im Kreistag stand außerdem der Beschluss über die Digitalstrategie des Landkreises als richtungsweisendes Papier auf der Tagesordnung. Wie passt das zu einem gedruckten Atelier- und Werkstättenführer? „Die Digitalisierung des Katalogs ist da nur ein kleiner Baustein“, stellt Norbert Schmidt (CDU) fest. Der Abgeordnete und Vorsitzende des Fördervereins Aquamediale entdeckt auch für sich Neues in der Broschüre.

Auf die digitale Umsetzung ist Hildegard Beck gespannt, als sie das Heft durchblättert. Sie bedauert, dass die Fotos klein sind und hofft, dass sie dann später online in einer anderen Größe aufgerufen werden können. Ihr in diesem Jahr verstorbener Mann Bernd Beck gehörte zu den Künstlern, die Herbert Schirmer besucht hatte. Holger Wieloch, der für den Satz, die Gestaltung und den Druck in seinem Verlag verantwortlich zeichnet, begründet die Entscheidung für das vorliegende Format: „Es soll ein Taschenbuch zum Mitnehmen sein, deshalb haben wir uns für A5 entschieden“, sagt er. Dass die Fotos von den Kunstwerken klein sind, sieht er nicht als Nachteil an. „Es soll eine Anregung sein, die Kunstwerke im Original anzuschauen“, argumentiert Holger Wieloch.

Während nun einerseits auf eine digitale Umsetzung gewartet wird, sagt Karen Ascher, unter anderem Grafik-Designerin, dass es gut sei, ein Buch zu haben, das man in die Hand nehmen und durchblättern kann. „Bücher sollten nicht aussterben“, sagt sie.

 

Hintergrund:

Martina Mieritz verabschiedete sich aus ihrer Funktion als Vorsitzende des Kulturausschusses. Foto: Ingrid HobergDie Vorstellung des Atelier- und Werkstättenführers nutzte die Vorsitzende des Kulturausschusses Martina Mieritz, um ihren Rückzug aus der Kreispolitik bekannt zu geben. Seit acht Jahren war sie Kreistagsabgeordnete und Ausschussvorsitzende, zuvor war sie seit 2010 sachkundige Einwohnerin in diesem Ausschuss. Sie gehe mit einem lachenden und weinenden Auge, sagte sie wenig später im Kreistag – und werden die Kreispolitik weiter gedanklich begleiten.

 

 

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Veröffentlichung

Do, 15. Dezember 2022

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