Innere Einkehr am Paul-Gerhardt-Weg

Kiefernwälder, so weit das Auge reicht. Dazwischen Industrie- und Forstgeschichte. Das klingt wenig inspirierend. Gerade deshalb bietet die 7. Etappe des Paul-Gerhardt-Weges Gelegenheit zu innerer Einkehr, die am Ende sogar literarisch wird.

 


Über den Paul-Gerhardt-Weg

Er ist von Nord nach Süd durch den heutigen Landkreis Dahme-Spreewald gezogen und hat mit seinen Versen Menschen Trost gespendet – in einer Zeit, die von Krieg, Hunger und Entbehrung geprägt war, und in einer Region, die manche als Streusandbüchse oder Walachei bezeichnen und die ihre Schönheit erst auf den zweiten Blick preisgibt: Paul Gerhardt, der Pfarrer und Kirchenlieddichter, wirkte nach einer Anstellung in der Berliner Nicolaikirche zunächst in Mittenwalde und später in Lübben und verstarb dort.

 

Was liegt näher, als heute auf seinen Spuren zu wandeln, sich seiner Person und seinem Schaffen zu nähern und zugleich die Städte und die Region, in der er gewirkt hat, zu entdecken? Der Paul-Gerhardt-Wanderweg führt auf rund 140 Kilometern von Berlin nach Lübben – heraus aus der Metropole, hinein in Südbrandenburger Kleinstädte, ins Dahme-Seengebiet und schließlich in den Spreewald. Ganz nebenbei ist es eine Tour durch den gesamten Landkreis Dahme-Spreewald und Ergebnis einer Zusammenarbeit von mehreren Kommunen, Tourismusverbänden und der Kreisverwaltung.


 

Die 7. Etappe führt auf insgesamt 19 Kilometern von Groß Köris nach Märkisch Buchholz – zunächst ab dem Bahnhof durch jenen Straßenzug, der entstand, als sich um 1900 immer mehr Sommerfrischler, Künstler und Gewerbetreibende in Groß Köris niederließen. Aus dieser Zeit stammt auch die Christuskirche, die aber zunächst links liegen gelassen wird, ebenso wie das alte Dorf mit Lindenallee hinter der Zugbrücke. Es lohnt sich, diesen an zahlreichen Seen gelegenen Teil des Ortes zu besuchen (zumal dort oder am Bahnhof hervorragende Pizza zu haben ist) – vielleicht nach der Rückkehr an den Ausgangspunkt der Wanderung oder am Ende der Strecke von Mittenwalde nach Groß Köris.

 

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Der Weg führt also vom Bahnhof nach Osten über den Geh-Radweg bis zum Abzweig nach Löpten. Dort wird der Asphalt verlassen, und hinein geht es in den Wald, der zu großen Teilen aus Kiefernwald besteht. Doch Einöde ist nicht zu befürchten... Am Klein Köriser Tonsee angekommen, führt der Weg rechts am See vorbei, was schade ist, denn so lässt man erneut etwas Sehenswertes links liegen: die Reste der rund 100 Jahre alten Tonförderanlage. Neben Mauerfragmenten der Förderanlage sind Fundament-Reste sowie die Abraumhalde zu sehen. Eine Infotafel verrät, was von der alten Ziegeleiproduktion im Ort noch erhalten ist.

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Vom Klein Köriser See aus geht es durch Sandstraßen mit Namen wie Hasenwechsel oder In den Kuscheln weiter in Richtung Hammer. Auf diesem Abschnitt bestimmt die Kiefer das Bild – in nachwachsender, ausgewachsener und geschlagener Form. Hier lässt sich trefflich über Anfang und Ende, Natur und Wirtschaft, das Menschsein und dessen Wirken nachdenken. Die Kiefern mögen gleichförmig wirken, aber wer einmal

  • seine Aufmerksamkeit auf die Geräusche und Düfte richtet oder
  • sich ins weiche Moos legt und spürt, wie es sich an jeden Rückenwirbel und Muskel schmiegt, um sich anschließend wieder aufzurichten, oder
  • sich an einen Baum lehnt und sich von ihm halten und und von seiner Energie anstecken lässt,

erlebt die Vielfalt der Natur auf ganz neue Weise. Zahlreiche Anregungen für solche Aufmerksamkeitsübungen bietet übrigens das sehr edle Begleitbuch zum Wanderweg.

