Die goldene Zeit der Spreewaldmalerei

Der Lübbener André Matthes sammelt seit 20 Jahren Gemälde, für die der Spreewald Modell gestanden hat. Nun hat er einen Katalog herausgegeben. Das Projekt erhellt Kunst- und Tourismushistorie zugleich, erzählt aber auch ein Stück Pandemie-Geschichte.


Von Ingrid Hoberg


Er liegt gewichtig in der Hand, der Katalog „Das goldene Zeitalter der Spreewaldmaler“, herausgegeben vom Lübbener Sammler André Matthes. Auf rund 100 Seiten präsentiert er einen Überblick zu den bekanntesten Spreewaldmalern. „Von der romantisierenden Malerei des Dresdener Professors Christian Gottlob Hammer bis zu Fritz Lattke als Vertreter der niedersorbischen und wendischen Malerei wird das breite Spektrum der Spreewaldmaler abgebildet“, erklärt André Matthes (im Foto mit dem Porträt eines Burger Mädchens in Tracht, gemalt vom Berliner Prof. Paul Spangenberg).


André Matthes mit den Werken seiner Sammlung. Im Bild: das Porträt eines Burger Mädchens in Tracht, gemalt vom Berliner Prof. Paul Spangenberg. Foto: Ingrid HobergDer 42-Jährige Lübbener, der schon als Vierzehnjähriger alte Reklameschilder sammelte, von seinem Vater und seiner Mutter in der Sammelleidenschaft bestärkt wurde und später bei großen Auktionshäusern arbeitete, ist zum Sammler und Kenner der Spreewaldmalerei vom Ende des 19. bis zum beginnenden 20. Jahrhundert geworden. „Der Katalog ist für mich eine immerwährende Ausstellung und zeigt die große Spannbreite der Künstler, die im Spreewald malten und hier ihre Motive fanden“, sagt er. Dabei war der Spreewald noch im 18. Jahrhundert kaum als Reiseziel bekannt. „Auch die Veröffentlichungen des Berliner Professors Johann Bernoulli über seine ,Lustreise nach der Niederlausitz‘ (1779) oder des Wittenberger Pfarrers Christian Gottlieb Schmidt (1789) und des Friedrich Christian Franz (1800), die den Spreewals besuchten, vermochten es nicht, diese Landschaft allgemein bekannter zu machen“, schreibt André Matthes im Kapitel „Die Entdeckung einer Kulturlandschaft“.


Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert, als Theodor Fontane (1819 – 1889) in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, die in der Preußischen Zeitung veröffentlicht wurden, auch den Spreewald mit einer Stippvisite und einem Bericht bedachte. Mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes wurde der Spreewald zu einem schnell erreichbaren Ziel für Ausflügler und eben auch für Künstler aus Berlin. Der Lübbenauer Lehrer und Mitbegründer des örtlichen Fremdenverkehrsvereins Paul Fahlisch (1844 – 1930) sorgte mit den ersten Gesellschaftsfahrten dafür, dass die Berliner zu Kahnfahrten in den Spreewald kamen und von den Ausflügen berichteten.

 

"Holzschneidemühle im Spreewald" signiert: Carl Max Krüger und datiert: (18)75, Privatbesitz Lübben

"Holzschneidemühle im Spreewald"
signiert: Carl Max Krüger und datiert: (18)75, Privatbesitz Lübben

 

Wie sich daraus auch ein Interesse bei den Kunstmalern entwickelte, beschreibt André Matthes: „Etwa um die gleiche Zeit, als Fahlisch seine Gesellschaftsfahrten ins Leben rief, setzte eine Werbung für den Spreewald von einer zweiten Seite ein, die ganz anderer Art war. Sie wurde vom Direktor der Kunstgewerbeschule in Görlitz, dem Kunstmaler Professor Oskar Woite (1854 – 1921), veranlasst, der erstmalig im Jahre 1882 den Spreewald besuchte und ihn wegen seiner eigenartigen landschaftlichen Motive für seine künstlerische Betätigung so geeignet fand, dass er seit jener Zeit zwei Jahrzehnte hindurch alljährlich viele Wochen im Spreewald verweilte … Woite nutzte seinen Einfluss dahingehend, dass sich immer mehr Kunstmaler während der Sommermonate zum Studium im Spreewald einfanden. … Es entstanden viele Gemälde, die ihren Weg in die Ausstellungen, Gemäldegalerien und Privatsammlungen nahmen, wo sie in weiten Kreisen der Bevölkerung große Beachtung fanden. Die Kunstwerke haben durch ihre Dokumentation der landschaftlichen und sonstigen Eigenarten und Schönheiten dazu beigetragen, für den Spreewald und seinen Fremdenverkehr zu werben.“