 

Am Forsthaus Hammer angekommen, könnte die Lust auf eine Rast einen plötzlichen Schub bekommen, wenn der Aushang der Försterei zum Angebot an Wildprodukten den Speichel fließen lässt. Der Wanderer darf sich hier vorstellen, welch kulinarische Begleitung die königlichen Hofjagdgesellschaften von Friedrich Wilhelm I. (1713-1740) oder Kaiser Wilhelm II. (1888-1918) auf ihren Ausflügen wohl geboten bekamen. Gut beraten ist heute, wer ein kleines Picknick einpackt hat – hinter dem Forsthaus ist ein schöner Rastplatz eingerichtet. Hier erfährt der Wanderer einiges über den Wegabschnitt: Der Paul-Gerhardt-Wanderweg ist nicht nur mit dem Wanderzeichen, dem goldenen Weg in die Unendlichkeit, sondern mit informativen Aufstellern ausgestattet.

 

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Und natürlich gehört ein Lied zu jedem Abschnitt – an diesem ist es „Ich singe Dir mit Herz und Mund“. Es ist 1653 erschienen und stammt daher vermutlich aus Paul Gerhardts Mittenwalder Zeit, die er auch mit Seelsorge im hiesigen Schenkenländchen verbracht haben dürfte. Das passende Lied zum passenden Ort also. Im Begleitbuch und auf der Internetseite des Paul-Gerhardt-Wanderweges ist dieser Etappe zwar „Befiehl du deine Wege“ zugeordnet, aber nun, da dieser Punkt am Forsthaus Hammer erreicht ist, soll es also das fröhliche Loblied „Ich singe dir mit Herz und Mund“ sein, schließlich wirkt der metallene, doppelwandige Aufsteller, auf dem das Lied abgedruckt ist, wie ein Verstärker. Die Sänger dürften also begeistert sein von der Fülle ihres eigenen Gesanges… Wandernde Gruppen können sogar mehrstimmig singen, denn es ist ein vierstimmiger Satz von Johann Crüger abgedruckt.

 

Gesang stärkt die Seele, und die Rast hat die Glieder gestärkt. Nun gibt es obendrauf etwas für den Geist, denn am Forsthaus Hammer beginnt die Lesefährte „Waldweisen“. Das vom Künstler Wolfgang Georgsdorf initiierte Projekt versucht mit Texten zum Thema Wald, die ebendort aufgestellt sind, Natur und Geist zu verbinden – folgt also dem gleichen Anliegen wie der Paul-Gerhardt-Weg. Schriftzeugnisse aus verschiedenen Jahrhunderten lassen Vielfalt und Lebendigkeit von Sprache ebenso wie die Vielgestaltigkeit von Wald entstehen.

 

An der Dahme angekommen werden die Blicke in die Umgebung wieder vielfältiger. Der Kiefernwald ist noch immer nah, aber das Wasser zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Wenn die Sonne scheint und der Wind weht, ziehen glitzernde Wellen dahin, also wollten sie einen Schatz davontragen. Man kann sich hier jedoch gewiss sein, dass man mitten drin ist in diesem Schatz, den die Verbindung von Geist und Natur birgt. Die Texte erzählen von der Kunst Fährten zu lesen, von den Wurzeln der Eiche oder vom Ungemach, das im Wald drohen kann und doch nicht vermutet wird...

 

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Müde vom Laufen, Lesen und Denken geworden, erweckt ein kurzer Gang mit nackten Füßen den Wanderer. Die verschiedenen Bodenstrukturen massieren und kitzeln die Füße, um sie für die letzten Kilometer nach Märkisch Buchholz fit zu machen. Dort lässt es sich an der Dahme herrlich rasten – das Rauschen des Windes in den Bäumen, des Kaskadenwehres oder der Bundesstraße im Ohr. Wer nun noch Energie hat, kann zur Kirche auf dem Marktplatz des kleinen Städtchens laufen und sich das imposante Kaskadenwehr anschauen, an dem der Höhenunterschied zwischen dem Dahmeseenland und dem nun nicht mehr so fernen Spreewald überwunden wird.

 

Streckenlänge: 15 km

Beschaffenheit: eben, Waldboden, auf kurzen Abschnitten Asphalt

Anreise: Mit der RB 24 bis Groß Köris

Rückfahrt: Ab Märkisch Buchholz mit dem Bus 725 nach Halbe und weiter mit der RB 24 nach Groß Köris

Streckeninfos online: https://www.dahme-seenland.de/poi/berlin/wandertouren/etappe-7-paul-gerhardt-weg-von-gross-koeris-maerkisch-buchholz/

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Mi, 26. Mai 2021

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