 

„Die Kunstwerke haben durch ihre Dokumentation der landschaftlichen und sonstigen Eigenarten und Schönheiten dazu beigetragen, für den Spreewald und seinen Fremdenverkehr zu werben.“


„Das goldene Zeitalter“ begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Freiluftmalerei nahm immer mehr Raum ein, Landschaftmotive wurden gesucht, ebenso eine freie Arbeitsatmosphäre. „Der aus Dresden stammende Christian Gottlob Hammer (1779 – 1864) gilt als einer der ersten namhaften Maler, die den Spreewald entdeckt und gemalt haben. Eine Einladung der gräflichen Familie zu Lynar brachte ihm Lübbenau und den Spreewald näher“, führt André Matthes aus. Im Jahr 2015 hatte er selbst im Spreewald Museum Lübbenau eine Ausstellung mit dem Titel „Das goldene Zeitalter“ der Spreewaldmalerei mitgestaltet. Dort zeigte er unter anderem das Ölgemälde von Bianca Commichau-Lippisch „Kirchgang in Burg“. „Um 1928 gestaltete sie in mehreren Versionen den ‚Kirchgang in Straupitz‘. Eine davon befindet sich im Museum Schloss Lübben …“, schreibt Annette Krüger.

 

"Abendstimmung im Spreewald" signiert: W. Moras, Privatbesitz Lübben

"Abendstimmung im Spreewald"
signiert: W. Moras, Privatbesitz Lübben

"Winterlandschaft im Spreewald" signiert: Fritz Lattke und datiert: 1948, Privatbesitz Lübben

"Winterlandschaft im Spreewald"; signiert: Fritz Lattke; datiert: 1948, Privatbesitz Lübben


Im Katalog darf ein Verweis auf einen Zeitgenossen von Hammer, den in Straupitz aufgewachsenen Friedrich August Schmalfuß (1791 – 1874) nicht fehlen. „Mit Hilfe von Alexander von Humboldt und Hermann Fürst von Pückler-Muskau ist es ihm … gelungen, die Errungenschaften seines Schwagers und Australienforschers Ludwig Leichhardt in Deutschland bekannt zu machen“, so André Matthes. Er schlägt den Bogen zur Adolf Burger (1833 – 1876), einem frühen bedeutenden Spreewaldmaler, dessen Gemälde „Begräbnis bei den Wenden im Spreewald“ heute „zu den Glanzstücken der Gemäldesammlung des Wendischen Museums in Cottbus“ gehöre. Künstler aus Norddeutschland arbeiteten im Spreewald, aber auch Carl Max Krüger (1834 – 1880), als gebürtiger Lübbenauer mit dem Beinamen „Spreewald-Krüger“ bekannt geworden, trugen zum Mythos der Landschaft bei.

 

Selbst aus Skandinavien kommen Landschaftsmaler in den Spreewald. Der Däne Peder Mørk Mønsted (1859 – 1941) gilt um 1900 als einer der bekanntesten dieser Zunft. „Zwischen 1909 und 1921 schuf er eine Reihe herausragender Spreewaldgemälde, die er auf den internationalen Verkaufsausstellungen erfolgreich anbot. Neben Lehde und Leipe begeisterte er sich besonders für die stimmungsvollen Waldlandschaften in der Gegend um Burg-Eiche“, schreibt André Matthes. Er geht auf Walter Moras (1883 – 1939) ein, der das „turbulente Lehde“ mied und lieber in Lübben blieb. „Hier fand er im Fotografen und Kunsthändler Magnus Brunkhorst einen Freund und Mäzen. Moras malte eine Reihe von hervorragenden Lübben-Ansichten, die in der Kunsthandlung in der Breiten Straße auf großes Interesse stießen“, so die Einschätzung des Lübbener Sammlers, der kenntnisreich „Das Goldene Zeitalter“ beschreibt und die Vertreter des deutschen Impressionismus, die den Spreewald besuchten und abbildeten, ebenso benennt wie die nachfolgenden Maler. Nicht fehlen darf die Porträt- und Landschaftsmalerin Bianca Commichau-Lippisch (1890 – 1968), die Tochter von Franz Lippisch (1859 – 1941), einem Mitbegründer der Berliner Sezession – der mit seinem Atelier in Jamlitz zum dortigen Künstlerkreis (Künstlerkolonie) gehörte. Die Auflistung endet mit Fritz Lattke (1895 – 1980) und Paul During (1901 – 1944).

 

"Die Witwe"; signiert: Philipp Franck; datiert: 1907, Privatbesitz Lübben

"Die Witwe"
signiert: Philipp Franck; datiert: 1907, Privatbesitz Lübben

"Spreewaldkinder" von Berthold Genzmer, Privatbesitz Lübben

"Spreewaldkinder"
von Berthold Genzmer, Privatbesitz Lübben


Ehe im Katalog einzelne Gemälde und Künstler vorgestellt werden, sind auch die Kunstorte benannt, von denen sich die Maler ihre Inspirationen holten und ihre Werke präsentierten. „Noch bis in die 1930er Jahre fanden in Lehde Ausstellungen statt. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kam die Tätigkeit aller fremdenverkehrsfördernden Vereine und Organisationen vorerst zum Erliegen“, heißt es im Katalog. Postkarten belegen den touristischen Wert der Verbindung von Kunst und Ausflugszielen.


Philipp Franck im Atelier (Archiv André Matthes)Bei der Besprechung einzelner Sammlungsstücke von Christian Gottlob Hammer bis Herbert Tucholski hat sich André Matthes nicht nur auf seine eigenen Recherchen und Kenntnisse verlassen. Mit Annette Krüger, Alfried Nehring, Bernd Gork, Christina Kliem, Dr. Corinna Junker, Dr. Maria Mirtschin und Richard Büning konnte er fachkundige Autoren gewinnen. Silvia Richter hat die Texte ins Englische übertragen. Und André Matthes hat sich auch mit der Provenienz, der Herkunft der Kunstwerke, beschäftigt. Zu den Bildern, die eine interessante Geschichte haben, gehört „Die Witwe“, von Philipp Franck (Foto) im Jahr 1907 gemalt. Von Berlin-Wannsee war das Bild als Erbstück in Privatbesitz nach Barbados gelangt, bevor es wieder verkauft wurde und nach Berlin zurückkehrte. Da war der Zeitpunkt für den Sammler André Matthes gekommen, das Bild zu erwerben. „Es ist eine unspektakuläre, aber durch und durch würdevolle Darstellung eines alten Menschen bei der Arbeit“, schreibt Maria Mirtschin in ihrer Betrachtung. Durch die geöffnete Haustür wird der Blick in eine Wohnstube ermöglicht. „Das könnte das Zimmer sein, das Franck in Burg bewohnte“, sagt André Matthes.

    

„Sammler sind glückliche Menschen“ – dieses Johann Wolfgang von Goethe zugeschriebene Zitat nimmt auch André Matthes für sich in Anspruch. „Ich bin glücklich, ich habe eine kleine, aber feine Sammlung“, sagt er. Der Katalog sei eine gute Sache während der ersten Corona-Zeit gewesen. Nun sieht es fast so aus, als könnte das zweite, schon geplante Buch, in dem die anderen Spreewaldorte wie Burg oder Lübben im Mittelpunkt stehen sollen, wieder durch Pandemie-Beschränkungen befördert werden. Seinen Club Bellevue hat er bereits geschlossen, die Eisbahn, die er zum Adventsmarkt am Rathaus mit Andreas Biedenweg vom Restaurant „La Casa“  betreiben wollte, ist abgesagt. Also wieder Zeit, die eigene Sammlung zu durchforsten und sein Wissen zu erweitern. „In Straupitz, Burg oder Lehde könnten noch Schätze schlummern“, sagt er und hofft auf Hinweise aus der Region. „Ich interessiere mich für alles, was in die Zeit zwischen 1860 bis 1980 themenbezogen hineinfällt – beispielsweise Gemälde, Aquarelle, Pastelle, Skizzen, Fotos, Briefe, Gästebucheinträge, auch mündliche Überlieferungen“, erklärt André Matthes. Vielleicht kann er bald auch die Frage klären, ob das Mädchen mit der kostbaren Puppe auf dem Arm, dessen Porträt zur Sammlung gehört, wirklich aus Burg stammt. Das Gemälde gibt nämlich so einige Rätsel auf.


Info

Präsentiert wurde der Katalog „Das goldene Zeitalter der Spreewaldmaler“ mit 57 Abbildungen erstmals der Öffentlichkeit zur Finissage des Kunstfestivals Aquamediale 14 in Schlepzig. Nun ist der Band in Buchhandlungen der Region von Lübben und Lübbenau über Burg bis Cottbus sowie in den Museen in Lübben, Lübbenau, Luckau, Lehde, Raddusch und Senftenberg erhältlich. Weitere Informationen gibt es unter www.spreewaldmalerei.com 

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Veröffentlichung

Mi, 08. Dezember 2021

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